Der Mullimutspumper ... reist um den Bodensee. Dietmar Timmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietmar Timmer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741923
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Fledermäuse aufgescheucht worden war, der sich nun in der Umgebung auf den Bäumen niederließ. Gott sei Dank war nichts weiter passiert, er musste ein wenig über sich selbst lachen.

      Doch von Utzerup weiterhin keine Spur. Wenn er dagewesen war, musste er die Höhle bereits vor dem Mulli verlassen haben. Da kam ihm eine Idee: Er musste den Landstreicher überlisten.

      Der Mulli ging zurück in den Waldgasthof, dort ließ er sich einen Vesperkorb zusammenstellen mit einer Flasche Rotwein und spazierte laut singend zurück in den Wald. Es wurde schon dämmrig, und als er an einer kleinen Lichtung ankam, fand er eine Kuhle, davor einen Baumstumpf. Weiter vor sich hin trällernd, entzündete er in einem Steinkreis ein Lagerfeuer, setzte sich hinter den Baumstumpf, pflanzte seinen Hut mit der Spitze nach oben auf einen Stock, den Vesperkorb und die Flasche Wein daneben. Dann machte er sich ganz klein wie eine Ameise, kroch unter dem Baumstumpf hindurch und konnte das Ganze von der anderen Seite aus beobachten. Jetzt hieß es warten.

      Es wurde immer später und später. Das Feuer war am Niederbrennen und er war schon dabei, jegliche Hoffnung aufzugeben, als im Hintergrund ein Knacken zu hören war. Eine große, mächtige, unheimliche Gestalt mit einem langen schwarzen Mantel und einem mannshohen Spazierstock tauchte auf. Die Person schlich sich langsam von hinten an den vermeintlich sitzenden Mulli heran, holte mit dem Spazierstock zu einem furchtbaren Schlag aus und traf den Ast mit dem Hut, sodass Letzterer weit weg in den Wald flog. Die Gestalt wunderte sich zunächst, entdeckte aber schnell den Vesperkorb mit dem Wein, über den sie sich sogleich hermachte. Sie verschlang die Wurst und den Käse gierig und laut schmatzend, nahm einen kräftigen Schluck Wein zu sich und rülpste fürchterlich.

      Auch wenn der Mulli ihn nicht gleich erkannt hatte, wusste er jetzt, dass diese Gestalt nur der Utzerup sein konnte. Er musste nach dem Tag im Wald ja schon richtig ausgehungert sein. Der Mullimutspumper machte sich unsichtbar, versteckte sich hinter dem Landstreicher und sprach ihn mit tiefer, ernster Stimme an: „Ich wusste, dass ich dich finden und du gierig meine Vesper in deine Futterkammer hineinstopfen würdest.“

      Der Utzerup sprang auf, schaute erschrocken um sich, konnte denjenigen, der gesprochen hatte, allerdings nicht ausmachen. „Zeig dich, du Hund, du Schaschlik, wer du auch immer bist, du Vollkorken!“, brüllte er in den Wald und schlug dabei mit seinem Stock wild um sich.

      „Du kennst mich und du wärst besonnener gewesen, hättest du mich schon erkannt, ich bin der Mullimuts-pumper“, sagte dieser. „Hm, eigentlich wollte ich dir nur helfen, aber so futzdumm, wie du dich benimmst, geht das nicht.“

      Der Utzerup wurde nun zugänglicher, weil er wusste, dem Mulli, der sich nun sichtbar machte und neben ihn setzte, konnte man vertrauen. Der Landstreicher erzählte ihm also seine Geschichte und was er in Uttwil gesehen hatte. Da waren zwei dunkel gekleidete Männer gewesen, die schwarze, unheimliche Teufelsmasken wie an Fasnacht aufgehabt hatten. Auf der Stirn hatten sie jeweils zwei rote Hörner gehabt. Einer trug einen großen Rucksack und sie eilten schnell aus der Bank. Weil der Utzerup schon einige schlechte Erfahrungen mit den Leuten aus der Umgebung gemacht hatte und wusste, man würde ihn verdächtigen, war er abgehauen und hatte sich im Wald versteckt.

      „Ja, verstehe ich“, antwortete der Mulli, „trotzdem, das war ein großer Fehler, es wäre besser gewesen, du hättest mit der Polizei gesprochen.“

      „Das werde ich morgen für dich tun“, versprach er dem Landstreicher und kurz nach ihrem Gespräch schliefen die beiden ein.

      Als er am nächsten Morgen sehr früh aufwachte, schnarchte der Utzerup noch im Tiefschlaf. Er hatte den ganzen Wein allein getrunken und war wohl ziemlich beschnattert. Der Mulli machte sich mit einem tiefen Seufzen sogleich auf den Weg nach Romanshorn.

      Es war schon Mittag, als er an der Polizeistation ankam. Er suchte nach der netten, feschen Polizistin, die er bald darauf fand. Sie nahm sich Zeit für ihn und so konnte er ausführlich seine Bedenken (die Glasscherben im Hof, der Utzerup als Hacker) sowie die Geschichte des Landstreichers erzählen.

      Die Polizistin wurde selbst sehr nachdenklich und versprach mit einem Kopfnicken, den Fall noch mal mit ihren Kollegen gemeinsam zu überdenken.

      Zufrieden verließ der Mulli Romanshorn und ging nach Uttwil. Es musste doch möglich sein, den Bürgermeister Ratschisch und den Wachtmeister Stringel zu überzeugen. Es war spätabends und bereits dunkel, als er in Uttwil ankam. Er hatte Bedenken, zu dieser Stunde noch den Bürgermeister aufzusuchen, ging dann aber doch zu seinem Haus. Dort brannte Licht, also musste er wach sein. Die Haustür stand einen Spalt offen und ein fahler Lichtschein war zu sehen.

      „Herr Ratschisch“, rief der Mulli. Keine Antwort.

      Nun trat er langsam ins Haus. Im Flur brannte Licht, sonst war alles dunkel. Ein Blick in die gute Stube und in die Küche, bei denen die Türen offen standen, nichts zu sehen. Er wollte gerade die Treppe nach oben steigen, da hörte er Stimmen vom Kellerabgang. Seine Neugier war geweckt. Leise öffnete er die Tür zur Kellertreppe und ging vorsichtig nach unten.

      Am Ende der Treppe war ein langer, schmaler Flur, an den hinten rechts ein Raum grenzte. Die Tür stand offen, ein schwacher Lichtschein war zu sehen. Hier redeten offensichtlich drei Männer miteinander.

      „Wir teilen jetzt und ich kann das verschlafene Nest endlich verlassen.“ Das hörte sich an wie die Stimme von Herrn Stringel, dem Ortspolizisten.

      „Nein, wir dürfen kein Risiko eingehen und müssen warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist.“ Das war die Stimme von Herrn Ratschisch.

      Inzwischen hatte sich der Mulli bis an die Tür vorgeschlichen und steckte seinen Kopf in den Raum, vor lauter Neugier jedoch zu weit, sodass er vornüberfiel, mitten in den Raum hinein. Auf dem Boden liegend, fiel sein Blick auf Ratschisch und Stringel. Der Bankdirektor Zirngibel war ebenfalls dabei. Er war ein kleiner, dünner Mann, um nicht zu sagen, ein Erdnuckel mit schmalem Gesicht und immer schnieke in einen Nadelstreifenanzug gekleidet. Was für eine Überraschung!

      Im Hintergrund stand ein langer Tisch, auf dem das ganze Geld, das gestohlen worden war, gebündelt lag. Die drei Herren waren ebenso überrascht wie der Mulli, doch Stringel fasste sich schnell, nahm einen Strick von der Wand, und ehe er sich versah, war der Eindringling gefesselt.

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      Kreidebleich vor Angst – wie ein Milchbrötli – sagte Zirngibel: „Jetzt ist alles aus, der verpetzt uns, das ist ein V-Mann.“

      „Unfug“, erwiderte Stringel. „Wir teilen jetzt, nehmen den Zaster und der Mulli kann hier verhungern.“

      Nichts konnte die drei Räuber mehr aufhalten. Voller Gier eilten sie zum Tisch, um sich das Geld in ihre Taschen zu stopfen. Diese Gelegenheit nutzte der Mulli, um sich klein wie eine Ameise zu machen, mit Leichtigkeit aus den Fesseln zu schlüpfen und aus dem Kellerraum hinauszueilen. Doch Stringel passte auf, bemerkte den Fluchtversuch, sprang sofort aus dem Raum in den Flur und spähte nach allen Seiten, dabei fluchte er fürchterlich.

      Der Mulli nahm gerade wieder seine normale Gestalt an, um die Tür zu schließen, doch schnell machte er sich wieder zur Ameise, was Stringel allerdings sah. Hastig stürzte er dem Mulli hinterher und trat dabei mehrmals mit seinen groben Stiefeln nach ihm. Der Mulli konnte nur mit Müh und Not ausweichen, rannte um sein Leben, bis er endlich in einer Mauerritze an der Kellerwand Unterschlupf fand.

      Stringel ging auf die Knie und der Mulli sah, wie sein großes graues, kaltes Auge in die Mauerritze spähte. Gott sei Dank waren seine Finger zu dick, um sie in den Spalt hineinzustecken.

      „Gebt mir einen Stock, ich hol ihn da raus“, rief er.

      Als die drei Männer begannen, nach einem passenden Werkzeug zu suchen, mit dem sie ihren Gegner aus der Ritze hervorholen konnten, nutzte der Mulli die Gelegenheit, um sich im Schatten der Mauerkante zur Treppe zu schleichen. Dort konnte er an der Treppenwange hinauf zum Erdgeschoss krabbeln. Zum Glück merkten das die drei Räuber nicht, während sie immer noch aufgeregt nach einem Stock suchten. Hinter der Tür zum Kellerabgang konzentrierte der Mulli sich und machte sich unsichtbar, um vorsichtig zu sein. Doch die Männer