»Dafür gibt es viele Möglichkeiten.« Grünbrecht nippte nachdenklich an ihrem Mineralwasser.
Der Kellner kam und fragte nach Sterns Wünschen. »Eine Salamipizza für den jungen Sheriff und für mich bitte eine, auf der von allem etwas drauf ist. Außer Gemüse. Und ein Bier, bitte. Tobias, was magst du trinken?«
Der Junge sah nicht einmal von seinem Handy auf. »Eine Cola.«
»Und eine Cola, bitte«, wiederholte Stern.
»Mama erlaubt nicht, dass wir Cola trinken«, mischte sich Melanie ein. Stern blickte auf das Glas seiner Enkelin, in dem eine einsame Zitronenscheibe am Boden austrocknete, und sagte: »Heute schon!«
»Dann will ich auch eine Cola haben!« Melanie lächelte ihren Großvater erwartungsvoll an. Der hob die Hand und deutete mit zwei ausgestreckten Fingern in Richtung des Kellners: »Zwei Cola, bitte.«
Die Kinder grinsten einander an. So schlecht war es beim Opa gar nicht, schienen sie zu denken, und dasselbe dachte auch Stern. Mit sich und der Welt zufrieden wandte er sich wieder Grünbrecht zu.
»Nehmen wir mal an, dass der Koffer unserem Toten gehört hat, einem gewissen Dr. Jonas Belfuss, Rechtsanwalt in Freistadt, dann sollten wir zuerst seine aktuellen Fälle durchgehen, ob jemand Grund zur Rache gehabt hat.«
»Und natürlich sehen wir uns das familiäre Umfeld an. Bei der Mehrzahl aller Verbrechen handelt es sich um Beziehungstaten«, ergänzte Grünbrecht.
»Also, die Ehefrau möchte ich sehen, die ihren Mann auf diese Weise tötet. Frauen greifen doch eher zu ›sauberen‹ Methoden wie Gift zum Beispiel, als dass sie so ein Blutbad anrichten.«
»Frauen töten vielleicht anders …« Das Erscheinen des Kellners ließ Grünbrecht mitten im Satz innehalten. Der Kellner servierte die Pizzen für Stern und Tobias und verschwand wieder. Stern, der erst jetzt bemerkte, wie hungrig er war, schnitt ein großes Stück ab und steckte es sich in den Mund. Grünbrecht nutzte die Gelegenheit, um ihre Gedanken loszuwerden. »Auf alle Fälle ist es ein Verbrechen aus Leidenschaft gewesen. Oder Rache. Der Täter wollte, dass das Opfer leidet, bevor es stirbt. Zwar sollte es keine körperlichen Qualen erleiden, aber seelische.«
»Da haben Sie recht«, schmatzte Stern.
»Opa hat gesagt, ich bekomme einen Sheriffstern«, unterbrach Tobias das Gespräch der Erwachsenen und sah freudestrahlend von einem zum anderen.
»Toll«, meinte Grünbrecht und nahm einen Schluck Mineralwasser aus ihrem Glas. »Also bist du unser Hilfssheriff, verstehe ich das richtig?«
Tobias lachte. »Na klar!«
»Und du? Was machst du?«, fragte Grünbrecht Melanie.
»Ich interessiere mich nicht für die Toten«, antwortete die Zwölfjährige und legte ihr Handy beiseite. »Ich möchte mal in der Werbung oder in einem Zoo arbeiten. Ich weiß es noch nicht so genau.«
»Melanie liebt Meerschweinchen, aber Mama kauft ihr keines«, platzte Tobias mit vollem Mund heraus. »Sie sagt, das Meerschweinchen würde bei Melanie elendig verhungern.«
»Würde es nicht!«, fauchte Melanie.
»Würde es doch.« Tobias steckte sich ein weiteres Stück Pizza in den Mund und freute sich, dass es ihm gelungen war, seine Schwester zu necken.
»Du bist gemein«, zischte die ihm zu, bevor Grünbrecht eingriff, was eigentlich Sterns Sache gewesen wäre. Doch der hatte den Mund voll.
»Streitet euch nicht! So ein Haustier ist eine coole Sache. Ich hab einen Kanarienvogel gehabt, als ich in eurem Alter gewesen bin.«
»Echt?« Melanies Augen leuchteten und Grünbrecht nickte.
Indessen hatte Stern seinen Teller leer gegessen und machte sich über die Reste von Tobias’ Pizza her, was ihm einen prüfenden Blick von Grünbrecht im Hinblick auf seine Leibesfülle einbrachte, die zugegeben ein bisschen zu ausladend war. Doch davon ließ sich Stern nicht beirren. Während die Gruppeninspektorin die Vorzüge der Haltung eines Kanarienvogels gegenüber der eines Meerschweinchens erläuterte, aß er zu Ende und spülte mit dem letzten Schluck Bier den Mund aus. Dann warf er einen Blick auf die Armbanduhr. Es war bereits nach acht. »Es ist ein langer Tag gewesen. Die Kinder müssen ins Bett.«
Grünbrecht kramte in ihrer Tasche nach der Geldbörse.
»Lassen Sie mal, ich übernehme das«, sagte Stern. »Das ist das Mindeste, wo Sie sich doch um Melanie gekümmert und sie vor dem sicheren Hungertod gerettet haben.«
»Danke.« Grünbrechts Blick war nun freundlicher. Sie war auch nicht mehr so schlecht gelaunt wie vorhin, als Stern und sein Enkel die Pizzeria betreten hatten.
»Nein, ich habe zu danken.« Stern war tatsächlich froh, dass er sich auf seine junge Kollegin verlassen konnte, selbst bei Angelegenheiten, die nichts mit einem Fall zu tun hatten, wie die Situation mit Melanie bewies. Der Chefinspektor zahlte die Zeche. Gemeinsam verließen sie das Monte Verde, nicht ahnend, dass der nächste Tag, also der Sonntag, im wahrsten Sinne des Wortes ein Tag werden würde, an dem man Gott gut gebrauchen konnte.
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