Der Venezianische Löwe. Volker Jochim. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Volker Jochim
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Kommissar Marek Krimi
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783347115842
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eigentliche Haarfarbe zeigten.

      „Wie eine Porzellanfigur“, dachte Nardi, als er sie dort stehen sah.

      „Jemand hat mich vorgestern in Triest gesehen und fotografiert, als ich in das Haus bin. Jetzt versucht er mich damit zu erpressen. Ich habe es dir schon oft genug gesagt, dass die sich ein anderes Domizil suchen sollen. Jetzt haben wir den Ärger.“

      „Jetzt beruhige dich mal wieder. Ich habe dir doch gesagt, dass sie etwas anderes suchen. Außerdem, mit was will er dich denn erpressen? Will er mir die Fotos schicken, wenn du nicht zahlst? Ich wäre dann außer mir.“

      „Das weiß ich ja, aber er will es auch an die Presse geben, und diese Art pubblicità kann ich mir nicht leisten.“

      Sie stand noch immer in der Tür, neigte den Kopf leicht zur Seite und setzte ein strahlendes Lächeln auf.

      „Dann weißt du, was du tun musst…zahlen.“

      Dabei drehte sie sich um und schwebte hinaus.

      Nardi blickte ihr nach.

      „Außen ein Engelsgeschöpf und innen kalt wie ein Eisblock und gefährlich wie eine Viper“, dachte er.

      „Gibt es heute Morgen keinen Caffè?“, rief sie aus der Küche.

      „Bin noch nicht dazu gekommen“, log er.

      „Dann ist die Kanne wohl von gestern noch so heiß.“

      Ertappt.

      „Ich mache gleich welchen, cara mia.“

      „Lass nur, ich bin schon dabei.“

      ***

      „Was gedenkst du zu tun?“, fragte Lydia, als sie beide rauchend in der Küche saßen.

      „Weiß noch nicht. Werde mal mit Gustavo darüber reden. Nur eins braucht sich das Schwein nicht einzubilden …“

      „… dass wir klein beigeben“, vollendete sie seinen Satz und setzte dabei ein vielsagendes Lächeln auf. Ihr Mann wünschte sich in diesem Moment zu wissen, was hinter ihrer hübschen Stirn vorging.

      ***

      Eine Stunde später saß Marco Nardi in seinem Büro in der Trattoria, als es an der Tür klopfte.

       „Avanti.“

      Die Tür öffnete sich und Gustavo Bossi betrat den Raum. Er war ein mittelgroßer, schlanker Mann von etwa fünfundvierzig Jahren. Seine dunkelbraunen Haare waren kurz geschnitten und seine Gesichtsfarbe war die eines Mannes, der schon lange kein Sonnenlicht mehr gesehen hatte.

      „Sie wollten mich sprechen Chef?“ „Ja. Mach die Tür zu und setz dich.“

      Nardi erzählte Bossi von dem Brief mit den Fotos und dem Erpresserschreiben und Bossi hörte interessiert zu.

      Als er vor etwas über einem Jahr aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte Nardi ihm eine Chance gegeben und das würde er ihm nie vergessen. Er wäre bereit für ihn durchs Feuer zu gehen. Nardi musste das wohl wissen, denn warum sonst hatte sich ein so enges Vertrauensverhältnis entwickelt.

      „Was meinst du? Was sollen wir tun?“, endete Nardi und sah seinen Mitarbeiter erwartungsvoll an.

      „Mmh, ich würde vorschlagen, Sie besorgen das Geld und legen es wie vom Erpresser gewünscht in diese Rinne.“

      „Ich dachte du hättest einen besseren Vorschlag“, fuhr Nardi wütend auf.

      „Ich bin ja noch nicht fertig“, erwiderte Bossi ruhig. „Ich werde mich gegenüber diesem Wasserwerk auf die Lauer legen. Dort gibt es ein paar Meter weiter einen Feldweg. Ich kenne die Gegend sehr gut. Wenn Sie also das Geld abgeliefert haben und weggefahren sind, warte ich bis dort ein Fahrzeug herauskommt. Um diese Zeit ist es dort stockdunkel. Da falle ich nicht auf. Ich werde ihm also folgen, bis ich weiß wo er wohnt, oder wer er ist. Dann holen wir die Jungs aus Jesolo und heben ihn aus. Was halten Sie davon?“

      Nardi saß zurückgelehnt in seinem Schreibtischsessel und kaute an seinen Fingernägeln. Auf einmal schnellte er nach vorne und schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.

      „Bene. Wir machen es so. Aber dass das klar ist – ich will mein Geld und dieses Schwein haben. Ich verlasse mich auf dich.“

      „Können Sie Chef.“

      Nachdem Bossi gegangen war, verließ auch Nardi das Lokal und fuhr zu seiner zwischen Eraclea und Jesolo gelegenen Manufaktur, in der Gips- und Terrakottafiguren hergestellt wurden. Das Meiste war für den Export bestimmt. So schmückten weiße Gipslöwen aus seinem Betrieb die Garageneinfahrten betuchter Menschen in Deutschland und Österreich und nicht wenige Statuen römischer und griechischer Gottheiten aus seiner Fertigung verzierten deren Gärten und Terrassen.

      Heute musste eine Lieferung nach Deutschland rausgehen und er wollte nochmal sicherstellen, dass es keine Probleme gab.

      „Ciao Alberto.“

      „Ah, buon giorno signor Nardi.”

      Alberto Sgorlon, der Leiter der Manufaktur, war einstmals Bildhauer mit eigenem Atelier gewesen, bis er in angetrunkenem Zustand bei einem Streit einem Kunden eine seiner Tonskulpturen auf dem Schädel zertrümmerte. Dafür durfte er wegen schwerer Körperverletzung einige Jahre absitzen. Nach seiner Entlassung besaß er kein Geld für ein Atelier und einen Job bekam er auch nicht, bis er bei Nardi unterkam.

      Das hatte zwar wenig mit Kunst zu tun, aber er hatte ein gutes Auskommen und fühlte sich wohl. Und so stellte er auch keine Fragen, wenn regelmäßig eine Ladung venezianischer Terrakottalöwen aus Triest angeliefert wurde, die man doch hier im Betrieb auch hätte herstellen können.

      „Die Lieferung aus Triest muss jeden Moment eintreffen. Ist der Lastwagen schon da?“

      „Ja, der steht im Hof und ist schon vorgeladen. Wir warten nur noch auf die Ware aus Triest.“

      „Bravo. Dann werde ich ja hier nicht mehr gebraucht. Ciao Alberto.“

       „Ciao.“

      Zufrieden setzte sich Nardi in seinen Wagen und fuhr los. Auf seine Mitarbeiter war Verlass. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es Zeit war, zur Bank zu fahren. Er musste ja noch das Geld für die Übergabe ordern und die Filialen hier hatten meist solche Beträge nicht vorrätig.

      ***

      Der Rest der Woche verlief ziemlich ereignislos. Samstagabend stand Marco Nardi in seinem Arbeitszimmer vor seinem Schreibtisch und betrachtete die gebündelten Geldscheine, bevor er sie in einen Plastiksack stopfte und den Sack verschnürte. Er sah auf die Uhr. Es war kurz vor halb zehn - Zeit um sich auf den Weg zu machen. Lydia war mit einer Freundin unterwegs, was ihm nur recht war. Er konnte sich in Ruhe auf das konzentrieren, was er nun erledigen musste.

      In gemächlichem Tempo fuhr Nardi in Richtung Duna Verde. Um diese Zeit war diese Gegend richtig gespenstig. Nur hier und da mal ein Lichtpunkt in der Landschaft, sonst nur Dunkelheit und Einsamkeit. Während der ganzen Fahrt begegnete ihm kein einziges Fahrzeug.

      Plötzlich bremste er abrupt ab. Zu seiner Linken lag das Wasserwerk hinter einem kleinen See. Beinahe wäre er daran vorbeigefahren. Rechts neben dem See ging ein relativ breiter, unbefestigter Weg ab und verschwand im Dunkel zwischen dichtem Baumbestand. Das musste der beschriebene Übergabeort sein. „Gut gewählt“, dachte Nardi. Der Erpresser war doch nicht so dumm. Langsam setzte er ein Stück zurück, bog dann in den Weg ein und rollte so weit, bis man ihn von der Straße aus nicht mehr sehen konnte. Verlassen lag der Weg vor ihm im Scheinwerferlicht.

      Nardi nahm den Sack vom Beifahrersitz und stieg aus. Die Scheinwerfer ließ er vorsichtshalber an. Direkt neben ihm verlief die beschriebene Rinne aus halbierten, aneinandergereihten Betonrohren, in der das Regenwasser gesammelt und unter der Straße hindurch in den Kanal auf der anderen Seite abgeleitet wurde. Er warf den Sack hinein und wollte gerade wieder einsteigen, als er ein knackendes Geräusch vernahm. Er blieb stehen, zog