Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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tschüss“ den Hörer wieder auflegen, als Ganser noch eine Nachricht für ihn hat.

      „Da wollte dich jemand vom WDR sprechen. Sollst ihn bei Gelegenheit zurückrufen. Hat ’ne Nummer in Köln hinterlassen!“

      *

      „Hallo, hallo! Sie haben die heißeste Musiknummer des WDR gewählt! Shoobidoo, what can I do? Jimmy Record waits for you!“

      Verdutzt hält Benedict den Hörer weiter vom Ohr weg, um dem rheinländisch eingefärbten Englisch des rappigen WDR-Plattenauflegers zu entkommen.

      „Ja ... also, sehr hübsch. Benedict. Sie hatten bei mir angerufen?“

      „Ach, Sie sind’s. Klar doch, hatte ich. Sie wollten doch vorige Woche mal was über einen Dean Sanger wissen, erinnern Sie sich?“

      „Ja?“

      „Also, ich bin dann doch mal ins Archiv gegangen und hab was für Sie gefunden. Ich mein, man weiß ja nie, ob man Sie mal brauchen kann, nich! Da haben Sie ja einen ganz lustigen Vogel ausgegraben. War ja ganz berühmt der Knilch. Allerdings nicht bei uns. Aber im Osten.“

      „Damit sagen Sie mir aber nichts Neues. Das weiß ich selbst!“

      „Cool, man, immer cool! Wir hatten da zwei Video-Kopien mit ihm rumliegen. Das eine ist so ’n Western B-Moovie, sogar mit Yul Brunner zusammen, und das Andere ist mal von CBS in Amerika gesendet worden. Hab kurz rein gesehen. So ’ne Art personality-feature mit ihm. Heißt ,60 Minutes'. Ist das was für Sie?“

      Das mit Yul Brunner hatte er schon von Ramona Sanger in Los Angeles gehört, aber „60 minutes“ ... Donnerwetter! Die Sendung mit Mike Wallace hatte in den Staaten immer die besten ratings und wer da reinkam ... das war schon was!

      „Hört sich nicht schlecht an. Können Sie mir das zuschicken... nein, besser noch, schicken Sie’s nach Frankfurt. Ich gebe Ihnen eine Adresse. Aber mit Kurier, dann ist es morgen noch da!“

      „Was tut man nicht alles für law and orderl.“

      „War es das dann?“

      „Immer langsam, sprach die Antilope, als der Löwe sie fraß! Ich hab mir noch was aus dem Archiv der Los Angeles Times auf meinen Screen geben lassen. Nur stichwortartig, bisschen back-ground-Zeugs, ist nicht viel. Hier, von 1988: ,Er war der Johnny Cash des Kommunismus, und der einzige Amerikaner, der den Lenin-Orden für Kunst erhielt. Folk-Sänger Dean Sanger wurde zum Star, nachdem er zum Kommunismus übergetreten und in den frühen sechziger Jahren nach Ost-Deutschland gezogen war ... nun wird Sangers Geschichte, die im Juni 1986 zu einem mysteriösen Ende kam, zu einem Film aufbereitet. Produzent Ed Pressman hat kürzlich die Rechte dafür von einem langjährigen Freund Sangers gekauft, der im Auftrag von Sangers Hinterbliebenen handelt...‘, blah, blah, blah ... das ist noch ganz witzig. .Einige Leute sahen in ihm einen Helden, sagte Pressmann, andere einen Verräter. Ich glaube, dass sein Leben beides war, Komödie und Tragödie ...‘ Dann habe ich da noch was Witziges von Dezember 1987. ,Ein Bundesrichter in Los Angeles wies die Klage einer Frau ab, die behauptet hatte, dass Ostdeutsche Agenten ihren Vater, einen populären Sanger im Ostblock, ermordet hätten, um seine Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu verhindern ... Dean Sanger, verbittert über die Politik der Vereinigten Staaten während des Vietnam-Krieges ... zog nach Ost-Deutschland ... wurde sechs Wochen nachdem er seinen Wunsch nach Rückkehr in die USA in der Fernsehsendung ,60 Minutes' publik machte, tot in einem See bei Ost-Berlin aufgefunden. ... dann ist da nur noch ein etwas längerer Bericht anlässlich seines Todes, aus dem Juni 1986, aber das ist nur das Übliche ..."

      „Ist schon gut, lassen Sie mal sein.“

      „Tut mir leid, der war ja bei uns im Westen ein Flopper. Wenn ich sonst noch was für Sie tun kann ... die zwei Videos gehen dann gleich nach Frankfurt raus ..."

      Konnte der flippige Kölner sonst noch was für ihn tun? Nachdenklich starrt Benedict durch die Glasscheibe hinaus auf die Menschenschlangen vor den Postschaltern. Vage versucht sich ein Gedanke in seinem Gehirn zu artikulieren. Vielleicht...

      „Herr Benedict? Sind Sie noch dran?“

      „Ja, ja... wenn ich Sie noch um einen weiteren Gefallen bitten dürfte?“

      „Und das wäre?“

      „Sie haben doch bestimmt irgendwelche Kontakte zur amerikanischen Musikszene...“

      „Klar haben wir da so ’n paar connections. Müssen ja auf dem Laufenden sein!“

      „Das hat auch was mit Dean Sanger zu tun. Da muss es irgendeine Managerin geben, die in Amerika seine Rückkehr vorbereiten wollte. Von der weiß ich aber nur den Vornamen: Dixie. Würde gerne mehr über die in Erfahrung bringen. Meinen Sie ...?“

      „Für einfache Sachen sind Sie nicht zu haben, was? Nur den Vornamen! Was ich machen kann, ist, mal ein paar Kollegen bei Szene-Magazinen anzuzapfen. ,Rolling Stons, ,Melodymaker‘ oder ,Variety', vielleicht. Möglich, dass ich da was raus finde. Ich ruf Sie wieder an, wenn ich was weiß!“

      Nur kurz hatte Benedict mit dem Gedanken gespielt, dem WDR-Mann die Telefonnummer des VP-Präsidiums zu geben, ihn aber gleich wieder verworfen. Ganser würde ihn schon benachrichtigen, wenn der in Düsseldorf anrief. Mittlerweile wussten schon viel zu viele Leute über seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort Bescheid.

      Da er nun schon mal im Westen ist, befriedigt er ein gewisses Nachholbedürfnis nach Service und Luxus bei einem Abendessen im Kempinski, und erst nachdem er das opulente Vergnügen noch mit einer bauchigen Monte-Christo-Zigarre gekrönt hat, verschwindet er reichlich spät am Abend wieder in Richtung Marzahn.

      *

      „Major Meißner hat das hier für Sie abgegeben. Hat lange auf Sie gewartet!“

      Hauptkommissar Benedict entzieht sich den vorwurfsvoll-neugierigen Augen des Objektleiters durch schnelle Flucht auf sein Zimmer. Was das nun wieder wird? Ein Dienstumschlag des Präsidiums. Und auch noch hochoffiziell versiegelt. Mensch, Meißner! Dann bricht er das Siegel auf.

      10

      Die Spiele Deutschland gegen Holland waren die einzigen, für die sich der ansonsten Fußball abstinente Benedict wirklich interessierte. Meist arten sie in eine Art von Stellvertreterkrieg auf dem Sportplatz aus. Geführt von den verbissen kämpfenden Mannschaften und den monstermässig auftretenden Anhängerscharen beider Seiten. Der Hauptkommissar hatte oft darüber nachgedacht, worin die erbitterte Rivalität ihre Ursache haben mochte, fünfzig Jahre nach Kriegsende. Denn jene, die da laut „deutsche Faschisten" brüllten, konnten an diese Zeit keine eigenen Erinnerungen haben, aus denen sie ihren Vorrat an Hass speisen konnten. Vielleicht war ja auch einfach die geographische Nähe Schuld daran. So wie manch langjährige Nachbarn unerbittliche Fehden über den Gartenzaun hinweg austragen. Man kennt sich halt zu gut.

      Als jetzt der niederländische Spieler Frank Rijkaard dem deutschen Völler als Höhepunkt einer längeren Auseinandersetzung ins Gesicht spuckt, ist es mit Benedicts distanzierter Gelassenheit vorbei. So was kennt er vom American Football nicht.

      „Alte Pottsau!“,