Es sah so aus, als folgte er einem beweglichen Ziel, bei dem er den Herzpunkt anvisieren wollte.
So makaber diese Geste schon war – der Laut, den Parker dabei ausstieß, ging Coster direkt auf die Nerven.
»Du kannst mir einen Gefallen tun, Jim. Geh an die Tür, versetz ihr einen Fußtritt und sag, die beiden sollen herunterkommen.«
»Die beiden?«
»Klar, Steve und Jake.«
Auch das noch, er hatte also noch andere Freunde.
Aber Jim Coster war schon so sehr unter dem Bann dieses Mannes – oder um es genauer zu sagen, er hatte schon so viel Furcht vor dem anderen, dass er seiner Aufforderung augenblicklich nachkam.
Er ging auf den Anbau zu, öffnete die Tür in der ihm angegebenen Weise und bellte:
»Jake! Steve!«
Oben wurde eine Tür geöffnet, und eine verschlafene Stimme bellte:
»Yeah!«
Dann waren nach einer Weile trampelnde Schritte auf der steilen Stiege zu hören.
Einer der beiden Männer verfehlte die Stufe, stürzte gegen den Mann, der vor ihm ging, und da der auch nicht ganz sicher auf den Beinen war, stürzten sie beide die Treppe hinunter und purzelten wie ein einziges Knäuel an dem verblüfften Coster vorbei in den Hof.
Dort sprangen sie blitzschnell auf die Beine und droschen so wütend aufeinander ein, dass es Jim Coster die Sprache verschlug.
Die beiden waren derart handgreiflich und rasch in ihren Aktionen, dass er nicht in der Lage war, einen von dem anderen zu unterscheiden.
Das Mädchen drüben hatte seine Arbeit eingestellt und beobachtete den wilden Kampf. Vorn an der Rückfront des Hauses war das Küchenfenster hochgeschoben worden, und eine ältere Frau beobachtete ebenfalls den Fight.
In der Flurtür, die jetzt geöffnet worden war, erschien der Salooner und neben ihm eine jüngere Frau.
Interessiert blickten alle auf die kämpfenden Männer.
Nur einer schien absolut kein Interesse daran zu haben: der Mann, der sich John Parker nannte.
Er hatte die Beine immer noch weit von sich gestreckt und die Hände neben sich auf die Bank gestützt. Dösend stierte er vor sich hin.
Plötzlich aber erhob er sich und brüllte mit einer wüsten Stimme:
»Schluss!«
Wie von Geisterhand getrennt, hielten die beiden inne.
Keuchend, staubbedeckt und schweißtriefend standen sie da.
Jetzt, als sich die Staubwolke, die sie ständig eingehüllt hatte, etwas legte, konnte Coster die beiden Männer betrachten.
Der eine war ein Mann in den dreißiger Jahren, breitschultrig, untersetzt, mit einem schweren kantigen Schädel, der auf einem massigen Rumpf saß. Er hatte ein undurchsichtiges Gesicht, dessen Augen weit auseinander standen. Die Nase war stumpf und der Mund breit. Er trug eine braune Leinenjoppe, ein sandfarbenes Hemd und eine graue Hose. Um seine Hüften hatte er einen breiten Waffengurt und und rechts im Halfter einen 38er Smith & Wesson Revolver.
Das war Steve Cahoon.
Der andere, der ihm jetzt noch schnaubend gegenüberstand, war etwas größer, schlanker und wirkte dennoch sehr muskulös. Er hatte ein hageres Pferdegesicht, eine spitze Nase, einen stichdünnen Mund und ein fliehendes Kinn. Die Augenknochen wölbten sich vor und wurden von borstigen Haaren überwuchert.
Hinter ihm lag ein zerstampfter brauner Melba-Hut. Er trug ein blassgrünes Hemd, eine braune Weste und eine blaue Leinenhose. Auch er hatte einen Revolver rechts im Halfter.
Es war der ehemalige Straßenarbeiter aus Tennessee Jake Daduk.
»Los, kommt her«, sagte Crack mit einer unfreundlichen Stimme, während er sich eine lächerlich krumm gedrehte Zigarette zwischen die rissigen Lippen schob.
Als er ein Zündholz anriss, hatte Coster das Gefühl, dass er sich den Schnurrbart verbrennen müsste.
Aber es geschah nicht.
Crack sog die Flamme in die Tabakfäden, schnippte das Zündholz von sich und stieß den Qualm durch die Nasenlöcher in einer Doppelfontäne aus.
»Das ist Jim Coster«, sagte er mit einer fahrigen Bewegung, »und das ist Steve Cahoon und der Lulatsch ist Jake Daduk.«
Coster schluckte. Es war ihm in diesem Augenblick klar, dass es Tramps waren, die sein neuer Freund ihm da vorstellte. Tramps, wie auch der Einäugige selbst!
Glasklar war es ihm plötzlich. Aber er hatte den Zeitpunkt verpasst, sich von Crack zu lösen.
Er nickte Cahoon und Daduk zu und linste dann zum Haus hinüber.
»Ja, ja«, meinte Crack, »wir können gleich Kaffee trinken. Ich muss nur mal nach den Pferden sehen. Das heißt, Daduk, das könntest du ebenso gut tun.«
Der Hagere stakste mit schlaksigen Bewegungen über den Hof und blieb vor dem Mädchen stehen, das immer noch die Tür schrubbte.
»Na los, geh schon!«, brüllte Crack.
Da versetzte der Lange dem Eimer einen Fußtritt. Die Brühe ergoss sich der Magd über Strümpfe und Schuhe. Schreiend stob sie davon.
Dann saßen sie drinnen im düsteren Schankraum vor ihrem Kaffee.
Coster, der einen galligen Geschmack im Hals hatte, und immer noch gegen den dumpfen Schmerz im Schädel ankämpfen musste, verspürte nicht den mindesten Appetit.
Und ohne dass noch einer ein Wort gesagt hätte, wusste er von Anfang an, dass Cahoon und Daduk gegen ihn waren.
Steve Cahoon war vielleicht am meisten gegen ihn. Der vierschrötige ehemalige dritte Hilfssheriff von Abilene oben in Kansas, der wegen Vertuschung eines Mordes vor einer ganzen Reihe von Jahren davongejagt worden war und sich seitdem auf dem Grauen Trail befand, blickte ihn unentwegt finster an.
Der Wirt, der selbst das Brot und die Speckeier gebracht hatte, stand noch einen Moment neben dem Tisch, erhielt dann jedoch einen derben Rippenstoß von Crack.
»Sieh zu, dass du verschwindest.«
Daraufhin machte er sich davon.
Coster wurde das Gefühl nicht los, dass es jetzt kommen musste. Das, wovor er sich schon die ganze Zeit unbewusst fürchtete.
Denn dass da irgendetwas nicht stimmte, war ihm jetzt, nachdem er die Benommenheit des schweren Alkoholrausches abgeschüttelt hatte, völlig klar.
Kein Mensch nimmt sich eines Haderlumps, wie er einer war, in dieser Weise an, ohne etwas dafür zu fordern.
Ganz sicher nicht dieser liebliche John Parker. Coster hatte ihn zwar im Laufe der nur wenige Stunden alten Bekanntschaft nicht sonderlich gut kennen gelernt, doch ahnte er bereits, dass er keineswegs der freundliche und hilfsbereite Mann war, als der er sich gab.
Kaum war der Wirt verschwunden, ließ Crack auch schon die Katze aus dem Sack.
Er stemmte beide Ellbogen auf den Tisch und sagte, während er den Kopf anhob:
»Die Sache startet bei Einbruch der Dunkelheit.«
Welche Sache?, hätte Coster gern gefragt, aber er wagte es nicht. Er wagte es nicht einmal, Crack anzusehen. Und er spürte doch, dass er von diesem beobachtet wurde.
Crack fuhr fort:
»Ich gehe hinten durch den Hof und werde durch die Flurtür in den Korridor kommen. Cahoon ist dann um die gleiche Zeit vorn am Eingang und klopft. Daduk und Coster bleiben neben der Tür. Wenn Cahoon eingetreten ist, folgt ihm Coster nach fünf Sekunden. Daduk bleibt auf jeden Fall vor der Tür.«