Mit arrogantem Gehabe versuchte Reinhard schon nach ein paar Schritten, die er auf Anton, Felix und Konrad zuging, seinen Gegner zu verunsichern. Die zwei Herren in ihren schwarzen Fracks setzten ihre hohen Zylinder, die sie beim Aussteigen in den Händen hielten, wieder auf. Dabei blies der Wind ziemlich stark und sie mussten ihre Hüte mit einer Hand festhalten. Auf einem freien Rasenstück, welches sich in dem parkähnlichen Gelände befand, öffnete der Sekundant die Schatulle mit den Duellpistolen.
Konrad hatte die erste Wahl, sich eine Pistole herauszunehmen. Danach nahm Reinhard die andere Duellpistole aus dem mit rotem Samt bezogenen Futteral. Beide liefen noch einige Meter in das Wiesengrundstück hinein, stellten sich Rücken an Rücken. Sie hielten die Pistolen mit dem Pistolenlauf nach oben zeigend vor die Brust. Nach einem Kommando des Sekundanten schritten die zwei Kontrahenten jeder zehn Schritte voneinander fort. Wie auf Kommando drehten sich beide um und schossen. Reinhard sank getroffen zu Boden. Gekrümmt und auf den Knien liegend, hielt er sich mit der linken Hand die rechte Schulter. Blut rann ihm durch die Finger. Konrad verspürte einen beißenden Schmerz an der linken Seite oberhalb des breiten ledernen Hosengürtels. Durch die Windböen hatte keiner der beiden seine Duellpistole ruhig in der Hand halten können. Es war bloßer Zufall, dass keiner von ihnen seine wahre Schießkunst zeigen konnte.
Reinhard wurde von seinen Begleitern untersucht um die Schwere der Verletzung zu bestimmen. Die rechte Schulter wurde entkleidet und er bekam von einem der Herren einen Verband um das Schultergelenk angelegt. Die Sekundanten stützten ihn und liefen mit ihm zur Kutsche zurück. Eiligst stiegen sie ein und im Galopp jagte die Kutsche davon.
Was für ein Glück, Konrad hatte nur einen Streifschuss an der Hüfte abbekommen. Anton wickelte ihm einen Verband um die Hüfte, sodass die Wunde aufhörte zu bluten. In langsamer Fahrt fuhren Konrad, Felix und Anton mit der Kutsche nach Magdeburg zurück. Noch während der Fahrt fühlte sich Konrad wie ein Held, der soeben einen Sieg errungen hatte. Felix und Anton waren einfach nur glücklich, dass diese Schießerei so glimpflich ausgegangen war. Zurückgekehrt zu den Vogelsangs, versammelten sich alle im Lesezimmer.
Der Arzt, der schnell von Max herbeigerufen worden war, hatte die Wunde begutachtet und schon neu verbunden. Max machte bei der aufregenden Schilderung des Duells eine nachdenkliche Miene.
„Das ist alles schön und gut, aber wenn Reinhard von Lichtenfeld schwerer getroffen wurde als du, wird er sich an dir rächen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass du, Konrad, kein Adliger bist. Wenn Reinhard das herausbekommt, wird er schwer in seiner Ehre verletzt sein. Die Lichtenfeldbrüder kennen da kein Erbarmen. Die werden solange keine Ruhe geben, bis sie dich ebenfalls zum Krüppel gemacht haben.“
Das war natürlich kein guter Ausgang des Erlebten. „Wir werden eine Lösung finden“, meinte Max und löste die Versammlung im Lesezimmer auf.
Es vergingen nur zwei Tage und die Nachricht vom Duell machte die Runde bei Verwanden und Bekannten von Max Vogelsang und bei Otto von Lüdeburg. Auch die Verletzung von Reinhard hatte sich herumgesprochen. Die Kugel hatte das Schultergelenk und eine Sehne des Arms verletzt. Reinhard würde nie wieder den rechten Arm vollständig nach oben heben können. Dass es jetzt höchste Zeit war, Konrad verschwinden zu lassen, war allen nun schlagartig klar geworden.
Ein Zwischenfall mit einer Kutsche, die von Magdeburg nach Zerbst unterwegs war, machte die Dringlichkeit, Konrad zu verstecken, noch deutlicher. Otto von Lüdeburg hatte durchsickern lassen, dass Konrad mit dem Fleischermeister Rademann zur Jagd nach Zerbst reisen würde. Daraufhin kam es zu einer merkwürdigen Begebenheit.
Es geschah an einer Wegbiegung kurz vor Zerbst. Drei maskierte Männer hielten die Kutsche an und die Insassen wurden durchsucht. Merkwürdigerweise wurde bei diesem Überfall keinem ein Haar gekrümmt. Die zwei Reisenden in der Kutsche aus Magdeburg wurden nicht einmal beraubt, sie kamen mit dem Schrecken davon. Es war augenscheinlich, die drei maskierten Männer waren von den Lichtenfeldbrüdern geschickt worden, oder sie waren sogar selbst dabei, um Konrad zu entführen.
Max und Otto waren auf Konrads Seite und fühlten sich für sein Weiterkommen mit verantwortlich. Gemeinsam überlegten sie, wie sie Konrad helfen könnten, damit er nicht ständig in Gefahr gerät durch Anschläge von Reinhard, die auch tragisch ausgehen könnten. Otto kam auf eine brauchbare Idee.
„In einer Woche schickt der preußische Stadtkommandant von Magdeburg einen Wagentross mit Waffen von Magdeburg nach Emden ab. Die Waffenlieferung ist für Amerika bestimmt, dort tobt der amerikanische Unabhängigkeitskrieg, da kämpfen die Farmer und Siedler gegen die Engländer. Wie wäre es, wenn wir Konrad als Begleiter nach Amerika mitschickten?“
Das Gesicht von Max hellte sich schlagartig auf. „Das ist das beste was wir machen können“, meinte Max zu Otto. Konrad und der Rest der Familie wurden ins Lesezimmer gerufen und der Plan, Konrad nach Amerika zu schicken, war nun beschlossene Sache.
Schon einen Tag später wurde Konrad dem Waffentransportleiter Herrn von Konnewitz vorgestellt. Herr von Konnewitz musterte Konrad von oben bis unten.
„Sie müssen wissen“, sprach er zu Konrad, „dies wird kein Zuckerschlecken werden.“ Aber mit überschwänglichen Worten fuhr er fort: „Von diesen Auftrag hängen die Zukunft und die Unabhängigkeit von Amerika ab, also geben sie ihr Bestes und vor allem schweigen sie zu jedermann.“
„Jawohl, Herr von Konnewitz, ich werde alles tun, um die Aufgaben, die sie mir stellen zu erfüllen“, erwiderte Konrad mit ernster Miene.
„Das gefällt mir, junger Mann, Sie bleiben ab jetzt immer an meiner Seite. Sie können sofort mit anpacken, die ersten Planwagen müssen beladen werden. Sie übernehmen die Kontrolle der zu beladenden Wagen, dass diese nicht zu schwer für die Gespanne werden und nicht unterwegs auseinanderbrechen.“ „Sehr wohl, Herr von Konnewitz, ich werde genauestens darauf achten, dass nicht überladen wird und auch sonst alles in Ordnung geht.“ Max verabschiedete sich von Konrad und Herrn Konnewitz.
Konrad durfte vor der Abreise mit dem Waffentransport nach Amerika nochmals zurück ins Haus der Vogelsangs, um endgültig Abschied von seinen Freunden zu nehmen. Der Abschied verlief unter Tränen und Umarmungen. Besonders innig verabschiedeten sich die beiden Freunde Felix und Konrad voneinander. Felix wünschte Konrad alles Gute für die Reise und viel Glück in Amerika.
„Wenn ich in Amerika bin, schreibe ich euch. Bleibt alle gesund, ich bin schon sehr gespannt auf die Abenteuer in der Neuen Welt. Auf Wiedersehen ihr Lieben.“ Mit diesen Worten verließ Konrad das Haus der Vogelsangs, ohne sich noch einmal umzudrehen.
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