Zukunftsträume. Corinna Lindenmayr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Corinna Lindenmayr
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783967526547
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auf´s Ohr haue.« Als er bemerkte wie Hannah ihn verwirrt ansah, fügte er hinzu: »Ich bin zu deinem Schutz hier, also werde ich wohl auch hier schlafen. Und das steht nicht zur Diskussion.« Damit drehte er ihr den Rücken zu und marschierte aus dem Raum. Als die Tür hinter ihm zufiel konnte Hannah nichts anderes tun als fassungslos dazusitzen und sich zu fragen, warum um alles in der Welt ihr das Leben immer wieder aufs Neue solche Komplikationen bereitete.

      Als Dr. Christian Kallert aus dem Operationssaal kam bemerkte er vor dem Eingang der Intensivstation noch immer jene blonde Frau, die ihn vorhin so fasziniert hatte. Er strich sich mit der Hand durch sein ebenfalls blondes Haar und drehte seinen Nacken einmal stark nach links, dann nach rechts. Seine Muskeln schmerzten und er war erschöpft. Er hatte wieder einmal eine fast vierzehn Stunden lange Schicht hinter sich. Aber er kannte es ja schließlich auch nicht anders. Sein Leben war der Beruf. Als Sohn jenes Mediziners, der bereits drei Kliniken aufgebaut und die Alsterklinik seit fast zwei Jahrzenten leitete, hatte er gar keine andere Wahl. Trotzdem wünschte er sich manchmal mehr. Nicht, dass es ihm prinzipiell an etwas fehlte. Er war in einem reichen Elternhaus aufgewachsen und besaß selbst mehr als genug Geld. Nur was seine sozialen Kontakte anging, beschränkten sich diese eher auf ein Minimum. Von Wohltätigkeitsveranstaltungen und Menschen, die immer nur irgendetwas von ihm wollten, einmal abgesehen. Es war nicht so, dass er diesen Lebensstil nicht hin und wieder genossen hätte. Schließlich lagen ihm dadurch auch die Frauen reihenweiße zu Füßen. Aber irgendwann verblasste auch bei zahlreichen Affären der Reiz und zurück blieb nichts außer der erbärmlichen Tatsache der körperlichen Befriedigung.

      Er wollte gerade in Richtung seines Büros abbiegen, überlegte es sich dann aber doch anders und trat vor die hübsche Blondine.

      »Guten Abend.« erwiderte er steif. Auch etwas woran er arbeiten müsste. Das normale Leben war nicht so förmlich. Menschen grüßten einander, erzählten sich Neuigkeiten und Dinge die sie erlebt hatten. Die meisten davon, würden sich vermutlich nicht nur für die neuesten Finanzanalysen am Kapitalmarkt oder die immer wieder schwankenden Aktienwerte interessieren. Weil es keine Rolle spielte. Nicht in einer Welt, die sozial genug war.

      Der Kopf der Schönheit hob sich und sie sah ihn an. Sie wirkte genauso erschöpft wie er sich fühlte und ihre Augen musterten ihn argwöhnisch. »Hallo.«

      Er erinnerte sich dunkel daran, dass er sie vor wenigen Stunden nicht gerade höflich behandelt hatte. Nun, daran ließ sich nichts mehr ändern.

      »Was machen Sie noch hier?« fragte er daher möglichst um einen neutralen Ton bemüht. Was ihm offenbar nicht sonderlich gut gelungen war, denn sie zog ihre Augenbrauen zusammen und sah ihn dabei noch immer nicht gerade freundlich an. »Warum? Störe ich jemanden?«

      Himmel, er vermasselte das wohl gerade so richtig. »Nein. Das war nur eine Frage.«

      Die Frau vor ihm stützte ihre Arme auf den Stuhl, legte dann ihre Hände an die Wangen und stöhnte. Dann blickte sie wieder zu ihm auf. »Tut mir Leid. Ich weiß nicht wo mir gerade der Kopf steht.«

      Christian stand noch immer bewegungslos vor ihr. »Kein Problem.«

      »Ich sollte wohl wirklich besser gehen. Offenbar ist Hannah ja bereits gegangen.« Als sie aufstand fielen ihm ihre langen Beine auf und er rief sich in Erinnerung, dass er sich jetzt nicht auch noch dadurch in Verlegenheit bringen sollte, dass er sie anstarrte wie ein sexsüchtiger Trottel. Er trat einen Schritt zur Seite um sie vorbei zu lassen, dann besann er sich jedoch eines Besseren und griff nach ihrem Arm. In dem Moment, als er sie berührte, fühlte es sich an, als ob ein Stromschlag durch seinen Körper fuhr. Ihr schien es nicht viel anders zu gehen, denn sie drehte sich erschrocken zu ihm um. Ihre Blicke trafen sich und für einen kurzen Augenblick glaubte er, einen Hauch von Leidenschaft aufblitzen zu sehen. Was vermutlich nicht zutraf. Er war übermüdet, das war alles. Er sollte dringend nach Hause und ins Bett. Am besten schlief er die nächsten vierundzwanzig Stunden einfach durch.

      »Soll ich Sie nach Hause bringen?« fragte er stattdessen und wunderte sich selbst über den festen Klang seiner Stimme. Dann ließ er eilig ihren Arm los.

      Die Frau starrte ihn an. Er konnte nicht genau sagen, ob es eher überrascht oder entsetzt war. Er hoffte auf Ersteres. Da fiel ihm auf, dass er noch nicht einmal ihren Namen kannte. Er selbst hatte sich zwar vorgestellt, aber das war eher beruflich gewesen. Wenn er ihr schon anbot, sie nach Hause zu fahren, sollte er sich zumindest noch einmal offiziell bei ihr vorstellen. So viel also zu seiner guten Erziehung und den sozialen Kontakten. »Ich bin Christian.« Er unterließ es wohlweislich ihr seine Hand entgegenzustrecken.

      »Ich weiß.« erwiderte die Unbekannte. »Ich bin Julia. Julia Hanson.« Dann lächelte sie und er wusste, dass er in Schwierigkeiten steckte.

      »Danke, aber ich werde die Straßenbahn nehmen.« Sie schwang sich ihre Tasche über die Schulter und wandte sich zum Gehen. Christian runzelte die Stirn. Dann warf er einen kurzen Blick auf seine Uhr. Eine dunkelblaue Rolex, die er sich letztes Jahr zu Weihnachten gegönnt hatte.

      »Es ist nach 23:00 Uhr.« wies er sie dann so sanft wie möglich hin. Die Straßenbahnhaltestellte die dem Krankenhaus am Nächsten war, wäre immer noch mindestens zwei Kilometer entfernt und der Bus der die Strecke überbrückte fuhr nur bis 22:00 Uhr.

      »Oh,« Julias Augen weiteten sich und sie biss sich leicht auf die Unterlippe. Eine Geste, die wahrscheinlich total unabsichtlich war, aber dennoch total erotisch wirkte. »Daran habe ich gar nicht mehr gedacht.«

      »Soll ich Sie nicht doch fahren?« Christian versuchte die Anziehungskraft dieser Frau zu ignorieren. Es war spät und er hatte einen höllischen Tag hinter sich. Er konnte es jetzt nicht gebrauchen auch noch eine Nacht zu erleben, in der er aus diversen anderen

      Gründen keinen Schlaf fand.

      »Ich möchte keine Umstände machen. Ich werde einfach zu Fuß gehen, das ist schon in Ordnung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und nochmals danke für das Angebot.« Mit diesen Worten ließ sie ihn stehen und steuerte Richtung Ausgang. Verdutzt sah Christian ihr nach. Es war vermutlich das Beste. Er sollte sie einfach gehen lassen. Nur irgendwie konnte er das nicht. Und noch ehe er es sich anders überlegen konnte, lief er ihr hastig hinterher. »Warten Sie!«

      Zögernd drehte sie sich noch einmal um. »Hören Sie,« fing sie dann an. »Das ist wirklich nett gemeint, aber …«

      »Ich werde Sie fahren.« Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. »Meine Schicht ist ohnehin zu Ende.«

      Zu müde um weiter zu diskutieren und insgeheim froh darüber, nicht mehr zwei Kilometer alleine durch Hamburg laufen zu müssen, nickte Julia ergeben. »Also gut.«

      Als sie wenig später auf dem Beifahrersitz des BMW von Christian saß musste sie sich widerwillig eingestehen, dass es kein Entkommen mehr gab. Nun würde er mit eigenen Augen sehen in welcher Gegend sie wohnte und dann wäre es ohnehin gleichgültig, was sie über ihn dachte oder ob er ihr gefiel. Was er durchaus tat. Auch wenn er hier und da vielleicht etwas steif wirkte. Wahrscheinlich würde er sich dann nicht einmal mehr mit ihr unterhalten. Es sollte ihr nichts ausmachen. Tat es aber.

      Sie drehte den Kopf zur Seite und starrte in das Dunkel der Nacht.

      Dieser Tag hatte wirklich alles ausgeschöpft was sie verkraften konnte. Erst Hannah, dann die Nachricht das Max im Koma lag und zu allem Übel bekam sie bei einem der angesehensten Chirurgen der Stadt, der noch dazu aus einer der reichsten Familien Hamburgs stammte, Schmetterlinge im Bauch. Na prima! Da gab es seit fast zwei Jahren keinen Mann mehr der sie interessierte und dann passierte es ausgerechnet bei einem, der so gar nicht in ihrer Liga spielte.

      »Da vorne rechts.« erklärte sie ihm den Weg zu ihrem, im Gegensatz zu seinem, ärmlichen Viertel. »Sie können mich da vorne an der Ampel raus lassen.« hoffte sie mit einem letzten Versuch, das Schlimmste noch einmal abzuwenden in dem er nicht in die direkte Straße einbog in der es nur so von heruntergekommen Mietswohnungen wimmelte. Der Anblick alleine würde sicher jeden in die Flucht schlagen. Sie selbst würde nur zu gerne von dort weg. Aber mit ihrem Gehalt als Kellnerin konnte sie das nicht. Zumal sie jeden einzelnen Cent für die Kosmetikschule sparte. Und da ihre Mutter momentan als