Die Natur schenkt uns eine Landkarte für die menschliche Reise zur Ganzheit, da sie nicht aus Individuen besteht, sondern ein Ökosystem ist, ein Netzwerk von Beziehungen. Die tägliche Geschichte des Kosmos führt uns die Themen eines jeden menschlichen Wesens vor Augen: Anfang, Ende, Verlust und Wiederherstellung, Metamorphosen von Licht und Schatten, vorhersehbare und unvorhersehbare Ereignisse, verlässliche Gesetzmäßigkeiten und Quantensprünge jenseits der Gesetzmäßigkeiten. Der Zen-Dichter Bashô sagt: „Alle, die wahre Vortrefflichkeit in einer Kunst erlangt haben, haben eines gemeinsam: Einen Geist, der der Natur gehorcht, der während aller vier Jahreszeiten eins mit der Natur ist.“ Individuelle Pläne sind daher zweitrangig gegenüber den größeren Zwecken eines fließenden Universums.
Da wir nicht lediglich passive Bewohner der Natur sind, sondern an ihr teilhaben, ist das innere Leben der Natur dasselbe wie unser eigenes inneres Leben. Anders gesagt: Mit der Natur eins zu sein heißt, mit der authentischen Tiefe unseres essenziellen Seins in Kontakt zu sein, mit dem Archetyp der inneren Göttlichkeit, der Lebenskraft der Wirklichkeit, der Liebe selbst.
Es handelt sich hier um eine Trinität: Die natürliche Welt, die menschliche Psyche und die göttliche Essenz – drei Aspekte einer einzigen zugrunde liegenden und allgegenwärtigen Wirklichkeit. Diese Gleichsetzung ist kein Pantheismus, sondern ein Vertrauen darauf, dass die unsere Menschheit bewegende Kraft dieselbe ist wie die, die das Universum antreibt. Göttlichkeit ist also unsere eigene lebendige Tiefe ebenso wie die des Kosmos’. Diese Vorstellung von Göttlichkeit bedeutet, die Psyche und ihre Psychologie, die Seele und ihre Spiritualität sowie die Natur und ihre Greifbarkeit als eine mystische Gleichung zu verstehen: Menschheit = Natur = Göttlichkeit.
Normalerweise reagieren wir auf die Gegebenheit, dass das Leben nicht unseren Plänen gehorcht, mit trotziger Auflehnung – Furcht und Begehren, Auseinandersetzung und Tadel. Dass wir mit Gejammer reagieren, liegt wahrscheinlich an unserem aufgeblasenen Ego, welches darauf besteht, dass alles nach unseren Wünschen verläuft. Dies trägt zu unserem Leiden bei. Es ist das Gegenteil von demütiger Akzeptanz der irdischen Bedingungen, wie sie sind. Die freie Entfaltung der Dinge, wie sie sind, zu bejahen, dazu bedarf es demütiger Hingabe. Hier kommt die Natur wieder ins Spiel, da uns eine solche Demut der Erde näher bringt. Das englische Wort für Demut, humility, stammt tatsächlich vom Wort Humus ab. Demut ist nicht Selbsterniedrigung oder einfache Bescheidenheit. Es ist die Tugend, uns auf die Wirklichkeit einzustimmen. Demut ist ein Ja zu den irdischen Bedingungen, die das Leben so schwer, aber gleichzeitig auch aufregend machen. Diese Kombination von Gegensätzen mit einigem Humor zu sehen, macht die Dinge leichter und letzten Endes klarer. Es ist eine hilfreiche Praxis, nach dem Humor in einer jeglichen Gegebenheit, der wir begegnen, Ausschau zu halten.
Demut ist auch die Tugend, die uns hilft, wenn die Gegebenheit des Lebens, mit der wir uns konfrontiert sehen, Machtlosigkeit ist. Wenn beispielsweise unser jugendlicher Sohn drogenabhängig ist, bleiben wir verfügbar, um seine Entziehung zu unterstützen, und wir suchen nach Unterstützung für uns selbst, aber unser bedingungsloses Ja gilt unserer Machtlosigkeit. Das verlangt eine Reduzierung unseres Egos und Loslassen, wofür Demut das beste Rezept ist.
Die Bedingungen der Existenz sind unser „Sesam öffne Dich!“ zur Evolution: Die Gegebenheit, dass das Leben nicht nach Plan verläuft, führt zu einer Evolution des Planeten, die der Mensch niemals so gut entwerfen könnte. Deshalb spiegelt die Natur als unser Vorbild die Identität und die Bestimmung der menschlichen Psyche wider, sie ist unser Leitfaden und unser Zwilling, denn die Natur und unsere Psyche operieren auf der Basis derselben Axiome. Weder Wesenszüge noch Beschreibungen können meine Identität erschöpfend definieren. Ich bin mehr als man sagen, zählen oder wissen kann.
Die Natur und wir schließen sich zusammen, um ein bedingungslos Ja zu einer erweiterten Version der fünf Gegebenheiten zu sagen. Es folgt nun eine Liste, die zeigt, wie die Gegebenheiten des Lebens aussehen, wenn sie der Natur und in der Natur geschehen. Evolution ist der Plan der Natur, aber er ist nicht unbedingt erkennbar. Es gibt eine Ordnung und Balance in unserem Universum, die mit einer gewaltigen Unvorhersehbarkeit jenseits aller menschlichen Kontrolle koexistiert. Fragen Sie sich bei den folgenden Gegebenheiten, welchen Bezug eine jede von ihnen zu Ihrer gegenwärtigen Lebenssituation hat:
Alles verändert sich und wandelt sich von einer Form zur anderen.
Materie kann, wie auch der Geist, weder geschaffen, noch zerstört werden, sondern entwickelt sich in transformativen Zyklen von Anfang, Wachstum, Höhepunkt, Ernte, Sterben und Erneuerung.
Das Universum ist wie die menschliche Seele sowohl endlich als auch unendlich.
Es gibt keine einzige verlässliche Konfiguration dessen, wie Dinge sind oder wie sie sein sollen oder wie sie sich entwickeln werden. Stattdessen gibt es unbegrenzte und unendliche Möglichkeiten, und genau das bewegt auch unsere eigene Seele.
Ereignisse reihen sich nicht immer im Einklang mit der menschlichen Vorstellung von Ordnung aneinander.
Nichts und niemand ist wirklich getrennt; alles ist auf komplizierte Weise und notwendigerweise miteinander vernetzt.
Alles ist eifrig damit beschäftigt zu werden, was es ist. Alles wird zu dem, was es werden soll, ungeachtet aller Beeinträchtigungen und Konflikte.
Nichts ist jemals vollkommen oder fertig. Alles ist ein fortlaufender Prozess, besonders wir selbst.
Alle Wesen in der Natur sind aufgrund von Geburt und Tod der Zeit unterworfen.
Wir befinden uns in einer ständigen Entwicklung – nehmen das Neue an und lassen das Alte los –, um uns den wandelnden Bedingungen der Umgebung anzupassen. Wir entwickeln uns aufgrund von Geburt und Tod.
Die Vergangenheit von Dingen und Menschen beeinflusst stark ihre gegenwärtige Situation, doch muss sie nicht ihre Zukunft determinieren.
Liebe, Weisheit und Heilung haben sowohl in unseren menschlichen Geschichten als auch in der Geschichte des Universums als treibende Kräfte Bestand. Gleichzeitig wird die Natur von destruktiven Kräften gesteuert, die für das Überleben aller notwendig sind.
Wenn wir durch Intuition eine Wahrheit des Universums erkennen, spüren wir eine körperliche Resonanz: Es „fühlt sich richtig an“. Wir klinken uns in den archetypischen Code unserer Menschlichkeit ein, und dieser ist mit dem evolutionären Code des Universums kompatibel.
Das Zentrum sowohl des Universums als auch der Psyche ist ein einziger beweglicher Feiertag und die Peripherie ist nirgends auffindbar.
Unsere Berufung
Dies ist die wahre Freude im Leben – benutzt zu werden für einen Zweck, den man selbst als einen mächtigen erkennt, vollständig aufgebraucht zu sein, bevor man auf den Müllhaufen geworfen wird, eine Naturkraft zu sein, statt ein kleiner, fiebernder, egoistischer Klumpen der Wehleidigkeit und des Jammers, der sich beschwert, dass die Welt sich nicht aufopfern will, ihn glücklich zu machen.
GEORGE BERNARD SHAW
Unsere universelle Berufung als Menschenwesen ist, die liebevollsten Menschen zu sein, die wir sein können. Diese Verpflichtung lässt uns weniger abhängig von den Reaktionen anderer auf uns oder deren Meinungen über uns sein. Wir freuen uns über Akzeptanz, gieren aber nicht nach ihr oder hängen an ihr. Ablehnung tut uns weh, aber wir sind nicht von ihr niedergeschmettert. Wir sind mehr daran interessiert, wie wir lieben, nicht wie wir geliebt werden; daran, wie wir geben können, nicht, wie wir bekommen können. Welch ein Verlust für die Welt wäre es, wenn wir unser Leben lebten und