Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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den langen, spiegelglatten Flur.

      Den Geruch kennt er noch von früher. Bohnerwachs, Braunkohle und übler Tabak. Und er ist ihm noch genauso unangenehm wie damals.

      „Nu, wieder auf Pirsch?“, begrüßt Meißner die Person, die ihnen bei ihrem Eintritt in das Dienstzimmer den Rücken zukehrt. Als der Mann sich umdreht, blickt Benedict durch wolkigen Tabakqualm hindurch in spiegelnde Gläser eines Doppel-Fernglases.

      „Sie sind das also. Einwandfrei, wie im Ferrnsehn!“, verlautet es anerkennend im breiten Ostseeschnack aus dem Mund unter dem Fernglas. „Was verbraucht die Nobelschleuder denn so?“

      Mit einem Blick aus dem Fenster erkennt Benedict jetzt auch den Gegenstand der Observierung. Ein Jaguar auf der anderen Seite der breiten Straße. „Benzin!“, entfährt es ihm da ärgerlich.

      Der Adressat seiner unwirschen Antwort nimmt nun langsam das Glas herunter. Ein fast unschuldig anzusehendes Rundgesicht kommt zum Vorschein. Darin schimmern ihn babyblaue Augen fröhlich an. Ohne Bosheit. Und so geht dem Polizisten aus Düsseldorf die Entschuldigung denn auch ziemlich leicht über die Lippen.

      „Tut mir leid, Kollege, aber ich reagier da eben etwas allergisch!“

      „Allergisch? So was konnten wir uns hier nie leisten. Nu, is’ ja kein Ding ... übrigens, Engel... das ist mein Name!“

      Verwirrt dreht Benedict sich um. Versucht, aus der Miene des MUK-Leiters herauszulesen, ob er hier astrein verkohlt werden soll.

      „Ist Fakt!“, murmelt der aber mit abwesendem Gesichtsausdruck und verschwindet durch eine Verbindungstür ins Nebenzimmer. Der Düsseldorfer hat keine Chance, sich dazu zu äußern, denn der Mann mit dem zum Gesicht passenden Namen kräht dem Entschwundenen lauthals hinterher: „Übrigens, Kollege Bindestrich Genosse Bindestrich Major Bindestrich Herbert! Du sollst dich mit dem Fahrer der Millionärsschleuder da unten sofort beim K-Leiter und ... Seiner Grauen Eminenz melden! Zack, zack!“

      Sollte der MUK-Leiter Herbert Meißner sich über die Art seines Kollegen ärgern, ist ihm dieses kaum anzumerken, als sein Kopf blitzartig wieder im Türrahmen erscheint. „Hättste ooch gleich sagen können, Rainer! Noch bist du schließlich im Dienst, Engel! Und außerdem heißt das jetzt nicht mehr Major, weißt du doch ganz genau!“

      „Gut, dass du mich dran erinnerst. Die Altlast Oberleutnant Engel bleibt euch genau noch 27 Tage und 13 Stunden erhalten, dann ist der reine Engel von VP-Mitte Richtung freie Wirtschaft abgeflogen und du, Verdienter Kriminalist des Volkes, Genosse und Major a. D., wirst wahrscheinlich dann unten den Türsteher für die grünen Lakaien der neuen Ordnung machen!“

      „Aber sonst ist noch alles charascho bei dir? Wir sprechen uns gleich, wenn ich mit unserem ... Besuch zurück bin!“

      Als Benedict hinter Meißner das Dienstzimmer der MUK verlässt, stößt der Mann mit dem lächelnden Babygesicht die rechte Faust in die Luft und ruft ihnen fröhlich hinterher: „Druschba, Towaritsch! Auf fröhliche Selbstkritik im Kollektiv!“

      *

      Draußen dann murmelt Meißner ein tonloses: „Kann von Glück sagen, dass das für die Kaderakte keine Rolle mehr spielt“, um dann zielsicher wieder dem Paternoster zuzustreben.

      „Wo müssen wir denn hin?“, versucht Benedict irgendwie in eine Unterhaltung mit dem farblosen MUK-Leiter zu kommen.

      „Einen Stock höher, zum Leiter der K!“

      „Und da gibt’s keine Treppen? Ich meine, ist doch nur ein Stockwerk.

      Der Blick aus den rauchgrauen Augen des jetzigen Hauptkommissars richtet sich mit plötzlich erwachtem Interesse auf den Mann aus Westdeutschland, aber genauso überraschend erscheint dann doch wieder dieser Ausdruck gleichgültiger Müdigkeit, und mit einem „wird umgebaut“ beantwortet er steiflippig Benedicts Frage.

      Da ihm das Ziel bekannt ist, gelingt ihm diesmal ein relativ elegant aussehender Absprung, der allerdings so schwungvoll ausfällt, dass er mit der Stirn fast gegen die Tür eines gegenüberliegenden Dienstraumes prallt. Leiter K steht da an der Tür vor seinen erschrockenen Augen. Meißners Blick hat jetzt einen mitleidvollen Ausdruck.

      „Genau da wollen wir hin. Zimmer 6029 ... damit Sie sich nicht doch noch verlaufen!“

      Sollte dieser Ost-Vopo etwa die Gabe der Ironie besitzen, oder meint der das wirklich ernst?

      „Überraschung!!!“

      Na, das is’n Ding! Den Mann, der bei ihrem Eintritt so geschmeidig von seinem mit Unterlagen überhäuften Arbeitstisch aufspringt, hat er hier am allerwenigsten erwartet. Auf eine Vorzimmerdame war er eingerichtet. Aber nicht auf Beyer. Ja, der Beyer. Vom LKA Berlin. Mit dem er kurz vorm Mauerfall bei dieser IRA-Geschichte zusammen arbeiten musste. Ein echter Großkotz. Mit dicker Berliner Spucke dran.

      „Sie können schon mal reingehen, zu Ihrem Chef!“, sagt er kühl zu Meißner hin.

      O ja. Den Ton kennt Benedict. Hatte er bei ihm auch versucht, damals. Und das auch noch vor dem englischen SIB-Captain und den Kollegen aus Belfast und Dublin. Würde der Beyer sicher nie wieder machen... bei ihm.

      Jetzt, da Meißner gehorsam abgetreten ist, scheint der LKA-Mann Tacheles mit ihm reden zu wollen.

      „Bevor du da reingehst, kleines Briefing, Kollege: also, halt dich mit den Ossis zurück. Ihr sollt zwar zusammen arbeiten, aber bitte ... wir wissen noch nicht so richtig, was wir von den Kollegen mit der anderen Dienstmarke halten sollen ... bleib also auf Distanz. Zweites Prinzip: wunder dich über nichts, was du hier siehst oder wer dir hier begegnet, klaro?“

      „Und was machst du hier?“

      „Sekretärin, Personalreferent, Verbindungs- und Beratungskommando West ... was immer wem am liebsten ist, klaro! Also, nicht wundem und immer schön raus halten! Und jetzt kannst du dich bei dem da anmelden, aber...“, er senkt seine Stimme zu einem Vertraulichkeit suggerierenden Ton herab, „das ist sowieso nur eine Formsache, der hat vielleicht morgen schon nichts mehr zu sagen. Du verstehst!“ Dieses widerliche Augenzwinkern hatte Benedict schon damals nicht gemocht, aber er ist hier auf unvertrautem Terrain und muss sich den Mann warmhalten. Also keinen harschen Kommentar diesmal, sondern ein unverbindlich höfliches „ist in Ordnung!“, bevor er an die Tür des Nebenraums klopft.

      Die Tür öffnet sich so abrupt, dass Hauptkommissar Meißner wohl mit der Hand auf der Klinke drinnen gewartet haben muss.

      „Der Kollege Benedict von der Kripo Düsseldorf!“ In dem großen Eckraum, drei zusammengelegte Normalbüros, vermutet der Düsseldorfer, sitzen zwei Männer, beide um die Sechzig. Der Vierschrötige mit dem kantig geformten Faltengesicht erhebt sich schwerfällig hinter einem großen Schreibtisch und streckt ihm die Hand zum Willkommen entgegen. „Hennicks. Leiter der K im Präsidium. Bitte setzen Sie sich doch... Du auch, Herbert!“, nickt er dem MUK-Leiter förmlich zu.

      Nachdem sie nebeneinander an dem Besprechungstisch vor dem großen Schreibmöbel des K-Leiters Platz genommen haben, richtet Benedict seinen Blick forschend auf den vierten Mann im Zimmer, der ihnen gegenüber am langen Konferenztisch sitzt und ihm irgendwie bekannt vorkommt. Bevor die Angelegenheit aber unhöflich wird, verzieht der spärlich Behaarte das sonnengebräunte Gesicht zu einem gewinnenden Lächeln.

      „Kriminalrat Strötker“, kollert es raumfüllend aus dem mächtigen Brustkasten heraus, „ich habe hier nur beratende Funktion, also nehmen Sie offiziell keine Notiz von meiner Anwesenheit!“

      Der abwartend auf Strötker gerichtete Blick des K-Leiters scheint ihn aber Lügen zu strafen. Sicher, der Leiter der Ost-Kripo sitzt hinter dem imposantesten Arbeitsmöbel, dem oberflächlichen Beobachter den Eindruck des Hausherren vermittelnd, aber das Machtzentrum im Raum verkörpert doch wohl dieser Braungebrannte aus ... Bonn ... fällt es Benedict jetzt endlich wieder ein. Bei einer Besprechung im Innenministerium hatte er ihn als Referenten erlebt.