Jesus war kein Europäer. Kenneth E. Bailey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kenneth E. Bailey
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783417228694
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Testament und Kultur des Nahen Ostens. 40 Jahre lang hat er in Ägypten, Jerusalem, im Libanon und auf Zypern unterrichtet. In Beirut war er zwanzig Jahre lang Professor für Neues Testament. Bailey lebte zuletzt in Pennsylvania, USA.

      Vorwort

      Dieses Buch ist nicht in einem Schwung, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden. Einige Kapitel waren ursprünglich Mitschriften von aufgezeichneten Video-Vorlesungen. Diese akribische Arbeit wurde von meinem lieben Freund und Kollegen vorgenommen – Dr. Dale Bowne, emeritierter Professor für Neues Testament am Grove City College. Ich bin ihm für die Bewältigung dieser Mammutaufgabe zutiefst dankbar, das Vorlesungsmaterial nicht nur schriftlich zu erfassen, sondern daraus auch die Rohfassung einer gut lesbaren Version anzufertigen.

      Andere Kapitel entstanden aus neuen Studien über Jesu Gleichnisse, die ich vor mehr als dreißig Jahren veröffentlichte. Der größte Teil dieser Kapitel wird nun zum ersten Mal veröffentlicht. Ich danke dem Verlag InterVarsity Press für das Vorrecht, dieses Material den Lesern zugänglich zu machen, die daran interessiert sind, Bibeltexte im Licht der traditionellen nahöstlichen Kultur zu untersuchen.

      Für das vorliegende Buch musste ich eine thematische Auswahl treffen; ich entschied mich für Jesu Geburt, die Seligpreisungen, für das Gebet, Jesu dramatisches Handeln, die Rolle der Frau und die Gleichnisse. Die westliche Bibelauslegung nimmt die nahöstliche mittlerweile langsam zur Kenntnis, und in diesem Zusammenhang ist es mein Ziel, kurze Einblicke in einige der Schätze zu ermöglichen, die uns der Blick „nach Osten“ bringt. Es ist meine Absicht, unserem Textverständnis neue Perspektiven zu erschließen, anstatt nur die bisherige Sichtweise mit anderen Worten wiederzugeben.

      Ich danke auch Joel Scandrett, meinem Lektor und Freund, der dieses Projekt geduldig von Anfang bis Ende betreut hat. Stets hilfsbereit und verständnisvoll, hat er mir hilfreiche Hinweise gegeben, welche Schwachstellen des Buches weitere Arbeit erforderten und welche Unklarheiten zu beseitigen waren. Ich stehe tief in seiner Schuld.

      Was ich meiner persönlichen Korrektorin, Sara Bailey Makari, zu verdanken habe, ist durch nichts aufzuwiegen. Sie hat meine verworrenen Sätze entwirrt, meine Sprünge zwischen den Zeitformen geglättet und überflüssigen Wortballast beseitigt. Kurz und gut, sie hat enorm zu der Qualität des Endproduktes beigetragen. Danke, Sara!

      Über zwanzig Jahre lang hatte ich das seltene Vorrecht, von dem weisen Rat eines „Beratungskomitees“ zu profitieren, das sich aus Mitgliedern des Presbyteriums von Shenango (Presbyterianische Kirche in den USA, PCUSA) zusammensetzt und (in jüngerer Vergangenheit) aus Mitgliedern der Diözese von Pittsburgh (Episkopalkirche in den USA). Zu dieser hoch qualifizierten Gruppe gehören heute Pastor Dr. William Crooks, Pastor Dr. David Dawson, Pastor Dr. Joseph Hopkins, Rechtsanwalt Thomas Mansell, Pastorin Pamela Malony, William McKnight und Pastorin Dr. Ann Paton. Für die langjährige Unterstützung dieser lieben Freunde gilt ihnen mein größter Dank.

      Zahlreiche mir bekannte und unbekannte Gemeinden und Einzelpersonen haben mich bei meiner Forschungsarbeit unterstützt. Ohne ihre Hilfe wäre ich nicht in der Lage gewesen, die Mittel zur Arbeit an diesem Buch zu beschaffen und das Projekt zu vollenden. Ich denke hier besonders an die Eastminster Presbyterian Church in Wichita, Kansas, und die Trinity Presbyterian Church in Mercer, Pennsylvania. Ihnen allen danke ich von Herzen.

      Die mehr als zehn Millionen arabischsprachigen Christen des Nahen Ostens können ihre Wurzeln auf das erste Pfingstfest zurückführen, bei dem einige Personen aus Arabien anwesend waren und Petrus auf Arabisch predigen hörten. Zwei Bischöfe aus Bahrain nahmen am Ersten Konzil von Nicäa teil.1 In den fünf Jahrhunderten von etwa 900 bis 1400 n. Chr. veröffentlichten arabischsprachige christliche Theologen und Ausleger theologische Schriften höchster Qualität – eine Qualität, die auch in der Gegenwart zu finden ist.

      Vierzig Jahre lang war es das größte Vorrecht meines Lebens, von den zeitgenössischen Erben dieser semitisch-christlichen Welt angenommen, ermutigt, geliebt, unterstützt, gelehrt und geleitet zu werden. Für die guten und schweren Tage in Gemeinschaft, durch „Kriege und Kriegsgeschrei“ hindurch, möchte ich ihnen allen danken. Dieses Buch ist nur ein unvollkommener Versuch, von ihrem (und unserem) Erbe zu lernen und dadurch das Leben und die Botschaft von Jesus von Nazareth besser zu verstehen.

      Soli Deo Gloria!

      Kenneth E. Bailey

      Einleitung

      Sechzig Jahre lang, von 1935 bis 1995, war ich im Nahen Osten zu Hause. Ich verbrachte meine Kindheit in Ägypten und lehrte später vierzig Jahre lang Neues Testament an theologischen Seminaren und Instituten in Ägypten, im Libanon, in Jerusalem und auf Zypern. Dabei konzentrierte sich meine akademische Arbeit hauptsächlich auf den Versuch, die Geschichten der Evangelien im Licht der nahöstlichen Kultur besser zu verstehen. Dieses Buch ist ein Teil jenes fortwährenden Bemühens.

      Schriften aus der Antike, dem Mittelalter und der Neuzeit stellen die Quellen für dieses Unterfangen dar. Bei der antiken Literatur (aramäische, hebräische, syrische und arabische) interessieren mich nicht nur das Alte Testament, die zwischentestamentliche Literatur und die Qumran-Rollen; die jüdische Literatur aus der Zeit nach der Entstehung des Neuen Testaments (Mischna, Midrasch Rabba und die beiden Talmude) ist ebenfalls wichtig. Neben der jüdischen Literatur gibt es außerdem noch die Schriften der orientalischen semitischsprachigen Kirchen.

      John Meyendorff schreibt über die Bedeutung der Überlieferungen der orientalischen christlichen Welt:

      Die Vorstellung, die frühe christliche Überlieferung sei auf griechische und lateinische Texte beschränkt, ist immer noch weit verbreitet. Diese Annahme verzerrt die historische Realität und schwächt unser Verständnis von den Wurzeln christlicher Theologie und Spiritualität. Im dritten und vierten nachchristlichen Jahrhundert war Syrisch die dritte internationale Sprache der Kirche. Sie diente als Hauptverkehrssprache der römischen Diözese des „Ostens“, zu der Syrien, Palästina und Mesopotamien gehörten.2

      Die Christen des Nahen Ostens werden manchmal als die „vergessenen Gläubigen“ bezeichnet. Es ist bekannt, dass über Jahrhunderte hinweg im Nahen Osten Juden und Muslime lebten. Seit dem Konzil von Chalcedon 451 n.Chr. sind allerdings die Christen des Nahen Ostens größtenteils aus dem Bewusstsein der westlichen Welt verschwunden. Nur wenige wissen, dass es heute noch mehr als zehn Millionen arabischsprachige Christen gibt, die ein reiches Erbe an antiken und neuzeitlichen Schriften besitzen. Diese Christen sprechen eine semitische Sprache und leben, atmen und denken die Kultur des Nahen Ostens; sie sind in diesen Traditionen verwurzelt. Ihre Stimmen aus Vergangenheit und Gegenwart dürfen in der Theologie nicht ignoriert werden.

      Deswegen greift diese Aufsatzsammlung auf die frühen syrischen und arabischen christlichen Schriften zu den Evangelien zurück. Syrisch ist mit dem Aramäischen, der Sprache Jesu, verwandt. Das erste Pfingstfest ist die Geburtsstunde der arabischen Christenheit, als einige der Anwesenden Petrus auf Arabisch predigen hörten. Diese Christen waren in den ersten Jahrhunderten im Gebiet des heutigen Jemen, Bahrain, Katar und darüber hinaus weit verbreitet.3 Mit dem Aufkommen des Islam wurde das Arabische nach und nach für die Christen des Orients zu einer wichtigen theologischen Sprache. Hochkarätige arabische christliche Schriften aus mehreren Jahrhunderten sind bis heute größtenteils unveröffentlicht und unbekannt.4 Allen diesen syrischen, hebräischen bzw. aramäischen sowie arabischen Quellen ist die Kultur des Nahen Ostens gemeinsam, und alle von ihnen sind ethnisch näher an der semitischen Welt Jesu als die griechisch-römische Kultur des Westens.

      In dieser frühen Zeit des Christentums entstanden die Schriften von Ephraem dem Syrer und die drei klassischen Übersetzungen