Der lange Weg in die Freiheit! Deckname "Walpurgis". Dr. Helmut Bode. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dr. Helmut Bode
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347032132
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      In den Betrieben und Institutionen wurde für die Ausreisewilligen ein „Betreuer“ benannt. Dieser Betreuer hatte die Aufgabe, den Ausreisewilligen in immer wiederkehrenden Gesprächen von seinem Vorhaben, die DDR verlassen zu wollen, abzubringen. Wie aus unserer OPK-Akte der Stasi zu ersehen ist, wurde über das Gespräch vom Sektionsdirektor eine Aktennotiz angefertigt und an die Kaderleitung geschickt. Von dort gelangte diese Notiz dann beim zuständigen Bearbeiter der Staatssicherheit. In meinem Fall war der Sektionsdirektor mein „Betreuer“!

      Zu meinem Geburtstag bekam ich eine Karte von den unbefristeten Mitarbeitern des Wissenschaftsbereiches 3 – Regelungstechnik und Prozesssteuerungen – und dass trotz Ausreiseantrag. Hier der Text:

       »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag verbunden mit den besten Wünschen, daß sich Ihre Hoffnungen, Vorstellungen und Pläne so schnell wie möglich erfüllen werden sowie vor allem beste Gesundheit übermitteln Ihnen die unbefristeten Mitarbeiter J. -----, R. -----, R. -----; T. -----, S. ----- Magdeburg, 22.03.85«

      Worüber ich mich sehr gefreut hatte! Ich war sehr beeindruckt und gerührt, dass die junge Kollegin und ihre drei Kollegen mir, dem zum Klassenfeind erklärten, damit ihre Sympathie zum Ausdruck brachten! Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es auch von allen Beteiligten so gemeint war, wie von mir angenommen!

      Nach langen Überlegungen unterschrieb Rosemarie den ihr am 6. März angekündigten Änderungsvertrag vom 25. März:

       »Ä n d e r u n g s v e r t r a g

       Werte Kollegin Bode!

       Bezugnehmend auf unser Gespräch am 12. 03. 1985 erhalten Sie mit Wirkung vom 12. 06. 1985 einen Änderungsvertrag als "Mitarbeitender Apotheker" im Fachgebiet Labordiagnostik in der Agnetenstr. 24.

       Begründung:

       Durch Änderung des Struktur- und Stellenplanes der Abteilung Arzneimittelherstellung des Pharmazeutischen Zentrums Magdeburg/Wolmirstedt ist eine betriebliche Umsetzung notwendig. (§ 49 des AGB) …«

      Die angebliche Notwendigkeit einer Änderung der Struktur und des Stellenplanes der „Arzneimittelherstellung“ (AMH) war nichts anders, als die arbeitsrechtliche Verschleierung der Strafe, die vom Direktor und seinen Mitstreiterinnen, Rosemarie für das Stellen des Ausreiseantrags zugedacht war!

      Einer Einladung der Hochschule Burg Giebichenstein folgend, fuhren unsere Tochter und ich am 3. April zu um 14 Uhr in den Gobelinsaal des Kulturhistorischen Museums. Hier wurden nun die mit Spannung erwarteten Ergebnisse des Voreignungstests vom 19. Februar in feierlicher Form verkündet. Von den drei möglichen Prädikaten „besonders geeignet“, „geeignet“ und „bedingt geeignet“, erhielt unsere Tochter das Prädikat „bedingt geeignet“. Zu dem Voreignungstest waren ca. 80 Mädchen und Jungen angetreten, nur fünfzehn davon bestanden diesen Test! Somit durfte sie am Zeichenzirkel der Hochschule Burg Giebichenstein teilnehmen. Der erfolgreiche Abschluss dieses Zeichenzirkels war die Voraussetzung ihrer Teilnahme an der Eignungsprüfung zur Zulassung als Studentin an der Hochschule, die ja noch in weiter Ferne lag.

      Am Sonntag, dem 5. Mai, wurde unsere Tochter in der Evangelischen Hoffnungsgemeinde am Neustädter See konfirmiert. Neben ihren Omas hatte sie eine Klassenkameradin eingeladen. Für diese war der Besuch eines Gottesdienstes eine völlig neue Erfahrung. Rosemarie hatte aus Anlass der Konfirmation, wie es bei uns üblich war, vor dem Haus weißen Sand und Tannengrün gestreut, was unsere Tochter sehr in Erstaunen versetzte und sie es sehr schön fand.

      Einen Tag später schickten wir unser 5. Gesuch auf Übersiedlung an die Abt. Innere Angelegenheiten des Rates der Stadt Magdeburg, nun auch noch von unserer Tochter unterschrieben.

      Am 17. Mai nahmen wir einen Tag Urlaub, um mit unserer Tochter, aus Anlass ihrer Konfirmation, mit dem Städte-Express „Börde“ in zwei Stunden und siebzehn Minuten nach Berlin-Lichtenberg zu fahren. Da die Waggons noch Abteile hatten, die durch Schiebetüren abgeschlossen waren, meinte unsere Tochter freudig: „Ich wollte schon immer einmal mit solch einem »Zimmerzug« fahren!“ Wir besuchten das Hugenotten-, das Pergamon- und das Altägyptische Museum. Durch die vergebliche Suche nach einem Hotelzimmer, verpassen wir den planmäßigen Städte-Express in Richtung Magdeburg! Hatten aber doch noch Glück, da ca. 30 Minuten später noch ein Entlastungszug eingesetzt wurde, sodass wir doch noch sehr gut in Magdeburg ankamen.

      Noch saß ich in einem Einzelzimmer im E-Gebäude, welches durch das Abtrennen des Flures in der ersten Etage entstanden war. Es wurde mir nach meiner Ernennung zum Oberassistent zugewiesen. Nur mein Amtsanschluss war zwischenzeitlich gesperrt worden. Ich konnte also nur noch Telefonate innerhalb der Hochschule führen, wovon ich aber kaum noch Gebrauch machte. Seitdem an der Hochschule bekannt war, dass ich einen Ausreiseantrag gestellt hatte, klingelt mein Telefon kaum noch, aber am Freitag, dem 23. Mai, meldete es sich doch wieder einmal. Ich wurde aufgefordert, kurzfristig zum Sektionsdirektor zu kommen. Dort angekommen, ging dieser mit mir zum Genossen Direktor für Kader und Qualifizierung. Von dem ich anstelle einer Begrüßung zu hören bekam: „Nehmen Sie ihren Ausreiseantrag zurück!“ „Nein!“ war meine Antwort. „Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit einem Änderungsvertrag, verbunden mit einer Umbesetzung in die Sektionswerkstatt, zuzustimmen! Wenn Sie nicht zustimmen, d.h. den Änderungsvertrag nicht unterschreiben, wird Ihnen gekündigt werden!“ ließ er sich vernehmen.

      Mir blieb nichts anders übrig, als den mir vorgelegten Änderungsvertrag zu unterschreiben, d.h. man hatte schon damit gerechnet, dass ich den Ausreiseantrag nicht zurücknehme und folglich den Änderungsvertrag vorbereitet. Ich wurde damit vom Oberassistenten in einen Ingenieur für das Zentrale Elektroniklager, mit einer Reduzierung des Gehaltes um 40 Prozent, d.h. von 1.670 Mark auf 1.000 Mark, und der Streichung von einem Urlaubstag, zurückgestuft!

      Die Tätigkeit beinhaltete vorwiegend Aufgaben, die mit der Inventur von Grund- und Arbeitsmitteln zusammenhingen, z.T. aber auch Aufgaben in der Programmierung.

      Einen Tag später richtete ich an den Kaderdirektor folgendes Schreiben:

       »Wie Ihnen bereits am 23.5.1985 von mir vorgetragen, bitte ich zu prüfen, ob das mir angebotene Gehalt nicht erhöht werden kann.

       Die mir ab Juli 1985 übertragene Arbeit wird den Einsatz meiner ganzen Erfahrung und meines Könnens verlangen, wofür 1000,- M ganz gewiß zu gering angesetzt sind. Dieser Betrag liegt noch unter der Gehaltshöhe, die ich vor 15 Jahren bei Aufnahme meiner Tätigkeit an der TH erhalten habe und in der Zwischenzeit wurden die Gehälter um 150,- M erhöht.

       In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darüber informieren, daß ich ab Juli 1985 für den Unterhalt meiner vierköpfigen Familie alleine aufkommen muß, da meine Frau aus gesundheitlichen Gründen ihre berufliche Tätigkeit nicht fortsetzen kann.

       Ich hoffe auf Ihr Verständnis und einen positiven Bescheid.«

      Nachfolgend die Antwort des Kaderdirektors vom 4. Juni:

       »… Entsprechend der vereinbarten Arbeitsaufgabe erfolgt die Vergütung gem. RKV80 Hochschulwesen nach Vergütungsgruppe HF III, die eine Spanne von 950,- bis 1.100,- M umfaßt. Mit der für Sie festgelegten Vergütung von 1.000,- M brutto monatlich wurde bereits eine Steigerung gewährt.«

      Am 30. Mai schickten wir unser 6. Gesuch auf Übersiedlung an die Abt. Innere Angelegenheiten des Rates der Stadt Magdeburg.

      Rosemarie beschäftigte sehr die ihr durch den Änderungsvertrag vom 25. März zugefügte Degradierung von ihrer Funktion als Fachgebietsleiterin zur mitarbeitenden Apothekerin in der Labordiagnostik, aus diesem Grund richtete sie am 29. Mai folgendes Schreiben an ihren Betrieb:

       »Hiermit bitte ich darum, mein durch den Änderungsvertrag vom 25.3.1985 bestehendes Arbeitsrechtsverhältnis bis zum 31.12.1985 ruhen zu lassen.

       Ich begründe meine Bitte damit, daß ich doch einen größeren Abstand benötige, um von der leitenden Stellung, die ich z.Zt. einnehme, in ein Unterstellungsverhältnis zu einer wesentlich jüngeren