Sammelband 4 Krimis: Mordgeflüster in Venedig und drei andere Krimis. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745204407
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Schönheit. Kommen Sie mit in mein Büro!“ Seine aufrichtige Herzlichkeit machte es Lydia leicht, ihre Hemmungen über Bord zu werfen. Er machte sie mit seiner Sekretärin Veronika Baier bekannt und führte sie in sein Büro, in dem er ihr zunächst einmal Platz anbot.

      „Möchten Sie etwas trinken?“, erkundigte er sich. Veronika Baier stand abwartend in der Tür.

      „Kaffee vielleicht?“, fragte Dr. Berends.

      „Danke ja“, sagte Lydia, und die Sekretärin zog sich für kurze Zeit zurück.

      Dr. Berends wollte hören, wie es Lydias Vater ging.

      „Großartig“, sagte sie.

      „Meine Frau und ich sprechen noch sehr oft von ihm.“

      „Das tut Vater auch. Sie beide haben großen Eindruck auf ihn gemacht“, sagte die blonde Besucherin.

      „Genau wie er auf uns. Charlotte und ich haben ihn bewundert. Er ist von einem beeindruckenden Pioniergeist beseelt.“

      „Das Blut eines Abenteurers fließt in seinen Adern.“

      „O ja, das kann man sagen.“

      Mit einem Motorrad, das sich Lydias Vater eigens für diesen Zweck gekauft hatte, fuhr er kreuz und quer durch Norwegen. Oft war er tagelang allein und hauste in einem primitiven Zelt, obwohl er sich bei seinem Einkommen wesentlich mehr Luxus hätte leisten können, denn er war Manager eines großen Kölner Hotels. In Haugesund hatte das Arztehepaar den unternehmungslustigen Kölner kennengelernt.

      „Andere steigen für immer aus, ich nur für sechs Wochen“, hatte er gesagt. „Danach kehre ich in die Tretmühle des Alltags zurück und freue mich auf die nächste große Reise. Wohin die gehen wird, weiß ich noch nicht. Vielleicht ins tibetanische Hochland.“

      Charlotte und Richard Berends verbrachten eine amüsante Zeit mit ihm. Er sprach häufig und mit sehr viel Liebe über seine Tochter, die diplomierte Krankenschwester war und eine Stellung suchte, die sie ausfüllte. Trotz seiner guten Verbindungen war es ihrem Vater bisher nicht gelungen, etwas Passendes für sie zu finden.

      Der Zufall brachte die Entscheidung. Dr. Berends sagte, für eine tüchtige, ambitionierte Krankenschwester wäre in der Wiesen-Klinik immer ein Platz frei, und Lydia solle sich mit ihm in Verbindung setzen.

      Als der Chefarzt mit seinen Frau aus Norwegen zurückkehrte, läutete zwei Tage später in seinem Büro das Telefon, und Lydias Vater war am anderen Ende. Er fragte, ob das Angebot noch Gültigkeit habe, und der Chefarzt bejahte die Frage.

      „Lydia wird sich melden“, sagte daraufhin Albert Fersten, und einen Tag später rief tatsächlich seine Tochter an.

      Und nun war sie hier.

      Veronika Baier brachte zwei Tassen Kaffee. Lydia nahm ihn wie der Chefarzt mit Milch, aber ohne Zucker.

      Sie wies auf ihre Aktentasche.

      „Wenn Sie meine Zeugnisse sehen wollen ...“

      „Die kann sich später Schwester Hanna, die Oberin, ansehen“, sagte Dr. Berends und nahm einen Schluck vom heißen Kaffee. „Ihr Vater hat mir versichert, dass Sie sehr tüchtig sind, und ich halte ihn für einen sehr objektiven Menschen. Er würde es nicht behaupten, wenn es nicht stimmte. Nicht einmal bei seiner eigenen Tochter.“

      „Sie haben recht. Die Wahrheit geht meinem Vater über alles, und er legt im Berufsleben äußerst strenge Maßstäbe an.“

      „Genau wie ich“, sagte der Arzt. „Ich finde, wir sind es unseren Patienten schuldig, unser Bestes zu geben.“

      „Dazu bin ich jederzeit bereit“, sagte Lydia Fersten.

      „Ich bin sicher, wir werden sehr gut miteinander auskommen“, meinte Dr. Berends.

      Das Telefon unterbrach die Unterhaltung. Dr. Berends entschuldigte sich und nahm den Hörer ab. Man bat ihn in die Aufnahme. Er versprach, sofort zu kommen und legte auf.

      „Tja, so geht es. Man hat keine zehn Minuten für ein ungestörtes Gespräch“, sagte er bedauernd. „Fräulein Baier wird Sie zur Oberin bringen. Wir haben ein sehr schönes Wohnheim. Schwester Hanna wird Ihnen Ihre Unterkunft zeigen.“

      Er reichte Lydia die Hand, und kurz darauf nahm sich Veronika Baier ihrer an.

      „Dr. Berends ist ein viel beschäftigter Mann“, stellte Lydia Fersten fest.

      „Das kann man wohl sagen. Es ist keine Seltenheit, dass er in der Woche hundert Stunden in der Klinik verbringt.“

      „Wie hält er das aus?“, fragte Lydia bewundernd.

      „Das fragen wir uns alle“, sagte die Sekretärin des Chefarztes lächelnd. „Im Moment geht es bei uns besonders hoch her. Wir erwarten in Kürze einen äußerst exotischen Patienten aus Arabien. Seit Jahrzehnten ist es bei den Scheichs Mode, sich in Europa untersuchen und nötigenfalls behandeln zu lassen. Da der gute Ruf der Wiesen-Klinik weit über die Grenzen unseres Landes hinaus bekannt ist, hat sich das Staatsoberhaupt des Emirats Yanba entschlossen, sich von Dr. Berends und seinen Kollegen gründlich untersuchen zu lassen.“

      Lydia strahlte. „Das ist ja wunderbar. Dann wird die Wiesen-Klinik noch mehr an internationalem Ansehen gewinnen.“

      „Ich glaube, das wäre unserem Chef gar nicht mal so recht. Die Wiesen-Klinik soll nicht in den Verdacht geraten, nur für hoch- und höchstgestellte Persönlichkeiten da zu sein. Hier wird allen geholfen. Dem Armen ebenso wie dem Reichen. Ohne Ansehen der Person. Darauf legt Dr. Berends allergrößten Wert. Kommen Sie, ich bringe Sie zu Schwester Hanna. Sie ist eine sehr resolute Person. Lassen Sie sich von ihrer rauen Schale aber nicht abschrecken. Sie hat einen butterweichen Kern, und für jene, die sie mag, geht sie glatt durchs Feuer.“

      3

      Unermüdlich drehte sich der große Ventilator an der Decke. Er schien die schwüle Luft wie einen Teig zu kneten. Nackt lag die dunkelhäutige Fatima unter dem weißen Laken. Matrosen, die in Richtung Hafen gingen, grölten den scharfen Text eines unanständigen Liedes unter dem Schlafzimmerfenster. Fatima war nicht prüde. Sie lächelte über die schockierenden Reime. Neunzehn war sie, und die Männer, mit denen sie zusammen gewesen war, hatten ihr bestätigt, dass sie die Hölle im Leib hatte. Wild und leidenschaftlich konnte sie lieben. Aber sie war dabei auch anschmiegsam und zärtlich. Und manchmal zeigte sie, die ungebändigte Wildkatze, nicht nur die Krallen, sondern setzte sie auch ein. Eine junge Frau wie ein Vulkan war sie, schön und gefährlich. Ihre Liebe war ein Erlebnis, ihr Hass war zum Fürchten.

      Rauchend lag sie im Bett, und ihr langes schwarzes Haar ergoss sich wie eine Pechflut über das weiße Kissen. Bisher hatte sie mit den Männern gespielt, keinen von ihnen ernst genommen. Sie hatte sich mit ihnen vergnügt, und wenn sie ihrer überdrüssig geworden war, war sie einfach fortgegangen. Manchmal, ohne sich zu verabschieden.

      Doch plötzlich hatte sich in ihren Ansichten etwas geändert. Der Mann, an den sie kürzlich geraten war, war für sie mehr als ein Spielzeug, das man achtlos beiseite legt, wenn es einen nicht mehr interessiert. Zum ersten Mal hatte Fatima echt Feuer gefangen, und sie wusste, dass es mehr als ein Strohfeuer war. Sie war verliebt bis über die Ohren, bis in die Haarspitzen ... Mit jeder Faser ihres Herzens liebte sie Halef Mudji. Wenn er