Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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bringt laute Morgenmusik. »I told you, I told you, I told you I was one of those.« Wieder dieses Lied mit dem eigentümlichen Refrain.

      Im hell beleuchteten Toilettenspiegel sieht er sich einem aufgedunsenen Mittvierziger gegenüber. Verklebte Augen stieren ihn an. Grimmig versucht er sich anzurülpsen. Aber selbst das misslingt ihm.

      »Du bist ein Widerling, Benedict!«, sagt er zu seinem Spiegelbild, streckt sich die belegte Zunge raus und speit ins Klobecken.

      Nach einem Brauseaspirin fühlt er sich für die Begegnung mit seinen Kollegen im Frühstücksraum gewappnet.

      Auch die Leute im Berliner LKA sehen nicht besonders frisch aus. Wenn auch aus anderen Gründen.

      »Wir können als gesichert annehmen, dass die in den Montgomery Barracks verwendeten Sprengsätze in der Wohnung dieses Hafis zusammengebastelt worden sind. Auf einer Arbeitsplatte fanden wir Reste von elektronischen Bauteilen und Holzabfällen, die zu den Behältern passen. Außerdem konnte unser Labor Spuren von Semtex-Sprengstoff zweifelsfrei auf der gleichen Platte analysieren.«

      »Das ist aber dann auch schon alles«, ergänzt der übernächtigte Lankmann die ruhigen Worte des Labormannes. »Vier unserer Beamten sind noch dabei, sämtliche Schriftstücke aus dem Schreibtisch und den Bestand der Bibliothek des Hafis zu untersuchen. Wir haben insgesamt 2382 Bücher gezählt und sichergestellt!«

      »Das sind größtenteils fach-technische Lehrbücher«, fällt Budde mit belegter Stimme ein. »Auch ’n Haufen Zeugs auf Arabisch. Da muss also jemand ran, der gut Arabisch kann, und das wird noch dauern!«

      »Also, Kollegen«, meint Lankmann abschließend, »da werdet ihr heute bei uns nicht mehr viel erfahren. Frühestens am Mittwoch, realistisch ist Ende nächster Woche.«

      »Wenn überhaupt!«, brummelt Budde wieder dazwischen.

      »Und schlafen müssen wir ja wohl auch mal. Gegen den Hafis haben wir vorsichtshalber einen internationalen Haftbefehl erwirkt, aber da, wo der wahrscheinlich ist ...«

      Auch die anderen Männer im Besprechungsraum winken mit resignierenden Gebärden ab.

      »Helfen könnt ihr uns hier auch nicht mehr ...«

      Ein eleganter Rausschmiss.

      Ihre Maschine nach Düsseldorf würde erst um 16 Uhr 20 von Tegel abfliegen. Die verbleibenden drei Stunden verbringen die vier ISAT-Leute mit einer vom Berliner S.I.B.-Captain organisierten Mauertour.

      An Bord eines Jeeps der Royal Military Police gibt der S.I.B.-Mann kundige Erläuterungen. Er kennt sich schließlich aus. »Es dürfte sich bei der Berliner Mauer so ziemlich um die perfekteste Grenzanlage der Welt handeln. Na ja, haben eben Deutsche gebaut. Sorry, Herr Kommissar! Könnt ihr euch vorstellen, dass der Stacheldraht für die Befestigungen von westdeutschen Firmen geliefert wird?«

      Benedicts deprimierte Stimmung verstärkt sich während der Fahrt entlang der Mauer immer mehr. Und die manchmal schneidenden Bemerkungen des englischen Führers tun das ihrige dazu. In den Mauergraffitis glaubt er manchmal ein weißes Frauengesicht mit grünen Augen zu erkennen. Als er die Augen schließen will, wird ihm schwindlig.

      »Was ihr von hier seht, die Mauer mit den runden Betonröhren auf der Krone, damit die Leute auch schön abrutschen, ist sozusagen nur die Spitze des Eisbergs. Auf der anderen Seite, im russischen Sektor, erstrecken sich die Sicherungsanlagen über einen bis zu 500 Meter breiten Streifen aus Kfz-Sperren, Sperrgräben, geharkten Spurensicherungsstreifen, Lichtsperren, Bunkern und Beobachtungstürmen, Hundelaufanlagen, Leuchtsignalanlagen, Drahtzäunen und nochmals Mauern!«

      »Wird immer noch geschossen, wenn jemand hier rüberwill, von den Ostdeutschen?« Auch McGrath scheint von der allgegenwärtigen Nähe des glatten Betonwerks bedrückt.

      »Ja, sie schießen immer noch. Es gibt einen Befehl.«

      »Wie sieht es auf der anderen Seite aus? Kann man da mal was sehen?«

      Captain Hart, der schon öfters hier war, beantwortet O’Connells Frage mit einem Kopfnicken. »Wir halten nachher an einer Aussichtsplattform. Da kannst du dir auch Souvenirs kaufen!«

      Der Blick des Iren ist erstaunt.

      »Es gibt insgesamt acht Grenzübergänge. Löcher in der Mauer. Allerdings meistens nur in eine Richtung!«

      »Und um Mitternacht in die andere«, bemerkt Benedict trocken.

      »Richtig.«

      Dann hält der hartgefederte Militärjeep inmitten einer Einöde. Mit ungutem Gefühl schließt sich der Hauptkommissar seinen Kollegen an und besteigt die hölzerne Plattform am Potsdamer Platz. Er sieht über die Schultern der anderen hinweg auf den hochragenden Fernsehturm am Alex.

      Als sie wieder in den Jeep steigen, sagt Benedict: »Das war mal das Zentrum einer Weltstadt hier. Der belebteste Platz. Kann man auf alten Bildern noch sehen, was hier mal für ein Trubel war!«

      O’Connell steckt verstohlen einen Satz Mauer-Postkarten in die Tasche.

      Im Flugzeug gibt es diesmal kein nervendes Singekind, und alle dösen erschlafft in ihren Sitzen.

      »Nein, Benny, so eine Mauer wollen wir in Irland doch wohl nicht haben, nein, glaube ich«, sagt Chief Inspector McGrath aus Belfast, als die Maschine in Lohausen aufsetzt.

      9

      Immer lauter wird das Surren und Quietschen.

      Aber das Rad ist groß genug in dem Käfig. Die zwei weißen Tiere laufen unermüdlich in dem sich drehenden Rund aus Draht hintereinander her. Neben sich hat der Mann eine ganze Reihe vorgefertigte, selbstgedrehte Zigaretten liegen. In der blauen Tabakpackung sind nur noch ein paar krümelige Reste. Er zündet eine weitere Zigarette an und bläst das Gemisch aus Nikotin und Teer genau auf die ständig weiterlaufenden Tiere. Sie rümpfen für einen Moment ihre spitzen Nasen, zwinkern mit den roten Augen und rasen dann weiter.

      Immer rund. Und rund. Und rund.

      Es ist schon das dritte Paar weißer Ratten, mit denen er seine Versuche unternimmt, in der kleinen Gartenlaube hinter dem Haus seiner Mutter. Er nennt sie Max und Moritz. Er hat sie immer Max und Moritz genannt. Wie lange diese hier wohl durchhalten werden?

      Letzte Nacht haben sie ihn wieder belauscht. Und gedroht haben sie ihm mit unflätigen Worten.

      Diese Stimmen.

      Es fing an, nachdem dieses kleine Miststück da an der Autobahn ihn um seinen verdienten Lohn gebracht hatte. Dieses Flittchen! Seitdem hatte er immer öfter das Gefühl, beobachtet und belauscht zu werden.

      Zuerst war er noch nach draußen gegangen, in die nächtliche Kühle des großen Gartens. Aber immer, wenn er aus der Tür heraustrat, hörte er nur noch das Trappeln flüchtender Schritte. Äste knackten unter den Tritten der sich entfernenden Lauscher.

      Dann starrte er nur noch vorsichtig aus dem Fenster in die Nacht. Sah er aber hinaus auf die nächtlichen Umrisse der Büsche und Bäume, die sich im Winde wiegten, dann waren da nur noch hastig zurückschnellende Zweige und hinter Stämmen verschwindende, unscharfe Silhouetten. Auch der große Feldstecher half ihm nicht weiter.

      Einmal, ja, da hatte er unter den verwunschenen Zweigen der großen Tanne in ein riesiges