Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sarah Markowski
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Nils Johansen und Arne Lassen
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347028630
Скачать книгу
und wuseln zwischen ihren Eltern umher, die mindestens genauso aufgeregt sind wie ihre Sprösslinge.

      „Herzlich willkommen!“

      Simone und Michael nehmen sowohl Kinder als auch Eltern in Empfang und beantworten seelenruhig alle Fragen. Sofort fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt, als ich eines der kleinen Mädchen war, die schüchtern an den Beinen ihrer Eltern hingen, am Ende des Tages aber doch den größten Spaß ihres Lebens hatten. Aus der Ferne winkt mir jemand zu, und beim genaueren Hinsehen erkenne ich meine Eltern, die Malte und Emilia hierher bringen, und Larissa, die nach dem Aufbau gerade kurz nach Hause gegangen ist, um ihre beiden Geschwister abzuholen. Da sie zusammen mit ihrem Papa hier in Greetsiel wohnen, ist es für die drei nur ein Katzensprung.

      „Sei schön brav und hör‘ auf die Erwachsenen“, „Mama holt dich heute Abend wieder ab“, „hab‘ Spaß und stell‘ bloß keinen Unfug an“, ertönt es aus allen Ecken. Viele Eltern, aber alle haben die gleiche Einstellung. Obwohl ich Zweifel habe, dass die Kinder die Aufforderungen ihrer Eltern exakt so befolgen, mache ich mir keine Sorgen und freue mich sogar noch ein bisschen mehr auf die kommenden drei Wochen.

      Montag, 01.07.2019, 08: 59 Uhr

      - Joachim Klingborn -

      Klingborn stolpert über den Flur, tritt auf einen herumliegenden Legostein, hüpft mit schmerzverzerrtem Gesicht einmal um seine eigene Achse und zieht gleichzeitig den Gürtel um seinen Bauch fester. Er steckt das Leder in die Schlaufe seiner Jeans und zupft das im Hosenbund steckende Hemd zurecht.

      „Leander, aufstehen!“, ruft er in den dunklen Raum hinein, ehe er sich auf den Weg ins nächste Kinderzimmer macht. Dieses Mal kickt er den Legostein beiseite, um nicht noch einmal die Höllenqualen durchstehen zu müssen, die sicher nur Eltern und Kinderbetreuer nachempfinden können.

      „Cecilia, aufstehen!“

      Aus dem Zimmer kommt ein wenig erfreutes Murren. Sie ist also wach; gut. Wie er zurück über den Flur hastet, kommt ihm sein ältester Sohn entgegen.

      „Guten Morgen, Leander.“

      Er wuschelt ihm durch die braunen, etwas zu langen Haare und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. „Mach‘ dich schnell fertig, ja? Papa hat verschlafen.“

      Den Protest überhörend, sprintet Klingborn zurück in Cecilias Zimmer. Er beugt sich über seine Tochter, die innerhalb der dreißig Sekunden anscheinend wieder eingeschlafen ist.

      „Cecilia“, flüstert er ihr in Ohr. „Aufwachen. Wir haben verschlafen.“

      Das Mädchen räkelt sich und gähnt müde.

      „Die Ferienfreizeit startet“, Klingborn schaut auf die Uhr, „genau jetzt.“

      Hektisch springt er über den weichen Flokati-Teppich zum Kleiderschrank seiner Tochter und zieht das erstbeste Kleid heraus.

      „Hier, zieh das an.“

      Er wirft ihr das Kleid entgegen und zieht die Vorhänge auf. Cecilia protestiert energisch und versteckt sich schimpfend unter der Bettdecke.

      „Soll ich dir die Decke auch noch wegziehen?“

      „Nein!“

      „Dann hopp, aufstehen und anziehen!“

      Cecilia rollt mit den Augen, schwingt aber dennoch ihre knallpink lackierten Zehennägel aus dem Bett und wirft das Kleid über die Schulter. Klingborn atmet erleichtert auf.

      „Ist noch was?“

      „Nein“, antwortet er unsicher.

      „Dann hopp, raus aus meinem Zimmer. Ich soll mich doch anziehen, oder nicht?“

      Klingborn macht, was seine Tochter ihm befiehlt, und schließt die Zimmertür hinter sich. Er fragt sich, ob das die Vorpubertät ist, oder ob Cecilia einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden ist.

       Wie kann man mit zarten sieben Jahren schon so eine starke Persönlichkeit haben?

      „Papa, wo ist das Deo?“, dringt Leanders Stimme durch die geschlossene Badezimmertür.

      „Deo? Du bist neun, du brauchst kein Deo!“

      „Du machst ja auch keinen Sport und benutzt es täglich.“

      Das ist ein Argument.

      „Im Spiegelschrank über dem Waschbecken. Aber verwechsle es bitte nicht mit meinem guten Parfüm!“

      „Die blaue Glasflasche mit dem goldenen Deckel, oder?“

      „NEIN!“

      „War nur ein Scherz“, kommt es lachend zurück, gefolgt vom Zischen der Deo-Sprühdose. Klingborn lehnt sich völlig erledigt gegen die Wand. Der Schweiß rinnt ihm an den Schläfen herunter, und auf seinem frischen Hemd haben sich bereits dunkle Flecken gebildet.

      „Halleluja“, seufzt er erschöpft. „Es ist mir ein Rätsel, wie das das Kindermädchen von morgens bis abends auf die Reihe bekommt.“

      „Wo ist Ina eigentlich?“

      Mittlerweile hat Cecilia ihren Schlafanzug gegen das gelbe Sommerkleid getauscht und reicht ihm einen Haargummi, damit er ihre Haare zu einem Zopf zusammenbinden kann.

      „Im Urlaub, das weißt du doch.“

      „Ohne sich von uns zu verabschieden?“

      Cecilia stemmt empört die Hände in die Hüften. „Das sieht ihr aber gar nicht ähnlich.“

      „Schatz“, setzt er zu einer Erklärung an, doch seine Tochter unterbricht ihn erbarmungslos.

      „Bestimmt hast du sie gefeuert!“

      Sie reißt ihrem Vater den Haargummi aus der Hand, dreht sich um, und rennt die Treppe hinunter.

      „Cecilia!“

      Klingborn läuft ihr hinterher und erwischt sie am Treppenende.

      „Immer feuerst du die guten Leute!“

      Tränen stehen in ihren Augen; er wischt sie vorsichtig weg.

      „Ich habe sie nicht gefeuert.“

      „Ist sie freiwillig gegangen?“

      Nun hat sich Cecilias Wut in wahre Trauer verwandelt. Sie ist verletzt, sie vermisst sie. Klingborn schluckt den Kloß in seinem Hals hinunter, es trifft ihn wie ein Stich ins Herz. Seine Tochter möchte lieber das Kindermädchen zurück haben, als Zeit mit ihm zu verbringen.

      Ich kann es ihr nicht übelnehmen, denkt er traurig. Ich habe es nicht anders gewollt.

      Dass er seinen Job an den Nagel hängen oder wenigstens die Stunden kürzen könnte, kommt ihm nicht in den Sinn, obwohl es die finanziellen Polster der Familie durchaus erlauben würden. Doch dazu ist er nicht geboren.

      „Können wir jetzt frühstücken?“

      Klingborn schaut auf die Uhr und überlegt. Er springt in die Küche, schnappt zwei Bananen und zwei eingepackte Schokobrötchen aus dem Vorratsschrank und drückt sie seiner Tochter in die Hand.

      „Das muss für heute reichen.“

      Cecilia begutachtet den Proviant und verzieht abwertend das Gesicht.

      „Ich habe Fruktoseintoleranz.“

      „Entschuldige, mein Schatz.“

      Er nimmt ihr eine der beiden Bananen aus der Hand und ersetzt sie durch eine große Möhre.

      „Ungewaschen und ungeschält?“

      „Hast du von meinem Karottensalat jemals Bauchschmerzen bekommen?“

      „Du machst Karottensalat? Seit wann?“

      Klingborns Nervenkostüm wir immer dünner.

      „Raus, ab ins Auto!“

      Er schiebt seine