A New Refutation of Time. David Lamelas. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Lamelas
Издательство: Ingram
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9789491435041
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die nicht größer als etwa 20 x 20 cm waren, während ich Papierrollen über die gesamte Länge der Wand ausbreitete und darauf malte.

      Außerdem entstanden während meines Studiums Hunderte von Zeichnungen mit schwarzer Tusche auf Papier, von denen die meisten aus einfachen schwarzen Linien auf weißem Grund bestanden. In diesen Zeichnungen durchlief ich viele verschiedene Phasen: ich hatte Action Painting-Tage, neofigurative, postfigurative und abstrakte Tage, und ich machte auch eine Menge Objekte. Mein Interesse galt der Idee des Objekts: etwas, das keine Skulptur, keine Zeichnung, kein Tisch ist – etwas, das dazwischen liegt.’

      Die Fotoarbeit zeigt ein aus der Untersicht aufgenommenes, auf übermenschliches Format vergrößertes weibliches Gesicht. Augen, Nase und der zum Schrei aufgerissene Mund treten aus einer hellen, sie umgebenden Fläche hervor, ohne Halt in den Konturen des Gesichts zu finden, das sich scheinbar flach über die gesamte Bildbreite zieht. Weiter entwickelt sich diese durch den Ausschnitt entstandene Deformation in einer darunter gesetzten, komprimierten Version desselben Fotos, die auf der Bildebene miteinander verschmelzen.

      Der Blick auf die Fragmentierung von Bildinformationen, der sowohl für David Lamelas’ spätere ‘Bild im Raum’ – Objekte als auch für seine Analysen von Bedeutungszuweisungen und Manipulationsverfahren in den Filmarbeiten der 70er Jahre charakteristisch ist, kündigt sich in dieser, noch während seines Studiums entstandenen Arbeit gleichermaßen an wie die Loslösung von der Handschrift des Künstlers. Lamelas’ Vorgehen, die Produktion an professionelle Fotografen und Kameraleute zu delegieren setzt er in seinen späteren Foto- und Filmarbeiten fort.

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      EL GRITO, 1962

      CARLOS GARDEL, 1964

      ‘I was very interested in dada and was lucky to have an art history teacher who was also highly interested in dada and surrealism. I remember reading about Marcel Duchamp’s installation with strings that he made in New York [using miles of guncotton, Duchamp wove a web from wall to wall at First Papers of Surrealism, New York City, 1942] and the piece where he filled up a room with coal [Duchamp hung twelve hundred sacks of coal from the ceiling at Exposition Internationale du Surréalisme, Galerie Beaux Arts, Paris, 1938]. I got my information mostly through art books and art magazines, not from the real objects but from reproductions. It was good in a way because I imagined works to be bigger than they actually were. So that was one of the freedoms of living in Argentina: because I never saw the real thing, my fantasy took over.’

      In his first show of paintings at Galería Lirolay, an avant-garde gallery in Buenos Aires, David Lamelas used a picture of the musician Carlos Gardel, a national hero of the twenties who has become the international icon of the tango. Wearing the traditional garb of the gaucho in the blue and white colors of the Argentinean flag, Gardel is seen in his function as an exponent of a distinctively Argentinean popular culture. The piece draws on the pop-art method of moving the icons of daily life into the context of art.

      Lamelas transfers an extremely oversized, stylized version of the picture to three large-format wood panels, each designed to fill one entire wall of the gallery. The fragmentation of his figurative subject matter is adjusted to pictorial dimensions that encompass the entire exhibition space.

      CARLOS GARDEL, 1964

      ‘Ich interessierte mich sehr für Dada und hatte das Glück, in Kunstgeschichte einen Lehrer zu haben, der sich ebenfalls sehr für Dada und Surrealismus interessierte. Ich erinnere mich, daß ich über Marcel Duchamps Installation aus Fäden las, die er in New York gemacht hatte [mit Tausenden von Metern Baumwolle knüpfte Duchamp 1942 in der New Yorker Ausstellung First Papers of Surrealism ein Netz, das von Wand zu Wand reichte], und über die Arbeit, bei der er einen Raum mit Kohle füllte [in der Ausstellung Exposition Internationale du Surréalisme in der Galerie Beaux Arts in Paris 1938 ließ Duchamp zwölfhundert Kohlensäcke von der Decke hängen]. Meine Kenntnisse bezog ich in erster Linie aus Kunstbüchern und Kunstzeitschriften, also nicht von den wirklichen Objekten, sondern von Reproduktionen. Das war irgendwie gut, denn ich stellte mir die Arbeiten größer vor, als sie tatsächlich waren. Das war eine der Freiheiten des Umstands, daß ich in Argentinien lebte: da ich die Dinge nie im Original sah, gewann meine Phantasie die Oberhand.’

      Für seine erste Malerei-Ausstellung in der Avantgarde-Galerie Lirolay in Buenos Aires verwendet David Lamelas eine stilisierte Abbildung des Musikers Carlos Gardel, der in den 20er Jahren berühmt, zum Nationalhelden und zum internationalen Kultbild des Tango wurde. Diese Vorlage, die Gardel in der traditionellen Kleidung der Gauchos in den Farben der argentinischen Flagge blau und weiß zeigt, übermittelt dessen Funktion als Repräsentant einer eigenständigen argentinischen Populärkultur. Das Verfahren der Pop Art, ein Trivialikon in den Kunstzusammenhang zu holen, findet hier seine Referenz.

      Extrem vergrößert und fragmentiert überträgt Lamelas diese Vorlage auf großformatige, sich auf drei Galeriewände ausdehnende Holztafeln, die sich zu einer Gesamtinstallation fügen.

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      CARLOS GARDEL, 1964

      David Lamelas in / in der Ausstellung Carlos Gardel, Galeria Lirolay, Buenos Aires, 1964

      JUGADOR DE RUGBY EN DOS SECCIONES PIRAMIDALES (RUGBY PLAYER IN TWO PYRAMIDICAL SECTIONS), 1964

      In Jugador de rugby, also a figure of popular culture like Carlos Gardel, David Lamelas explores the boundaries between painting, sculpture and object. The viewer is confronted in the top section of the work with two surfaces joined at an angle on which the immensely enlarged arms and bent torso of a stylized rugby player are seen upside down. In the lower section their extensions, the hands and the lower part of the body, are also inverted and depicted on a similar shape but with a truncated tip. When exhibited, the two parts are separated by flat sheets of metal attached to the wall that correspond to the width of the two sections. By reaching into the room like the bow of a ship, Jugador de rugby blurs the distinction between picture and object.

      JUGADOR DE RUGBY EN DOS SECCIONES PIRAMIDALES (RUGBYSPIELER IN ZWEI PYRAMIDENFÖRMIGEN TEILEN), 1964

      Mit Jugador de rugby, einer Figur, die ebenso wie Carlos Gardel dem populärkulturellen Bereich entstammt, beginnt David Lamelas die Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Objekt auszuloten und zu verwischen. Dem Betrachter ragen im oberen Teil der Arbeit winklig aneinandergefügt zwei Bildtafeln entgegen auf denen, stark vergrößert und auf den Kopf gestellt, die angeschnittenen Arme und der nach vorne gebeugte Oberkörper eines stilisiert dargestellten Rugbyspielers zu sehen sind. Die Fortsetzungen, Hände und angeschnittener Unterkörper, sind im unteren Teil, ebenfalls umgekehrt, auf einer ähnlichen Form, jedoch mit abgeschnittener Spitze, abgebildet. In der Ausstellungssituation werden beide Teile durch flache, sich in der Breite an den Bildteilen orientierende, an der Wand angebrachte Metalltafeln unterteilt. Durch sein bugartiges Hineinragen in den Raum erprobt Jugador de rugby die Möglichkeiten des Bild-Objektes.

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      JUGADOR DE RUGBY EN DOS SECCIONES PIRAMIDALES, 1964

      PIEZA CONECTADA A UNA PARED (PIECE CONNECTED TO A WALL), 1964

      ‘I was not just interested in traditional art, I was also interested in films and architecture and I wanted to mix them all together in a way. I didn’t see any difference between making a painting or making a film; it was all the same.’

      A form tipped over onto the floor forms a very flat pyramid, defining the entire space as a base, while two rectangular column-like elements, funnel-shaped at the wall end, make wryly amused reference to the picture’s traditional site. Painted in primary colors, the work allows figurative associations but eludes classification, appearing like a fragmented afterimage of memory.

      PIEZA CONECTADA A UNA PARED (MIT DER WAND VERBUNDENES OBJEKT), 1964

      ‘Mein Interesse