Er wollte unbedingt in die Luft, zu den Fallschirmjägern. Als geeigneter Freiwilliger musste er unbedingt dabei sein. Der Niemand wird Soldat und hebt ab in den Himmel, zieht auf staubigen Straßen und durch klirrende Frostnächte zu weiten Horizonten. Auch Greta, die schöne Schwester, ging ihren Weg in die richtige Richtung. Erst wurde sie Sekretärin und dann zusätzlich Geliebte eines Offiziers der ein Lager befehligte. An dieser Stelle macht es Sinn den Werdegang meiner Mutter einzubeziehen:
Автор: | J. J. Juhnke |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9783968588216 |
Straße. Nennen wir sie Hansi und Wölfchen. Irgendwann im Sommer verfügte das Wölfchen über besonders gute Barmittel für Eis, Cola und andere Begehrlichkeiten. Das ging eine Weile gut, dann wurde der Diebstahl entdeckt und ihre Mutter machte den Schuldigen ausfindig. Es muss mein schlechter Einfluss gewesen sein, denn die beiden bekamen eine unbegrenzte Kontaktsperre zu mir auferlegt. Es ging mit dem spendablen Freund bald nur noch bergauf. Erst das Wirtschaftsgymnasium und im Alter von 25 Jahren fuhr er bereits einen Jaguar, über die Straßen unseres Dorfes. Aber unverhofft fuhr Wölfchen bald ins Gefängnis, wegen Betrug und Unterschlagung. Ich hatten in jenen Jahren nichts mehr mit ihm zu tun und kam als Anstifter nicht mehr in Frage. Wie auch immer, die Mutter ist längst tot und zwei Freunde blieben mir verloren. Gento und Brando haben die beiden ersetzt. So hat Mutter Tetzke erheblich auf meinen Lebensweg Einfluss genommen. Vielleicht könnte ich ihr dankbar sein. So dankbar, wie dem Vater von Hermann Barkhorn. Der hat seinen Sohn, zwecks Verabreichung einer Tracht Prügel, gerne um das Haus gejagt. Zeigte er mir doch bildhaft, dass es durchaus schlimmere Väter gab. Immerhin schaffte es Hermann später sich weiteren Existenzkämpfen zu entziehen, indem er Beamter wurde. Er heißt zwar Routine kann tödlich sein, aber für Hermann war es genau das Richtige. >Vater, warst du eigentlich ein Nazi? frage ich irgendwann auf meinem Weg aus der Kindheit. >Was heißt warst du, mein Junge? Glaubst du ein Patriot verliert seine tiefsten Überzeugungen durch die Anwesenheit von Besatzungstruppen? Junge, denke nur an unseren Namen: National-sozialistische, Deutsche Arbeiter Partei. Kein Vergleich zu diesen klerikalen Geschäftemacher Marionetten, die unter CDU/CSU firmiert. Wir kümmerten uns um die Grenzen zwischen Schaffenden und Raffenden. Wer schafft ist deshalb noch lange nicht Nationalsozialist. Denn zum nationalen und sozialen gehört das die Arbeit nicht der Allgemeinheit schaden darf. Ein unsozial handelnder schadet aber der Allgemeinheit. Nur der gehört zu uns, der im Auge behält, ob es seinem Volke nutzt, oder schadet. Nur der ist völkisch! Und völkisch denken ist eine Weltanschauung! Doch das mit den Juden hätte man lassen müssen, das war Quatsch. Wir waren doch nicht das Osmanische Reich. Zwischen Burgunder und Hunnen lagen auch Welten<. Vereinzelt werde ich nun von den Lebenserfahrungen und Weisheiten, welche mein Vater, mit Beginn meiner Tauglichkeit als Junker Schüler, mir zukommen ließ, berichten. Er machte mir klar wie privilegiert ich durch sein Wissen sei, um zielstrebig die richtigen Schritte im Leben zu unternehmen. Dann wird mir mancher Irrweg und sinnloses Engagement durch fehlende Naivität erspart bleiben. Schlangengruben Verkäufer werden mir nichts anhaben können. Bei ersten Männergesprächen teilte er mir mit, dass er sich nicht nur als mein Vater verstand, sondern auch eine Art Führungsoffizier für mich sei. Natürlich nicht wie die Rattenfänger Gestalten aus dem Reich des Bösen, sondern die Variante des vereidigten, nationalsozialistischen Führungsoffiziers, der seiner weltanschaulichen Überzeugung treu ist. Ich harkte nach und wollte bei der Gelegenheit endlich genauer wissen, was er denn überhaupt bei den Braunen gemacht habe. >Junge, selbst wenn ich Rotten, Scharen und Truppen geführt hätte, muss das aber auch gar nichts mit Wachverbänden zu tun gehabt haben. Zwar war klar, dass die in einer Wachmannschaft größere Chancen hatten mit dem Leben davon zu kommen, als in einem Kampfverband, aber einfacher war das nicht, noch dazu moralisch höchst verwerflich. Na und zur Waffen-SS ging nicht der normale Wehrpflichtige, die hatten Elite Standards als Voraussetzung, mein Junge. Klar, die SS Männer der Einsatzgruppen das waren fanatische Teufel. Kein Wunder weshalb die Lagermannschaften maximal 22 Jahre alt sein sollten. Leichter zu führen, denke ich. Nein, diese Lager waren falsch. Solche Vernichtungslager, sind immer falsch, ob in Polen, oder Sibirien. Hingegen war die Waffen Schutzstaffel im Felde der Wehrmacht unterstellt. Ich weiß<, sprach mein Vorgesetzter weiter: >Die Jugend ist in den letzten Jahren in Bewegung geraten. Sie weiß nix, kann aber alles erklären. Die Feuer sehen, wo keines ist. Die Hoffnung haben, wo keine ist. Charakter und sittliche Werte sind heutzutage nicht mehr von Interesse. Geld und Vergnügen sind vorrangig. Jedenfalls muss die Seilschaft der du angehören solltest schussfest sein und durch und durch loyal. Ein Eid ist ein Eid, keine Tageslaune. Wenn man dann auf die richtigen Knöpfe drückt läuft alles wie geschmiert. Das war schon immer so, gestern im alten Rom, heute auf der ganzen Welt. Was glaubst du wie die Mafia, der Vatikan, oder General Franco so mächtig wurden. Sie kooperieren mit den richtigen Leuten, sie korrumpieren die richtigen Leute. Nur darauf kommt es an, die richtigen Komödianten für sich laufen zu lassen. Schau in jede Menschenmenge die du jemals gesehen hast! Was siehst du? Ich werde es dir sagen: Du siehst immer nur viele Statisten und wenige Strategen, die führen oder geführt werden wollen. Wobei der größte Wahnsinn darin besteht, dass die Mehrzahl der Herde sich damit begnügt, aus einem Bauchgefühl heraus zu glauben, dass ihre Führer sich damit beschäftigen an das Wohl des Volkes zu denken. Frag dich selbst: Denkt die Mafia an das Wohl des Volkes? Denkt der Vatikan an das Wohl des Volkes? Denkt General Franco an das Wohl des Volkes? So, und immer nur so, schließt sich der Kreis! Ich kann nicht sagen das ich das damals wirklich begriff, obwohl manches einen wahren Kern zu haben schien. Für Vater und seine auf den Führer vereidigte Truppe bedeutete die Bundesrepublik Schutzzone und Gefangenschaft zugleich. Froh, alle Knochen beisammen zu haben und dem sibirischen Winter entkommen zu sein. Doch seit dem sieglosen Ende und dem faktischen Verbot der national-sozialistischen Weltanschauung, liefen sie nur lauwarm durch die Zeiten. Mit der Überzeugung, dass der von ihnen begonnene Weltenbrand, in nicht allzu ferner Zukunft, weiter entfacht werden wird. Um dessen früheres Ende böse Mächte die Menschheit bestohlen haben, so Vater. Entwurzelt, nahmen sie dort Quartier, wo es möglich war. Die Ideale blieben, aber das heiße Herz dafür wurde nicht mehr benötigt. Zur ewigen Treue verschworene Kriegsknechte eines Massenmörders gewesen zu sein, wäre eine undenkbare Analyse ihrer Taten. Am Ende ihrer großen Zeit steht offener Strafvollzug. Unter den Besatzern und an der Nahtstelle zum eisernen Vorhang. Von wo das Böse eines Tages durch Mauer und eisernem Vorhang flutet und sich über die schwachen Demokratien ergießen wird. Die Bundeswehr und alle anderen "Gurkentruppen und Saftläden" (Vater) werden zu leichtem Kanonenfutter der sibirischen Wölfe. Ein Bollwerk war nur das Großdeutsche Reich, so der dekorierte Frontsoldat. Gehen wir ein Stück zurück in der Zeit vor der großen Zeit: Mein Opa war ein verheirateter Frauenheld, Vagabund und Erbe von irgendwas. Er soll sich Ende 1918 ins Ausland abgesetzt haben und später bei einem Zugunglück umgekommen sein. Jedenfalls hat man nie wieder was von ihm gehört. Bruder, Schwester und Mutter führten ein karges Dasein in den Wirren der zwanziger Jahre. Aus dieser Armut heraus starb die Mutter früh. Ein Leben unter dem royalistisch geprägten Onkel und Offizier a.D., kam für Vater nicht in Betracht. Mit 14 traf er mittellos, aber bewaffnet mit einem Kämpferherzen, in Berlin ein. Vielleicht wäre er sogar Kommunist geworden, wenn er auf solche gestoßen wäre. Nur eine Neutralität konnte sich einer wie er nicht leisten. Er traf Braunhemdenträger und mit ihnen eine mitreißende Bande. In Schutz des Rudels schlägt man sich leichter durch die unsicheren Zeiten in Berlin, so Vater. Bald ging es für ihn und seine Kameraden bergauf. Nicht mehr hungern müssen, war klares Signal für die richtige Richtung. Der Wille, nie wieder zu hungern, sein passendes Aussehen und die Wirkung von Uniformen katapultierten ihn förmlich in die Obhut der "Bewegung". Es begann die beste Zeit seines Lebens und ich muss ihm das glauben. Bei allem, was Männer, wie er, taten und wussten. Lebenserinnerungen sind subjektiv und können nur eine Person betreffen. Immer versuche ich seinen langen Weg zu sehen und zu verstehen. Der Anhalter Bahnhof mit knurrenden Magen, die erste Uniform, die harte Ausbildung beim Militär, die Mädchen die sich bald für ihn interessierten, in Lokalitäten, wie der blauen Maus und dem Admiralspalast. >Ach Junge, dieses Berlin verfügte damals über ein erotisches Getriebe von dem ich keine Ahnung hatte. Da gab es Theater, Varietés, Kabaretts, Tanzrevuen und vor große Kinos. Da habe ich dann diesen Film gesehen, Metropolis, hieß der Schinken. Der hat mich schwer beeindruckt und ich wusste soweit darf es nicht kommen. Die jungen Mädchen waren wie Bonbons, in glänzender Verpackung präsentiert. Schmetterlinge, flüchtig und leicht, von denen ein strahlen ausging. Viele von uns lebten doch nach der Devise: Friss das Leben, oder es frisst dich! Es mag falsch sein, aber fühlte sich damals richtig an. Für mich galt das besonders, mein Junge!