»Lebenszeichen?«
»Negativ«, antwortete die KI auf die Frage des Kommandanten.
»Auf zur Nummer vier!«, ordnete Rykher an. Er wirkte mehr und mehr ungeduldig – und vor allem nachdenklich.
Der I. O. stieß einen kehligen Laut aus. »Diese Welt wird ebenso ernüchternd sein«, gab er zu verstehen.
»Ich befürchte es fast«, erwiderte der Colonel mit gerunzelter Stirn.
4.
Die PENDORA änderte ihre Richtung. Nummer vier bewegte sich zu dem Zeitpunkt auf der entgegengesetzten Seite der Sonne. Trotzdem dauerte es nicht lange – und etwa die gleiche Situation wiederholte sich. Ein Planet ohne Leben, das war die vierte Welt. Sowohl die sonnenhelle als auch die nachtdunkle Hemisphäre waren leer und verwüstet. Hügelrücken und tiefe Täler, dann eine schier endlose Ebene die sicher einst ein Meer gewesen sein mussten. Gelb und grau, weiß und bräunlich, das waren die vorherrschenden Farben. Langsam glitt die PENDORA hoch über der Oberfläche dahin und suchte nach Anzeichen von biologischem Leben.
Es wurde zu einer vergeblichen Suche.
Zunächst sah man keinerlei Vegetation, nicht einen Baum oder eine größere Ansammlung von pflanzlichem Bewuchs. Dann tauchte am Horizont ein Bergrücken auf und schob sich schräg nach vorn. Dahinter öffnete sich eine weite Ebene, die nahezu ein Achtel der Planetenoberfläche beanspruchte. Und hier gab es die ersten Hinweise für eine Zivilisation.
Unruhe entstand in der Zentrale. Alle Augen starrten auf die Schirme.
Die KI holte mehr und mehr Einzelheiten aus der Monotonie einer Einöde heraus.
Man erkannte die Einschnitte früherer Straßen, einige große, zusammengestürzte Brücken, die sich über ausgetrocknete Flussläufe spannten, in denen dunkelbraune Flechtenteppiche wucherten. Eine fast greifbare Ausstrahlung von Einsamkeit, von Verlassenheit ging von den Bildern aus.
Dennoch – nirgendwo Leben.
Entlang eines einstigen Stromufers zeichneten sich eine Reihe von großen und kleineren Kratern ab. Sie lagen in den schräg einfallenden Sonnenstrahlen, ihre Ränder warfen scharf abgegrenzte Schatten. Einige der Krater boten den Anblick, als seien sie jüngeren Datums; sie durchschnitten die leicht gerundeten Ringwälle der älteren. Es war ein Anblick wie von der Oberfläche eines atmosphärelosen Mondes, der Tausende von Jahren einem unaufhörlichen Bombardement von Meteoren und Sternentrümmern aus dem All ausgesetzt gewesen war.
Aber dies ... dies waren keine Meteoriteneinschläge!
»Nachweislich auch nicht das Ergebnis vulkanischer Tätigkeiten des Planetenkerns«, beantwortete die KI Rykhers diesbezügliche Einlassung. »Diese Welt ist geologisch zu alt, um noch eine derartige Anzahl subplanetarischer Aktivitäten zu zeigen.«
»Was dann?«, ließ sich Eli Jannik zu der Frage hinreißen.
»Eine kriegerische Auseinandersetzung«, verkündete die KI mit der ihr eigenen Emotionslosigkeit. »Hier hat ein mit Waffengewalt ausgetragener Konflikt stattgefunden. Sehen Sie selbst.«
Die KI transferierte eine neue Ansicht auf den Hauptschirm.
Eine Ebene war zu sehen, auf der sich Gebäudereste abzeichneten. Die hohen, schlanken Bauwerke waren zerbrochen und zersplittert. Metallene Skelette oder Trägerkonstruktionen aus einem entsprechenden Material strebten in den fahlgelben Himmel. Sandfahnen wirbelten über Ruinenfelder und Schutthügel. Langsam glitt die zerfallene Stadt, deren Ruinen sogar noch die Spuren von Einschlägen trugen, unter dem Forschungskreuzer vorbei.
»Dies sind Gebäudestrukturen, wie Humanoide sie für ihr Lebensumfeld bevorzugten«, ließ Art Jagger verlauten. Danach herrschte wieder Stille in der Zentrale.
Auf ihrem Weiterflug geriet die PENDORA in den Einflussbereich einer riesigen Staubwolke, die in mehreren Schichten über der Landschaft schwebte und das Sonnenlicht noch mehr filterte, als es die staubige Atmosphäre ohnehin schon tat. Es war Sand und feinster Staub, den die stürmischen Winde hochgerissen und innerhalb der Inversionsschichten verteilt hatten. Mehrere hundert Quadratkilometer waren diese Sandwolken ausgedehnt, und sie faserten sich in den obersten Regionen der Atmosphäre auf. In Fallwinden sanken die Staubmassen wieder zurück auf den Planeten, wo sie wie dickflüssiger Regen alles unter sich erstickten.
»Ist wirklich überhaupt keine Verwendung von aktiver Energie feststellbar?«, erkundigte sich der Kapitän.
»Keine«, kam es von der Ortung.
»Auch keine unter Dämpfungsfeldern versteckte?«
»Negativ, Sir!«
»Suchen wir weiter«, ordnete Rykher an.
Im immer düster werdenden Tageslicht erblickten sie nach einer Weile eine zweite Stadt.
Ein Komplex, dessen Ausdehnung sich über ein Viertel des Sichtfeldes erstreckte. Einstmals sicher eine gewaltige Stadt. Jetzt nur noch eine Ansammlung riesiger Ruinenfelder. Der Forschungsraumer ließ sie hinter sich.
Eine andere urbane Anlage, einstmals kreisrund, schälte sich aus der halben Dämmerung, die durch die immense Masse Staub und Sand in der Atmosphäre verursacht wurde. Sporadisch ragten aus den Dünen und Sandflächen, dem Geröll und den endlosen Trümmerfeldern abgestorbene Bäume heraus – zumindest deren Reste. Alles war mit einer dicken Schicht Asche und dem allgegenwärtigen Staub bedeckt. Die Schattenmuster zeichneten deutliche Spuren in das leere Chaos aus Zerstörung und Vernichtung.
Auch hier würde die PENDORA kein Leben finden; schließlich waren seit der Zerstörung dieser Zivilisation vermutlich hunderte von Zeitperioden vergangen.
»Widmen wir uns dem eigentlichen Ziel unserer Expedition«, ließ Rykher verlauten. »Auf zur Nummer drei.«
Der Forschungskreuzer peilte den dritten Umläufer dieses Systems an. Jenen Planeten, über dem die Aufklärungsdrohne Alpha-Eins J5GOB-883 abgeschossen worden war.
Und als die Detektoren während des Fluges den Planeten in ihren Erfassungsbereich bekamen, schlugen sie Alarm.
Auf dem Zielplaneten wurde Energie verbraucht! Zwar keine gewaltigen Mengen, wie es eine prosperierende, planetenweit umspannende Zivilisation hätte verursachen müssen, aber genügend starke, um entsprechende Echos auf den Detektorschirmen zu generieren.
Unruhe entstand in der Zentrale.
Also doch!
Dieser Flug war ein Flug der Überraschungen. Vermutlich, assoziierte Rykher die Daten mit seinen Überlegungen, hatten sich die Bewohner der vierten Welt auf diesen Planeten im Innern des Systems geflüchtet. Und lebten vielleicht noch dort?
Keine voreiligen Schlüsse, rief er sich selbst zur Ordnung.
»Laurin! Schiff in Alarmbereitschaft versetzen!«
»Schon geschehen, Kapitän«, erwiderte die KI.
In der Zentrale waren alle Augen auf die Kontrollschirme gerichtet; Planet Nummer drei tauchte aus dem Gewimmel der umgebenden Sterne auf; er war von mehreren kleineren Himmelskörper umgeben: kleinen Monden oder großen Asteroiden. Die KI legte sich da nicht fest. Einer der inneren Monde glänzte sogar mit einer dichten Atmosphäre.
»Noch nichts zu erkennen außer den Energiesignaturen?«, wollte der Colonel wissen.
Sei noch zu früh, wurde ihm von der Ortung bedeutet.
Der I. O. warf einen schnellen Blick auf den Kommandanten; er forschte nach der gleichen Anspannung, wie er sie verspürte. Doch Eli Jannik hatte Pech. Die Miene des Kommandanten verriet nichts von dem, was den hoch qualifizierten Raumschiffer berührte. Er konzentrierte sich ganz auf die Bilder des Frontschirms.
Dann schwebte der Planet unter ihnen.
Die Nachtseite verschmolz mit dem Hintergrund des sternenerfüllten Raumes,