Zukunftsträume. Corinna Lindenmayr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783967526547
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hart auf den Boden zurück. Hannahs Kopf flog nach vorne und sie schlug gegen eine Haltestange.

      Dann war alles wieder ruhig.

      »Was zur Hölle war das denn?« Sie rieb sich erschrocken den Kopf und starrte aus den Fenstern der Straßenbahn. Vor ihnen lag die Kreuzung zur Rothenbaumchausseé, jener Straße in der sich der Eisplatz und Max Schule befanden und von dort schlugen ihnen riesige Flammen entgegen.

      »Oh mein Gott!« Bestürzt starrte Hannah auf die riesige Feuerbrunst. Die Menschen um sie herum begannen wild durcheinander zu reden, versuchten die noch immer verschlossenen Türen zu öffnen oder ließen sich geschockt wieder auf die Sitze nieder.

      Sirenen ertönten und kurz darauf fuhren zwei Krankenwagen und ein Polizeiauto um die Ecke, dicht gefolgt von drei Löschfahrzeugen der Feuerwehr.

      Als dann endlich die Türen der Straßenbahn geöffnet wurden strömten die Leute einer nach dem anderen ins Freie. Auch Hannah packte ihr Tasche und rannte los. Sie rannte so lange bis sie fast direkt vor dem brennenden Gebäude stand und ruckartig stehen blieb.

      Es war als würde jemand ihr Herz rausreißen und darauf herum Trampeln. Winzige kleine Füßchen die immer und immer wieder dagegen traten bis nichts mehr davon übrig war. Es war ein Albtraum.

      Wie in Trance starrte sie auf den Feuerball vor ihr, der aus den Überresten des gesamten Eisplatzes und der Schule hervorquoll.

      Panisch stürzte sie weiter auf das Feuer zu während sie immer wieder Max Namen rief. »Oh bitte lieber Gott, bitte …« Sie lief vorbei an Trümmerresten und Betonklumpen die überall verteilt auf der Straße lagen. Sie wusste nicht genau wo sie war, nur, dass hier nirgendwo mehr eine Schule stand und auch kein Eisplatz mehr zu sehen war. Menschen schrien um Hilfe während das Feuer weiter unaufhaltsam in den Himmel schlug. Kurz bevor sie die Flammen erreicht hatte packte sie jemand am Arm und zog sie unsanft zurück. »Sind Sie wahnsinnig?« fragte eine tiefe wütend klingende Männerstimme hinter ihr während ein kräftiger Arm sie zur der Stimme umdrehte. Ein Feuerwehrmann starrte sie böse an.

      »Mein kleiner Bruder, er muss da noch drin sein.« Brachte sie nur mühsam hervor, während links neben ihr eine weitere Wand in sich zusammenfiel. »Oh Gott », verzweifelt schlug sie sich die Hände vors Gesicht.

      »Hören Sie, meine Männer tun was sie können. Also bleiben sie bitte hinter der Absperrung und melden Sie sich bei meinen Kollegen dort hinten an der eingerichteten Hilfestation. Er wird die vermisste Person aufnehmen. Sie helfen niemanden wenn sie sich vorher umbringen.«

      Er hatte recht. Natürlich hatte er das. Sie hätte nie auch nur den Hauch einer Chance diese Flammen zu durchqueren. Ihr Verstand wusste das, aber sollte sie zusehen wie das Feuer ihren kleinen Bruder unter sich begrub, sofern es das nicht schon längst getan hatte?

      Sie wollte schreien. Den ganzen Frust und die unendliche Panik einfach herausbrüllen. So laut sie konnte. Aber wie so oft in ihrem Leben würde auch das nichts ändern. Es würde ihren Bruder nicht herbringen oder das Feuer löschen und alles rückgängig machen.

      Wie immer war sie dem Schicksal hilflos ausgeliefert.

      Er rang nach Luft, doch irgendetwas schnürte ihm seinen Hals zu und es würgte ihn zu einem erstickenden Husten. Die Kufe seines Schlittschuhes rammte sich widerlich schmerzend in seinen Bauch, aber nicht so schlimm wie sein Körper zu brennen begonnen hatte, als plötzlich harte, schwere Gesteinbrocken über ihm zusammengebrochen waren. Er wollte weglaufen, doch der Bändel seiner Sporttasche hatte sich an irgendetwas verfangen und er war sie nicht schnell genug losgeworden.

      Mit einem Mal überkam ihn eine solch heftige Müdigkeit, dass er an Ort und Stelle einschlafen konnte. Doch das durfte er nicht. Er musste wach bleiben. Leise vernahm er die Stimme seiner Schwester die ihm zurief, dass er auf keinen Fall die Augen schließen sollte.

      Als er sich mit der Zunge über den Mund fuhr schmeckte er Blut. Überall war Blut und es drehte sich alles. Sein Kopf pochte gegen die Schmerzen an, die seinen Körper durchfuhren, doch es war zwecklos. Krampfhaft hatte er versucht seine Augen offen zu halten, aber er war einfach so entsetzlich müde gewesen.

      Es dauerte fast eine Stunde bis das Feuer einigermaßen wieder unter Kontrolle war. Eine Zeit in der sie nichts tun konnte als warten und hoffen.

      Mit jeder Minute die verging, wurde ihre Panik größer. Auch wenn genau diese eine Situation meist nur verschlimmerte. Ihr Bruder war verschwunden. Vermutlich verschüttet unter schweren, harten Betonmauern. Unter solchen Umständen musste Panik erlaubt sein. Danach konnte sie wieder vernünftig und rational sein. Aber im Augenblick war das einfach unmöglich.

      Das Schulgebäude war um diese Zeit bereits nicht mehr besucht gewesen, es hatte lediglich noch das Eishockeytraining stattgefunden und auch das war bereits zu Ende als diese Katastrophe passierte. Mit viel Glück würde es nicht viele Verletzte oder gar Tote geben. Bislang wurde zumindest noch niemand gefunden. Die Hoffnung war groß, dass bereits alle Kinder und Eltern sowie der Trainer der Mannschaft sich nicht mehr an diesem Ort befunden hatten, als es explodierte, hörte sie neben sich eine Reporterin in eine der unzähligen Kameras der Nachrichtenteams berichten.

      Doch Hannah wusste es besser. Es waren nicht alle Kinder in Sicherheit. Ihr kleiner Bruder war noch dort gewesen. Hilflos und allein hatte er dort auf sie gewartet. Sie hatte ihn im Stich gelassen. Ihre Schuld war es, dass er vielleicht nicht mehr am Leben war.

      Einzelne Tränen liefen ihr über die Wangen. Leise und haltlos hinterließen sie feuchte Spuren an ihrer Haut. Spuren der Angst und Verzweiflung, die nichts an all dem ändern konnten.

      Auch in der nächsten Stunde hatten sie niemanden in den Trümmern gefunden.

      Rettungskrans hoben immer mehr Bruchstücke des Schulgebäudes beiseite, Spürhunde wurden eingesetzt und die Feuerwehrleute kämpften sich weiter in die Tiefen der Zerstörung.

      Hannah irrte ziellos inmitten dieses Chaos umher. Immer wieder schrie sie Max Namen. Aber er blieb weiterhin spurlos verschwunden.

      Mittlerweile war das Feuer in den größten Teilen unter Kontrolle und die Rauchschwaden stiegen in den Himmel empor. Die Hitzehölle dieses Tages ging über in einen lauen Spätsommerabend.

      Duzende Rettungsteams waren vor Ort und kämpften sich durch das enorme Chaos, dass diese Explosion hinterlassen hatte. Nichts war mehr ganz geblieben. Überall lagen einzelne Teile des Schulgebäudes und der Turnhalle verstreut. Vorhin war sie an dem Stück einer Tafel vorbeigelaufen, zumindest glaubte sie das. Sicher war sie sich nicht.

      Mühsam schleppte sie sich von einem Schutthaufen zum nächsten, warf einzelne Mauerreste zur Seite, bis sie irgendwann erschöpft über irgendetwas stolperte und Richtung Boden fiel.

      Als sie sich versuchte mit den Beinen abzufangen, brach ein Teil des Ziegelhaufens auseinander und sie stürzte mit einem erschrockenen Aufschrei in die Tiefe, ehe sie hart auf den Beton schlug.

      Für einen kurzen Moment blieb sie einfach liegen. Sie registrierte, dass sie einen Schmerz spürte und ihre Beine bewegen konnte. Das war gut. Vorsichtig hob sie ihren Kopf und drehte ihn von links nach rechts. Ok, auch das schien zu klappen, auch wenn ihr Kopf höllisch weh tat.

      Sie würde jetzt einfach die Augen schließen und wenn sie sie wieder öffnete war dieser ganze Albtraum vorbei. Das alles wäre nie passiert.

      Doch die hektischen Schreie der Menschen um sie herum und die über ihr befindliche Rauchwolke waren leider bittere Realität.

      Plötzlich wurde ihr übel und alles verschwamm vor ihr. Kurz bevor sie ohnmächtig wurde zogen sie zwei kräftige Oberarme aus dem Loch heraus und trugen sie fort. Wohin merkte sie nicht. Es war alles so verschwommen um sie herum und es wirkte alles so verdammt weit weg.

      Sie hörte wie die Menschen weiter um sie herum Befehle schrien, dann wurde sie auf etwas Weiches gelegt und mit einem Mal war alles dunkel.

       3. Kapitel

      »So habe ich das wirklich nicht gemeint!« jammerte