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Das Telefon ließ Catherine zusammenzucken. Noch bevor sie abnahm, wusste sie, wer es war.
Die Stimme...
"Sie haben es nicht anders gewollt!"
"Hören Sie, ich..."
"Es war ein Fehler, den Mund aufzureißen, Miss Dobbs! Wir hatten gedacht, dass das Vermächtnis ihres Bruders, die Sache für die er kämpfte, auch Ihnen etwas bedeutet. Das war ein Irrtum..."
"Ich habe nichts..."
Die Stimme unterbrach sie grob.
"Jeder Mensch muss wählen. Die Seite des Lichts - oder die des Bösen... Und Sie haben die Partei des Abschaums ergriffen..."
Der Puls schlug ihr bis zum Hals.
Sie wollte etwas erwidern, aber einen Sekundenbruchteil später war die Verbindung unterbrochen. In ihrem Gehirn arbeitete es. Sie fragte sich, was sie tun konnte, um ihr Leben zu retten. Denn, dass mit den Leuten, die es auf sie abgesehen hatten, nicht zu spaßen war, dass wusste sie nur zu gut.
Nur ruhig bleiben!, sagte sie sich selbst. Sie ging zur hinteren Fensterfront der Wohnung und schaute in den Hinterhof. An der Ecke sah sie eine Gestalt. Einen Mann, der den Jackenkragen soweit hochgeschlagen hatte, dass von seinem Gesicht nicht viel zu sehen war. Über die Feuertreppen war es für ihn ein Leichtes, hier heraufzukommen. Sie atmete tief durch. Jetz gab es für sie nur noch die Flucht nach vorn.
Kurz entschlossen lief sie zu Telefon. Sie nahm das Telefonbuch und suchte nach einer ganz bestimmten Nummer. Die des FBI-Districhts New York. Hastig glitten ihre Finger über die Seiten. Dann nahm sie den Hörer ab und wählte.
"Kann ich bitte einen Agent Trevellian sprechen? Es ist dringend..."
In der nächsten Sekunde ließ ein Geräusch aus dem Nachbarraum sie zusammenzucken. Sie zitterte wie Espenlaub.
Da war etwas am Fenster.
Jemand...
Glas splitterte. Jemand stieg durch das Fenster in die Wohnung ein.
"Kommen Sie schnell!", schrie Catherine durch den Telefonhörer. Sie legte nicht auf, sondern ließ den Hörer einfach fallen. Und dann war sie in zwei Sätzen bei der Wohnungstür, die sie sorgfältig verrammelt hatte. Ihre Finger kamen ihr klamm und schwerfällig vor.
Schritte drangen aus dem Nachbarraum.
Mein Gott!
Dann hatte sie es geschafft. Sie riss die Wohnungstür auf...
...und stieß einen Schrei des Entsetzens aus.
Eine hochaufgeschossene Gestalt stand dort. Innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte eine große, behandschuhte Pranke sich auf ihren Mund gelegt. Ihr Schrei verstummte. In dem Gesicht des Fremden stand ein hässliches, zynisches Grinsen.
Mit dem Absatz kickte er die Tür ins Schloss, während sich aus dem Nachbarraum ein zweiter Mann näherte. In der Hand hielt dieser eine Automatik. Den kalten Lauf spürte sie eine Sekunde später an ihrer Schläfe.
"Scheint, als müssten wir uns mal gründlich unterhalten, Baby!", wisperte einer von ihnen.
Der mit der Pistole ging zum Telefon. Er legte den Hörer auf und betätigte im nächsten Moment die Wiederholungstaste.
Dann nahm er den Hörer ans Ohr, wartete einen Augenblick ab und legte dann endgültig auf. "Sie hat mit dem FBI telefoniert", stellte er fest. Die Art und Weise, wie er das sagte, hatte etwas von einem Todesurteil.
35
Die Befragung des Reverends hatte nichts gebracht. Wir aßen in einer Snack Bar eine Kleinigkeit, und tranken Kaffee aus Pappbechern. Zwei Kollegen würden die Aufgabe übernehmen, Mincuso zu beschatten. Milo und ich wären dafür zu auffällig gewesen. Schließlich kannte der fromme Mann uns ja inzwischen. Dann saßen wir im Sportwagen und ließen uns von der Zentrale durchgeben was es inzwischen an neuen Erkenntnissen über Reverend Paul Mincuso gab. Ermittlungen per Computer konnten sehr effektiv sein. So hatte die Stiftung, der Mincuso vorstand, Ärger mit der Steuerbehörde gehabt und war daher vor en paar Jahren von Jersey City nach New York umgezogen. Mincuso musste immense Summen durch Spenden haben. Ein wohlgeöltes Unternehmen, das Geld wie Heu hatte. Doch immer wieder war in der Vergangenheit der Verdacht aufgekommen, das Gelder aus der Stiftung in düsteren Kanälen verschwanden.
Vielleicht in der Finanzierung von Todeskommandos...
Aber nach wie vor hatten wir nichts über die KÄMPFER DES LICHTS. Nichts, was Mincuso mit dieser ominösen Mörderorganisation in Verbindung brachte. Nichts, was einwandfrei bewies, dass er der Kopf hinter diesen Morden war, die einige illustre Köpfe der New Yorker Unterwelt dahingerafft hatten...
"An dem Kerl haben wir uns heute ganz schön die Zähne ausgebissen", meinte Milo."Der ist aalglatt." Er atmete tief durch und sah mich an. "Hast du schon mal darüber nachgedacht, dass wir uns vielleicht verrennen, Jesse?
Möglicherweise waren Dobbs und Chuck Belmont doch nicht Teil einer Organisation... Hast du das mal zu Ende durchdacht?
Gut, einen Komplizen müssen sie noch gehabt haben, aber..."
Dann meldete sich die Zentrale. Catherine Dobbs hatte sich dort unter ziemlich mysteriösen Umständen gemeldet und verlangt, mich zu sprechen, ehe der Kontakt abgebrochen war. Von unserem gegenwärtigen Standpunkt in der Nähe des Northern Boulevard war es nicht weit bis zu Catherines Wohnung. Nur ein paar Minuten. Ich setzte das Blaulicht auf den Sportwagen und ließ den Motor aufheulen.
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Als wir an der Haustür klingelten, reagierte niemand.
"Ich werde es mal hinten herum über die Feuerleiter probieren", meinte ich.
Milo nickte. "Und ich versuche es auf dem normalen Weg." Er klingelte bei irgendeiner der Wohnungen. "FBI. Bitte machen Sie die Tür