Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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entstehen lassen. Maria Leiden-Osters Gesicht färbt sich zum wiederholten Male in der letzten Zeit hochrot. Ganser befürchtet einen unkontrollierten Wutausbruch seiner Arbeitskollegin und zieht den Kopf zwischen die Schulterblätter. Aber sie beherrscht sich vor dieser großen Kulisse.

      Nein, Fortschritte haben sie bisher noch keine gemacht. Am Wochenende sind sie mühsam durch den Ermittlungswust weiterer sechs Spritzer-Fälle gegangen, ohne etwas wirklich Entscheidendes zu finden. Bei den Kollegen der SpriKo macht sich langsam Unduldsamkeit bemerkbar. Offensichtlich halten sie das schritt«weise Aufarbeiten der Vergangenheit für ein sinnloses Unterfangen. Oder haben sie vielleicht Angst vor der Aufdeckung eigener Schlampereien? Die Frustration wurde in dieser Woche noch zusätzlich verstärkt durch den Mordprozess gegen zwei Ex-Kollegen von der Wache Garath, die einen sechsundfünfzigjährigen Mann in einem Wald bei Hilden umgebracht hatten. Im Prozessverlauf kamen einige Zustände auf dieser Wache ans Tageslicht, Zustände, die dem Image der Düsseldorfer Polizei nicht gerade zuträglich waren. Sie waren Tagesgespräch auf den Dienststellen. Dazu gab es einen Erlass des Polizeipräsidenten. »In Zusammenhang mit ... weise ich aus gebotenem Anlass nochmals darauf hin, dass der Genuss von Alkohol auf den Dienststellen ... strikt untersagt ist. Zuwiderhandlungen werden disziplinarisch geahndet und sind mir unverzüglich zur Kenntnis zu bringen!« Die bösartigen Kommentare in der Presse überschlugen sich.

      »Es wäre gut, wenn wir dem möglichst schnell einen Ermittlungserfolg in der Spritzer-Sache entgegensetzen könnten«, meinte Pressesprecher Stüchow gestern auffordernd zu Ganser. »Dann hört auch dieses blöde Theater um diese Frauengruppe auf!«

      Ganser denkt auch an seine Gespräche mit ehemaligen Kumpels und kleinen V-Leuten aus der Düsseldorfer Ganovenszene. Die waren ganz schön aus dem Häuschen wegen dieser Mordfälle. Allesamt aber gaben zu verstehen, dass das nur so ein Psychopath sein könne. Sie selbst würden nichts lieber tun, als den Typen ans Messer zu liefern. »Nachdem wir ihn ordentlich aufgemischt haben, dieses Schwein!«, hatte >Nutten-Louis< Brandel letzte Woche im Chateau zu ihm gesagt.

      Während der Leitende sich vorne durch die Einsatzplanung für die kommenden Tage durchquält, bewegen Kriminalhauptmeister Ganser in der vierten Reihe des Saales ganz andere Probleme. Vielleicht ist unsere ganze Aufgeregtheit um diese Frauenflugblätter ja völlig überflüssig. Vielleicht hat sie ja sogar dieser Spritzer selber produziert, um ein Höchstmaß an zusätzlicher Verwirrung bei der Polizei zu stiften! Für diese These spricht, dass bis heute von den angekündigten Racheaktionen noch nichts zu bemerken ist.

      Gernot Ganser sieht auf seine Digitaluhr und beginnt, unruhig auf dem glatten Stuhl hin und her zu rutschen. Über dem Leitenden hängt der riesige Plan von Düsseldorf. Unwillkürlich versieht der Kriminalhauptmeister ihn in Gedanken mit bunten Stecknadelköpfen. Zwei freie Flächen bleiben: Benrath und Gerresheim.

      Benedict, der normalerweise ein gutes Gespür für kommende Gefahren besitzt, hat mit nie erlebter Dringlichkeit in jener eiligst anberaumten Abendbesprechung nach dem ersten Auftauchen der Flugblätter auf die Konsequenzen dieser Flugblätter hingewiesen. »Wenn wir dem Treiben dieser Frauen nicht Einhalt gebieten, können wir als Polizei einpacken! Wir haben das in jedem Fall zu unterbinden! Entweder dadurch, dass wir den Spritzer-Mörder vorher fassen oder dass wir diese Frauenmiliz festsetzen!«

      Und damit war das erste Mal dieses Wort gefallen, Miliz. Ein Ausdruck, den sie bisher nur in Verbindung mit den Kämpfen im Libanon gehört hatten.

      »Am besten wäre natürlich beides!«, setzte der Chef des 1. K damals nach.

      »Sonst haben wir über kurz oder lang hier bald Bürgermilizen der Tierschützer, des Kinderbundes und der Mietervereine!«

      Bei diesen Gedanken knirscht Ganser so laut mit den Zähnen, dass Pollocky vom 4. K ihn erschrocken ansieht, aber dann ist das Mittwochsmartyrium zum Glück zu Ende.

      Wäre die Situation nicht so verdammt ernst und ungemütlich, würde Benedict sagen, dass es im Krisenstab kriselt.

      »Sie scheinen sich überhaupt nicht darüber im Klaren zu sein, was ein gelungener Anschlag auf den englischen Thronfolger und seine Gemahlin für Konsequenzen für uns hätte!«

      »Auf deutschem Boden!«, ergänzt der Mann aus dem Auswärtigen Amt die Worte des nordrhein-westfälischen Innenministers.

      »Im Bereich der britischen Schutzmacht«, fügt der Persönliche Referent des Innenministers fast weinerlich hinzu.

      Der schmale, ein wenig asketisch wirkende Innenminister wirft seinem Zuarbeiter einen strafenden Blick zu. Als ob sie das nötig hätten!

      »Ich fasse noch mal zusammen«, sagt der Chef der Haroldstraße trocken.

      »Die ISAT-Gruppe hat vor genau 15 Tagen ihre Arbeit in Düsseldorf aufgenommen. Aufgabenstellung der Gruppe: erstens, Feststellung, ob bereits ein irisches Terrorkommando auf deutschem Boden eingesickert ist. Dieser Teil scheint mir nach den bisher vorliegenden Ergebnissen erfüllt zu sein: Ein solches Kommando bereitet einen wie auch immer gearteten Anschlag vor! Irgendwelche gegenteiligen Meinungen zu diesem Punkt?« Der Habichtsblick des Innenministers trifft über den Rand der rechteckigen Brillengläser jeden Einzelnen der hier Versammelten. Neuner vom BKA, Oberst Hopf von der GSG 9, Ministerialrat Ziemer aus Bonn, Mr. Smith vom IntCorps in Düsseldorf, der Polizeipräsident in seiner buntkarierten Jacke, David Casson vom englischen Hauptquartier in Mönchengladbach, Jerry Hart, Rory McGrath, Patrick O’Connell und Vitus H. Benedict vom ISAT, Dr. Nüssing, der Persönliche Referent des Innenministers, gleichzeitig für die Abfassung des Protokolls zuständig.

      Alle so Anvisierten geben ihren Gesichtern einen verhalten zustimmenden Ausdruck. Dr. Nüssing würde das in seiner Gesprächsaufzeichnung mit der Formulierung »die Teilnehmer bestätigten diese Auffassung des Innenministers« wiedergeben.

      »Zweitens, Lokalisierung und möglichst Feststellung der Identität der Angreifer. Dieser Teil der gestellten Aufgabe ist nach dem jetzigen Stand der Dinge nicht erfüllt! Die Zeit wird dafür immer knapper!«

      Wer in der Runde wollte dem widersprechen.

      »Die bisher gesammelten Hinweise ...«, versucht der Hauptkommissar nochmals die Position von ISAT zu erläutern, aber der Leiter des Krisenstabes unterbricht ihn harsch. »Geschenkt! Wirklich! Wir alle hier sind sehr wohl in der Lage zu erfassen, dass Ihre bisherigen Bemühungen ... zumindest nicht dem entsprechen, was wir uns von der Zusammenziehung dieses Expertenteams versprochen haben! Also, die bisherigen ... Erfolge in diesem Aufgabenteil sind dürftig.«

      Der knochige Fünfziger mit den dünnen, streng gescheitelten Haarsträhnen nimmt die Brille ab und presst sich mit einem gequälten Ausdruck Daumen und Mittelfinger an die geschlossenen Augen.

      »Soll ich Ihnen ein Aspirin besorgen, Herr Minister?«, beeilt sich der Referent zu fragen.

      Gott, was für ein Schleimer, denkt Benedict angewidert.

      »Nee, nee. Lass man, Nüssing! Also, wir müssen alles versuchen. Sie müssen alles versuchen!«, korrigiert er sich sofort. »Ich werde in Köln Anweisung geben, dass man alle verfügbaren Leute auf diese Schmitz-Spur ansetzt. Außerdem erwarte ich auch Hilfestellung vom BKA in dieser Sache. Damit kann ich doch rechnen, Herr Neuner?«

      Der zuckt mit den Schultern. »Klar. Aber viel wird das nicht sein. Sie kennen doch unsere Personalsituation!«

      Alle sehen, wie sich der Innenminister zu beherrschen versucht. Die rechte Hand, schon zum donnernden Schlag auf den Konferenztisch erhoben, krampft sich noch in der Luft zur Faust zusammen. Zeitlupenhaft legt er diese dann, betont ruhig, auf den Stapel seiner Notizen. Sehr beherrscht dann: »Verdammich noch eins! Wir wissen doch alle, wenn das in die Hose geht, werden wir unseres Lebens nicht mehr froh! Also bringt alles auf die Beine, was noch laufen kann. Bitte!!!« Fast erschöpft zieht er ein Taschentuch aus seiner Jacke und wischt sich die Schweißperlen vom Gesicht. »Mit dieser Kölner Geschichte haben wir doch wenigstens einen handfesten Hinweis. Dank Ihren Kollegen aus Berlin. Und dem müssen wir nachgehen, so schnell wie möglich und mit so vielen Leuten wie möglich! Die Punkte 3, Verhinderung des Anschlages, und 4, Festnahme, stehen hier ja wohl im Moment nicht zur