Aber Bertelsmann hat mit der Studie konkrete Ziele verfolgt. Man propagiert, dass Deutschland viel Zuwanderung braucht, um einen Fachkräftemangel zu verhindern und die Löhne niedrig zu halten.
Schon hier geht eine Alarmglocke an: Wer will denn niedrige Löhne? Sie etwa? Das ist das Interesse der Wirtschaft, nicht das Interesse der Menschen im Land. Ein wenig Fachkräftemangel wäre gar nicht verkehrt, denn dann müssten die Arbeitgeber mit höheren Löhnen um Fachkräfte werben. Solange das nicht passiert, gibt es auch keinen Fachkräftemangel, auch wenn Medien und Politik ständig davon reden. Ich bin sicher, dass sich morgen viele als Altenpfleger oder Erzieher ausbilden lassen würden, wenn eine gute Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen winken würden. Um aber die Löhne niedrig zu halten, kommen eben angelernte Pflegekräfte aus Osteuropa nach Deutschland.
Wie gesagt sind die Medien bei einer Studie der Bertelsmann Stiftung völlig unkritisch und beten alles, was dort gesagt wird, als Wahrheit herunter. Hinterfragt wird nichts. Schon die Überschrift im Spiegel zur Studie war eindeutig: „Studie zu Arbeitskräftebedarf – Deutschland braucht 260.000 Zuwanderer pro Jahr“110
In anderen Fällen setzt der Spiegel die Aussagen anderer in Anführungszeichen, um sie als Meinung oder Zitat zu kennzeichnen. Aber nicht in diesem Fall. Wenn die Bertelsmann Stiftung etwas behauptet, dann ist es für den Spiegel wahr. Und so begann der Artikel folgendermaßen: „Um den Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft zu decken, braucht Deutschland einer Studie zufolge in den nächsten 40 Jahren jährlich netto mindestens 260.000 Einwanderer. Ohne Migration werde das Angebot an Arbeitskräften angesichts der alternden Gesellschaft bis zum Jahr 2060 um rund 16 Millionen Personen – also um fast ein Drittel – massiv schrumpfen, schreiben die Forscher.“
Was ist so schlimm daran, wenn das Angebot an Arbeitskräften schrumpft? Die Produktivität wächst kontinuierlich, und immer weniger Arbeitskräfte produzieren immer mehr. Wir hatten deshalb jahrzehntelang viele Arbeitslose. Dass es heute weniger Arbeitslose sind, hat mit Hartz 4 nicht viel zu tun, auch wenn die Medien es immer behaupten. Es hat einerseits mit Tricks in der Statistik zu tun, die mittlerweile ca. eine Million Arbeitslose nicht mehr als arbeitslos erfasst. Und es hat damit zu tun, dass die geburtenschwachen Jahrgänge ins Berufsleben eintreten und geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen. Im Klartext: Das Angebot an Arbeitskräften sinkt. Das führt zu geringerer Arbeitslosigkeit. Und irgendwann dürfte es auch zwangsläufig zu steigenden Löhnen führen, wenn es einen Arbeitskräftemangel gibt. So weit sind wir aber noch lange nicht.
Das alles sind keine schlechten Nachrichten. Natürlich wäre es besser, wenn die Bevölkerung in Deutschland nicht wegen der niedrigen Geburtenraten schrumpfen würde. Aber so ist es nun mal, und solange niemand in Deutschland eine familienfreundliche Politik macht, wird sich daran auch nichts ändern.
Aber Bertelsmann findet diese Nachrichten schlecht, denn höhere Löhne zahlen zu müssen, ist offenbar „pfui“.
Um die Seriosität der Studie zu betonen, berichtet der Spiegel: „Deren Zahlen basieren auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Hochschule Coburg.“
Klingt gut, ist aber irreführend, wie ein Blick ins Impressum der Studie zeigt. RT-Deutsch hat einen sehr lesenswerten Artikel dazu geschrieben und da ich mich nicht mit fremden Federn schmücken möchte, formuliere ich es nicht neu, sondern zitiere RT-Deutsch:111 „Norbert Haering weist noch auf einen weiteren interessanten Aspekt der Studie hin. Diese vereinnahme fremdes Renommee. Die Autoren sind zwar Wirtschaftswissenschaftler, die beim Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) und der Hochschule Coburg arbeiten, sie haben diese Studie allerdings privat verfasst. Dies erfährt der Leser der Studie allerdings erst im Impressum auf Seite 114. In den Medien werden dann auch das IAB und die Hochschule Coburg als Urheber bezeichnet – unzutreffend, aber aus Sicht der Bertelsmann-Stiftung sicher nicht unbeabsichtigt.“
Das bedeutet, dass Bertelsmann zwei Wissenschaftler bezahlt hat, damit sie privat diese Studie in Bertelsmanns Sinne schreiben, die Medien das aber verschweigen und stattdessen den Eindruck erwecken, die genannten Hochschulen hätten mit der Studie etwas zu tun.
Und so kommt die Studie wenig überraschend zu dem Ergebnis, dass Zuwanderung aus der EU nicht ausreicht. Um das zu belegen, prognostizieren sie die Lohnentwicklung in EU-Ländern für 40 Jahre voraus und stellen laut Spiegel fest: „Die Forscher rechnen aber damit, dass die Einwanderung aus anderen EU-Ländern im Vergleich zu den vergangenen Jahren künftig abnehmen wird. Denn Wirtschaftskraft und Lebensqualität näherten sich innerhalb der EU voraussichtlich allmählich an und der Reiz sinke, einen Job in Deutschland zu suchen. Folglich komme der Zuwanderung aus außereuropäischen Drittstaaten eine wachsende Bedeutung zu.“
Dass es aber reichlich unseriös ist, die Einkommen auf 40 Jahre im Voraus zu prognostizieren, verschweigt der Spiegel. Und das mit gutem Grund, denn wie ich gesehen habe, sind die angewendeten Methoden so gewählt, dass sie zu einem zuvor festgelegten Ergebnis kommen müssen. Bei RT-Deutsch konnte man dazu lesen: „Frühere Vorhersagen für Zeiträume von über 40 Jahren hätten regelmäßig weit danebengelegen. Genauso lassen sich die in der Studie vorhergesagten Niveaus von Arbeitslosigkeit und Lohnniveau in Europa hinterfragen. So kommt die Studie durch das bloße Extrapolieren aktueller Wachstumszahlen zu dem Schluss, dass im Jahr 2060 in Polen und Lettland deutlich höhere Löhne gezahlt werden als in Deutschland.“
Logischerweise wachsen die Löhne in Osteuropa derzeit schneller als in Westeuropa, einfach weil sie dort niedriger sind. Aber wer nun meint, das gehe 40 Jahre ungebremst so weiter und dass die Löhne dort deshalb in 40 Jahren höher als in Deutschland sein werden, der arbeitet nicht seriös. Aber so arbeitet die Studie und kommt auf dieser Grundlage zu folgendem Schluss: Aus EU-Ländern kommt dann keiner mehr nach Deutschland, weil sie zu Hause besser bezahlt werden. Deshalb brauchen wir mehr Einwanderung aus nicht EU-Ländern, sprich Afrika und Asien.
Damit sind wir beim Kern der Studie: Sie will den Deutschen sagen, dass viel Einwanderung aus Afrika gut ist. So ein Zufall, wo wir seit 2015 schon über eine Million Menschen von dort aufgenommen haben. Bisher hat das allerdings nur Geld gekostet, und es ist nicht absehbar, dass sich daran etwas ändert. Bisher hat die massenweise Einwanderung aus Afrika und dem Nahen Osten nur negative Folgen gezeigt, nämlich hohe Kosten für den Steuerzahler und eine Erhöhung der Kriminalität um 20 % im Vergleich zu 2014. Aber die Fachkräfte, die Deutschland händeringend braucht, also zum Beispiel Ärzte und Ingenieure, waren nicht dabei.
Aber dem Spiegel ist das egal, er zitiert im letzten Absatz die Schlussfolgerungen der Studie unkritisch: „Es sei dringend nötig, den Zuzug nach Deutschland besser zu steuern, fordern die Studienmacher. Das von der Bundesregierung kurz vor Weihnachten auf den Weg gebrachte Einwanderungsgesetz müsse daher schnell verabschiedet werden, forderte die Stiftung. Es sei zu begrüßen, dass sich das Gesetz auch an Menschen mit mittlerem Qualifikationsniveau richte – hier liege der höchste Bedarf. Allerdings reiche ein Gesetz nicht aus. Ohne eine anhaltende Willkommenskultur und attraktive Integrationsangebote werde der Fachkräftemangel nicht ausgeglichen werden können.“
Es geht also bei der Studie um nichts anderes als um Lobbyarbeit für mehr Zuwanderung, und nicht erst in 40 Jahren, sondern jetzt sofort. Und um zu diesem Ergebnis zu kommen, wurden die nötigen Kennzahlen so ausgesucht und hochgerechnet, dass sie ins Konzept passen, siehe Lohnentwicklungen in Polen oder Lettland.
RT-Deutsch kommt auch in seinem letzten Absatz zu einem ganz anderen Schluss als der Spiegel: „Festzuhalten bleibt: Eine offensichtlich nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erstellte Studie nutzt den Schein der Wissenschaftlichkeit, um die fortgesetzte Zuwanderung für notwendig zu erklären und Werbung für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Regierung zu machen. Und der gesamte mediale Mainstream spielt mit.“
Das hätte ich auch nicht treffender formulieren können.
Schon einen Tag, nachdem der erste Artikel dazu erschienen war, ging die Lobbywelle zu dem Thema weiter. Unter dem Titel „Fachkräftemangel – FDP fordert lockereres Zuwanderungsgesetz“ schrieb der Spiegel über das geforderte Zuwanderungsgesetz:112 „Das Bundeskabinett beschloss im Dezember ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es sieht vor, dass die Hürden für