Der Venezianische Löwe. Volker Jochim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volker Jochim
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Kommissar Marek Krimi
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347115842
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doch er konnte nichts ausmachen. Er nahm den Gang heraus, zog die Handbremse an und wollte aussteigen. Dabei schlug die Wagentüre gegen etwas Metallisches. Er ließ den Wagen noch etwas weiter zurückrollen und stieg aus.

      Der Gegenstand, den er im Scheinwerferlicht gesehen hatte, stellte sich als Fahrrad heraus. Das Vorderrad war ziemlich verbogen. Wahrscheinlich war der Fahrer gegen den dicken Ast geprallt der dort lag und hatte dann das Rad einfach liegen lassen. Toso drehte sich um und wollte zu seinem Auto zurück. Als sein Blick die Betonrinne streifte, die parallel zum Weg verlief, stockte ihm der Atem. In der Rinne lag ein verkrümmter Körper. Ein lebloser Körper wie es den Anschein hatte.

      „Scheiße, wieso muss das jetzt ausgerechnet mir passieren?“

      Aber hatte er nicht vor gerade einmal einer halben Stunde darüber sinniert, dass ihm auch einmal etwas Aufregendes widerfahren könne? Aber doch nicht so etwas. So war das nicht gemeint. Diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während er überlegte, was nun zu tun sei.

      „Die Polizei. Ich muss die Polizei anrufen.“

      Er ging zur Straße zurück, während er sein Handy aus der Tasche zog.

      „Polizia?“

      „, hier ist die Caserma der Carabinieri in Caorle. Was wünschen Sie?“

      „Kommen Sie schnell. Ich glaube hier liegt ein Toter. Ich bin hier am Wasserwerk bei Brian.“

      „Sind Sie sicher?“

      „Sicher was?“

      „Sind Sie sicher, dass er tot ist? Woher wissen Sie überhaupt, dass es sich um einen Mann handelt?“

      „Ich weiß es ja nicht.“

      „Was wissen Sie nicht? Dass es sich um einen Mann handelt?“

      „Nein, dass er tot ist. Er sieht zumindest so aus.“

      „Ah, und warum rufen Sie dann Sonntags um diese Uhrzeit an, wenn Sie nichts wissen?“

      Toso platzte langsam der Kragen.

      „Verdammt nochmal. Schicken Sie endlich jemanden hierher und auch einen Arzt.“

      „Also nicht in diesem Ton. Sie haben wohl getrunken. Ich werde …“

      „Soll ich die Polizia di Stato anrufen? Vielleicht nehmen die Ihren Job etwas ernster als Sie?“

      Es entstand eine kurze Pause. Der Mann in der Telefonzentrale überlegte wahrscheinlich gerade welche Konsequenzen es hätte, wenn sich der Anruf als wahr erweisen würde. Das wäre bestimmt nicht sonderlich gut für ihn.

      „Na gut“, meinte er gönnerhaft, „ich hoffe für Sie, dass es kein Scherz ist.“

      Toso gab den genauen Fundort durch. Dann ging er zu seinem Wagen und schaltete den Motor aus. Jetzt konnte er nur noch warten. Er blieb vorne an der Straße stehen, da ihm die Nähe dieses leblosen Körpers zu unheimlich war.

      Etwa fünfzehn Minuten später, für Toso eine gefühlte Ewigkeit, konnte er von weitem die Sirenen hören und kurz darauf sah er durch den sich auflösenden Nebel die Blaulichter auftauchen.

      Die beiden Einsatzfahrzeuge kamen mit quietschenden Reifen zum Stehen und wirbelten dabei mächtig Staub auf.

      „Wie oft soll ich euch noch sagen, dass ihr euch vorsichtig einem potenziellen Tatort oder Unfallort nähern sollt und nicht in dieser Hollywoodmanier!“, brüllte Brigadiere Ghetti seinen Fahrer an. Ghetti war als Brigadiere Capo seinen jungen Kollegen weisungsbefugt. Er stieg aus und rief seine Leute zurück, die schon übereifrig den Schotterweg hinauf stürmen wollten.

      Ghetti ging zu Toso und ließ sich alles genau berichten. Zwischenzeitlich kam noch ein Wagen mit den Leuten der Spurensicherung und dem Arzt.

      „Hallo Dottore!“, rief Ghetti. „Der Mann von der Frühschicht hat einen leblosen Körper in der Rinne dort vorne gefunden. Oben liegt noch ein Fahrrad. Scheint gestürzt zu sein.“

      Der Arzt kletterte in die Rinne, um den Körper zu untersuchen.

      „Was ist?“, rief Ghetti.

      „Männlich und tot“, erwiderte der Dottore trocken. „Sieht tatsächlich so aus, als sei er mit dem Fahrrad gestürzt und sich dabei das Genick gebrochen.“

      „Ja, die Spuren deuten daraufhin. Das verbogene Vorderrad und der dicke Ast, der hier liegt. Scheint in der Dunkelheit dagegen gefahren zu sein. Wie lange liegt er schon da?“

      „Würde sagen fünf bis zehn Stunden, aber ich kann mich dabei auch um ein bis zwei Stunden vertun. Jedenfalls war er sofort tot.“

      Ghetti half dem Dottore aus der Rinne und ließ die Leute von der Spurensicherung ihre Arbeit tun.

      „Sucht bitte den ganzen Weg genau ab.“

      „Nach was sollen wir denn speziell suchen?“

      „Nach Spuren möglicher Fremdeinwirkung.“

      „Aber das war doch ein Unfall“, maulte einer seiner Kollegen, der die vage Hoffnung hatte, doch noch einmal ins Bett kriechen zu können.

      „Sieht so aus, könnte aber auch Fremdverschulden sein und ich will mir nicht nachsagen lassen, ich hätte etwas übersehen, basta“, beendete Ghetti die Diskussion.

      Mittlerweile war auch der Krankenwagen eingetroffen, und nachdem der Fotograf seine Arbeit erledigt hatte, gab Ghetti die Anweisung, den Toten ins Ospedale nach Portogruaro zu bringen. Da Caorle über keine Gerichtsmedizin verfügt, werden alle unnatürlichen Todesfälle dort untersucht. Er würde später den Leiter der Pathologie, Dottore Lovati bitten, sich die Leiche noch einmal genauer anzusehen. Einer der beiden Kriminaltechniker brachte Ghetti einen Beutel, in dem sich eine schmale Brieftasche befand.

      „Haben Sie schon hineingesehen?“

      „Führerschein, Ausweis und etwas Geld, etwa zwanzig Euro.“

      „Ich notiere mir nur die Anschrift, dann könnt ihr sie ins Labor mitnehmen.“

      „Wieso ins Labor? Ich denke es ist ein Unfall?“, erwiderte der Mann ungläubig, während Ghetti seine Gummihandschuhe anzog, die Brieftasche aus dem Beutel zog und die Anschrift vom Ausweis notierte.

      „Sicher ist sicher. Man kann nie wissen“, meinte Ghetti und legte alles zurück in den Beutel. „Ich erwarte dann Ihren Bericht. Sagen wir bis heute Nachmittag.“

      Damit ließ er den angesäuert dreinblickenden Mann stehen, rief seine Leute zusammen und gab Auftrag, zurück in die Caserma zu fahren.

      Schön, es war Sonntag, dazu noch früh am Morgen und er wäre auch lieber im Bett geblieben statt Frühdienst zu machen, doch man konnte ja die Ermittlungen nicht einfach auf den nächsten Tag verschieben, egal ob Unfall oder nicht.

      ***

      Der Nebel hatte sich gelichtet und zögernd zeigte sich die Herbstsonne am immer noch milchigen Himmel.

      Ghetti stand im Hof der Caserma und betrachtete den Zettel, auf dem er die Adresse des Opfers notiert hatte. Via Pellegrini - das war ganz hier in der Nähe, den kurzen Weg konnte er zu Fuß gehen. Er steckte den Zettel wieder ein, sagte in der Zentrale Bescheid wo er zu erreichen war und ging los.

      Er hatte noch nicht viel Erfahrung im Überbringen von schlechten Nachrichten und so probierte er in Gedanken alle möglichen Formulierungen durch, während er den Corso überquerte und kurz darauf in die Via Pellegrini einbog. Das gesuchte Haus war ein schmuckloses, dreigeschossiges Gebäude in dem vorwiegend Caorlotti wohnten.

      Den Namen des Toten konnte er nicht entdecken, als er das Tableau betrachtete, aber neben einer Klingel stand kein Name. Vielleicht war er hier richtig. Er drückte mehrmals auf den Knopf. Ohne Erfolg. Es rührte sich nichts. Als er schon gehen wollte, öffnete sich im Erdgeschoss ein Fenster und der Kopf einer ziemlich korpulenten älteren Frau erschien. Neugierig musterte sie seine Uniform.

      „Zu wem