Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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den Herrn Benedict nicht!“

      „Wieso denn nicht, war doch eine richtige Staatslimousine, mit Vorhängen und so!“

      Bevor er in eine Tucholskysche Posse geraten kann, greift Benedict doch wieder in das Gespräch ein. „Der Dolmetscher, war der denn auch von der Regierung gestellt?“

      „Natürlich, was denken denn Sie! Aber der war auch ein persönlicher Freund von Dean Sanger. Hieß Victor ... Victor Grollmann oder so ähnlich. Die kannten sich wohl schon ziemlich lange, also jedenfalls ..."

      „Victor? Sind Sie da ganz sicher, Herr Theuerkorn?“

      „Ja, ja. Victor. Das weiß ich ganz bestimmt!“ Victor. Das könnte sogar passen.

      „Und das war einer aus der DDR?“

      „Mit Sicherheit! Aber kein Deutscher. Ein Ami!“ Noch so einer. Ob der noch ... Schien eine merkwürdige Freundschaft gewesen zu sein, wenn Sanger sich hinter dessen Namen „Victor“ konspirativ versteckt hatte. Victor.

      „Und wie war die Zeit mit Dean Sanger sonst so? Wie lange dauerte das denn?“

      „Insgesamt acht Tage. Um 8 Uhr war also immer Belehrung im 1. Stock, anschließend haben wir zusammen mit Dean Sanger gefrühstückt, und dann ging es nach Arbeitsplan. Also ganz wichtig war dem Dean immer die Gitarre, die hat der nie aus den Augen gelassen. Muss wohl ein ganz wertvolles Stück gewesen sein. Dann habe ich ihn immer zu den Veranstaltungen gefahren. Wenn er auftrat. Kessel Buntes oder nach Weißensee dann. Da war ja die Hölle los. Alles voll FDJler. Hätte fast eine Panik gegeben, weil die sogar auf den Lichtmasten saßen, und die sind dann zusammengebrochen.“

      „Und die ganze Zeit waren Sie immer zusammen, Sie vier?“

      „Na, nicht die ganze Zeit. Nicht, wenn er auf seinem Hotelzimmer war. Da hat ihn ja dann auch immer seine erste Frau besucht, das war ’ne ganz schön arrogante Ziege!“

      „Seine erste Frau?“

      „Also, wohl nicht seine erste, aber die erste, die er in der DDR geheiratet hat. Hatte wohl auch in Amerika eine sitzen. Mit der Tochter aus der Ehe hat er sich ja dann auch nach vier Tagen getroffen. Mit der Ramona.“

      „Was? Ich denke, Sie waren die ganze Zeit zu viert!“

      „Na ja, wir haben uns dann schon ganz gut gekannt. Und er war so nett und freundlich, und da haben wir dann so’n bisschen Räuber und Gendarm gespielt. Jedenfalls konnten wir das so einrichten, dass wir die immer mal ’n Stündchen los waren.“

      „Und wo hat er sich dann mit seiner Tochter getroffen? Doch nicht im Westen?“

      „Nee, nee ... aber ganz dicht dran. In der Fritz-Heckert-Straße, direkt beim Grenzübergang Heine-Straße. Er hat mit ihr da rumgetollt. Richtig ausgelassen war der. Muss sie unheimlich geliebt haben, die Kleine. Durfte ich auch seiner Frau nie was von erzählen, die wäre sicher fuchsteufelswild geworden!“

      „Haben Sie dieses .Räuber und Gendarm'-Spiel noch öfter getrieben, hat er sich noch mit anderen Leuten getroffen?“

      „Noch ein, zwei Mal, aber da weiß ich nicht, was er da gemacht hat. Die Mädels waren ja ganz verrückt nach ihm!“

      „Hab ich auch schon gehört. War zu beneiden, der Dean Sanger.“

      „Na, wie man’s nimmt. Dann hat er sich wohl noch mit seinem Regisseur getroffen, auf der Fischer-Insel, und auch mit Karel Gott. Da war auch immer ganz schön viel Schnaps mit im Spiel. Und nach der Abschlussveranstaltung unterm Fernsehturm hat er mir ein Gasfeuerzeug mit Marmorbeschichtung geschenkt. Auch eine Platte mit persönlicher Widmung und einen 10-Dollarschein. Ich weiß noch, dass er an dem Tag eine Stinkewut auf seine Frau hatte, aber warum, weiß ich nicht. Wahrscheinlich, weil sie sich zu den kleinen Leuten so arrogant aufgeführt hat. Das konnte er überhaupt nicht leiden, der Dean.“

      „Und das war’s dann?“

      „Ja, das war’s eigentlich. Wurde dann ziemlich hektisch. Hab ihn zum Flughafen Schönefeld gefahren. Da hat er sich noch mal so herzlich bei mir bedankt. Das kannten wir sonst gar nicht. ,Wir bleiben für immer Freunde', und dann war er weg.“

      Als Benedict mit schweren Beinen zum S-Bahnhof Greifswalder Straße geht, findet er doch, dass der Abend sich gelohnt hat.

      *

      Morgens ertappt er sich plötzlich dabei, dass er die Suche nach Opfern der Tätigkeit des MfS-Majors in der Zentral-Kartei ganz bewusst verzögert. Während er bisher die jeweiligen Namen immer zügig und sofort in seinen Block übertragen hatte, liest er die entsprechenden Vorgänge jetzt mehrmals durch und sinnt immer länger über die Lebenswege der Betroffenen nach.

      Was ist los? An dem schweren Kopf, den ihm das sirupartige Gesöff der Theuerkorn verursacht hatte, kann es nicht liegen. Er ist schon mit ganz anderen Katern fertig geworden. Nein, er will ganz eindeutig einen möglichen Erfolg der Düsseldorfer Kollegen so lange wie möglich hinauszögern. Denn sollten die bei einem seiner übermittelten Namen fündig werden, gäbe es keinen Grund mehr für seine längere Anwesenheit in Berlin. Und auch keine Möglichkeit mehr, sich mit dem Ableben dieses Amerikaners zu befassen.

      „Telefon für Sie!“

      Der Mann vom Bürgerkomitee ruft ihn zu einem Telefonapparat. Stirnrunzelnd greift Benedict zum Hörer. Die vom Präsidium haben doch noch nie hier angerufen.

      „Benedict!“

      „Was machen Sie denn da für ’n Mist?“

      Die Stimme des „Leitenden“ aus dem Düsseldorfer Präsidium klingt überraschend nah, und sie klingt bedrohlich ungemütlich.

      „Mist?“

      „Ja, Mist! Oder wie würden Sie das sonst nennen? Wir haben Sie da rüber geschickt, damit Sie Licht in die Sache Fuchs bringen, und nicht, damit Sie irgendwelchen Hirngespinsten nachrennen!“

      „Hirngespinsten?“, versucht sich Benedict von dem überraschenden Einbruch Düsseldorfer Hierarchie-Realität in seinen Ost-Berliner Alltag zu erholen.

      „Ja, Hirngespinste! Was geht Sie der Tod eines Amerikaners von anno dazumal in der DDR an? Mensch, Benedict, wir haben sowieso genug Schwierigkeiten Sie da zu halten, und Sie fabrizieren auch noch einen Mist, der bis ins Düsseldorfer Innenministerium stinkt. Es steht zur Debatte, Sie sofort abzulösen und durch jemand Anderen zu ersetzen!“

      „Der müsste sich auch erst wieder einarbeiten. Ob das sinnvoll ist...?“

      „Mensch, begreifen Sie doch, dass es hier nicht um sinnvoll oder nicht geht. Wie lange brauchen Sie denn da noch? Kommen Sie denn trotzdem in der Fuchs-Sache voran?“

      „Vielleicht noch ’ne Woche, Chef. Vielleicht auch eher, wäre wirklich nicht sinnvoll jetzt...“

      „Also, klare Order de Mufti: Sie kümmern sich nur noch um die Angelegenheit Fuchs, und wir versuchen, Sie noch eine Woche aus der Schusslinie zu nehmen, verstanden. Eine Woche!“

      Fast entgleitet der Hörer Benedicts zitternden Fingern, als er ihn auf die Gabel zurücklegen will. So hatte er den „Leitenden“ lange nicht erlebt. Was war das jetzt wieder gewesen? Wie konnten die in Düsseldorf von seinen Sanger-Nachforschungen wissen? Zu Ganser hat er kein Wort gesagt. Das Innenministerium, so, so. Wen hat er denn da nervös gemacht? Warum will da jemand offenbar seine Sanger-Ermittlungen verhindern? Nachdenklich kritzelt er kleine Männchen auf die leere Seite seines Schreibblockes. Wenn nicht von Ganser, was existieren denn da für merkwürdige Informationsströme? Sein Freund vom LKA West-Berlin vielleicht,: der Beyer? Oder...

      *

      „Wir haben hier doch keine öffentliche Telefonzelle, Meister!“