Der Venezianische Löwe. Volker Jochim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volker Jochim
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Kommissar Marek Krimi
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347115842
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und San Donà. Kennst du die Gegend?“

      „Klar kenne ich die. Das ist doch kurz hinter Brian, oder?“

      „Genau. Ein Techniker fand an der Zufahrt einen Toten. Er lag in einer betonierten Wasserrinne mit gebrochenem Genick. Oben am Weg lag ein verbogenes Fahrrad vor einem dicken Ast. Was sagst du?“

      „Moment, mein Caffè kocht.“

      Marek nahm die Caffettiera vom Herd, schenkte sich eine Tasse ein, löffelte ordentlich Zucker hinein und nippte dann an der Tasse.

      „Scheiße.“

      „Wie, scheiße?“, Ghetti verstand gar nichts mehr.

      „Nichts. Ich habe mir nur den Mund verbrannt. Das hört sich nach einem blöden Unfall an. Was ist daran ein Fall?“

      „Du hast mir vor ein paar Monaten beigebracht auf das zu achten, was man nicht sieht, das zu erkennen was man sehen soll und auf seinen Bauch zu hören. Und der sagte mir, dass da etwas nicht stimmt. Ich habe den Toten also zu Dottore Lovati geschickt und der will mich jetzt dringend sehen. Und da dachte ich …“

      „Klar komme ich mit“, unterbrach ihn Marek, der jetzt seinen Kater endgültig vergessen hatte. „Holst du mich ab?“

      „In fünfzehn Minuten bin ich da. Ciao.“

      Er kleidete sich rasch an, zündete sich noch eine Zigarette an und trank seinen Caffè aus. Dann klingelte auch schon der Brigadiere an der Tür.

      ***

      Während der Fahrt nach Portogruaro ließ sich Marek über die genauen Umstände des Leichenfundes und die bisherigen Ermittlungsergebnisse aufklären.

      „… und im Moment versuchen wir gerade die letzte Arbeitsstätte des Toten zu ermitteln“, beendete Ghetti seine Erzählung, während sie gerade zum Ospedale einbogen.

      „Ich glaube auch, dass dein Bauch recht hat“, meinte Marek auf dem Weg hinunter zur Pathologie, „ich hätte auch Bauchschmerzen wenn jemand, der in Triest wohnt, sich nachts mit dem Fahrrad in dieser gottverlassenen Gegend das Genick bricht.“

      „Da hat ihm wohl jemand dabei geholfen“, ertönte hinter ihnen die wohlbekannte Stimme von Dottore Lovati.

      „Müssen Sie mich immer so erschrecken Dottore?“, jammerte Ghetti, dem der Schreck sichtbar in die Glieder gefahren war.

      „Buon giorno, commissario, ciao Michele. Stell dich nicht so an. Ich habe dir schon einmal gesagt, hier unten beißt dich niemand mehr.“

      „Buon giorno, dottore. Schön Sie mal wieder zu sehen. Was haben Sie eben gesagt?“

      „Sie haben richtig gehört. Das war niemals ein Unfall. Der Junge weist Hämatome an beiden Armen und Handgelenken sowie Druckstellen am Hals auf. Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen.“

      Lovati eilte voraus in den Obduktionssaal, wo der Körper des jungen Mannes sich unter einem blassgrünen Tuch abzeichnete. Bevor er das Laken zurückzog, steckte er sich mit seinem Zigarettenstummel einen weiteren Glimmstängel an.

      „Sehen Sie diese Flecken hier am Hals? Da hat jemand von hinten mit enormer Kraft zugedrückt. Und hier an den Handgelenken diese Hämatome. Beides eindeutig vor seinem Tod verursacht.“

      „So wie es aussieht, wurde er an beiden Armen festgehalten und jemand hat ihm das Genick gebrochen.“

      „Genau Commissario, so würde ich es auch sehen. Dafür würden auch die leichten Druckstellen am Kiefer sprechen. Da hat ihm jemand klassisch den Hals umgedreht.“

      „Das würde auf einen Spezialisten hindeuten. Nahkampfausbildung beim Militär oder Kampfsportler.“

      „Das könnten ja dann Millionen sein“, meinte der Brigadiere, der sich bis dahin, wie immer wenn er in diese Gefilde musste, diskret im Hintergrund gehalten hatte.

      „Das schon, aber es könnte wichtig sein diese Merkmale zu kennen, wenn wir einen Verdächtigen haben sollten. Danke Dottore, Sie waren wie immer eine große Hilfe. Und du Michele kannst dir gratulieren, dass du den armen Kerl hierher geschickt hast und nicht auf die Unfallinszenierung reingefallen bist.“

      „Danke. Du meinst also auch, dass es für uns inszeniert wurde?“

      „Nach allem was du mir erzählt hast und was der Dottore gesagt hat, muss es so gewesen sein. Komm lass uns zum Tatort fahren.“

      Ghetti setzte ein erleichtertes Lächeln auf.

      „Heißt das, du machst mit?“

      „Naturalmente, das wolltest du doch, oder?“

      Marek und Ghetti verabschiedeten sich von Lovati und machten sich auf den Weg. Während der Fahrt sprach keiner ein Wort. Zu sehr waren beide in Gedanken vertieft. Das Ganze versprach, wieder ein ziemlich komplizierter Fall zu werden. Das spürte Marek.

      Eine halbe Stunde später bogen sie in die Zufahrt zum Wasserwerk ein. Marek bat Ghetti, den Wagen am Anfang des Weges stehen zu lassen. Er wollte den Rest zu Fuß gehen, um sich ein umfassendes Bild vom Tatort machen zu können. Langsam gingen sie den leicht ansteigenden Weg hinauf. Marek suchte angestrengt nach irgendwelchen Hinweisen, die man übersehen haben könnte, inspizierte beinahe jeden Schotterstein.

      „Hier war es“, sagte plötzlich Ghetti in die Stille hinein, als sie vor einem großen Ast standen, „hier lag das Fahrrad und er lag dort unten.“

      Ghetti wies mit dem Finger in die Rinne, die parallel zum Weg verlief.

      Marek sah sich um.

      „Geschickter Ort für eine Unfallinszenierung. Alles von Bäumen umgeben, von der Straße aus nicht einsehbar, aber was zum Teufel macht einer mitten in der Nacht mit einem Fahrrad in dieser Einöde? Vor allem wenn man bedenkt, dass er in Triest gewohnt hat und das ist mit dem Auto schon über eine Stunde Fahrt. Und warum wurde er umgebracht? Hatte er etwas gesehen, was er nicht sehen durfte? Bis jetzt haben wir nur Fragen. Ihr habt auch nichts Brauchbares gefunden?“

      Ghetti schüttelte resigniert den Kopf.

      „Leider nichts. Reifenspuren auf diesem Schotter sind auch nicht zu gebrauchen.“

      Marek holte die kleine Digitalkamera, deren stolzer Besitzer er seit ein paar Wochen war, aus seiner Tasche und fing an den gesamten Bereich zu fotografieren. Vielleicht würde ihm beim Studium der Bilder noch etwas auffallen. Man weiß ja nie. Plötzlich stutzte er und nahm die Kamera herunter. Auf seinem Display hatte er etwas entdeckt.

      „Was ist das da hinten?“

      „Das ist eine alte, verrostete Schranke.“

      „So. Und was ist hinter dieser Schranke?“, fragte Marek ungeduldig.

      „Da ist nur ein verwildertes Grundstück mit einem verfallenem Gebäude. Warum?“

      „Habt ihr das Grundstück auch untersucht?“

      Ghetti wurde sichtlich verlegen. Dem peinlichen Eingeständnis etwas Wichtiges übersehen, oder vergessen zu haben, wurde er jedoch gleich enthoben.

      „Hol‘ sofort die Spurensicherung hierher. Das ganze Programm. Sùbito!“, herrschte Marek ihn an und der Brigadiere griff gleich zum Telefon.

      Während sie langsam zur Straße zurückgingen um auf das Eintreffen der Kriminaltechniker zu warten, steckte sich Marek eine Zigarette an und inhalierte tief. Sein Puls hatte sich wieder normalisiert und so wurde sein Ton auch moderater, als er weiter sprach.

      „Mensch Michele, so etwas darf nicht passieren. Wenn du schon den Verdacht hattest, dass da etwas nicht stimmt, reicht es nicht, nur diesen Weg hier zu untersuchen. Ihr hättet die ganze Umgebung systematisch absuchen müssen. Auch auf die Gefahr hin, eben einmal nichts zu finden.“

      „Ja, du hast recht, aber es war Sonntag früh und die Leute hatten eigentlich alle frei. Der Dottore sagte, es wäre ein Unfall, hier auf dem Weg wurde auch kein Hinweis auf Dritte gefunden und die Leute waren