Else Feldmann
Herausgegeben von Adolf Opel
und Marino Valdez
Else Feldmann, 1884 in Wien geboren, 1942 im polnischen Vernichtungslager Sobibor ermordet, wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und verfasste Erzählungen, Romane, Theaterstücke und sozialkritische Reportagen. 1933 war sie Mitbegründerin der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. 1938 wurde ihr Werk von den Nationalsozialisten verboten.
In Erinnerung an Adolf Opel
(* 12. Juni 1934, † 15. Juli 2018 in Wien),
an dessen unermüdlichen Einsatz für die Literatur
wir uns immer ein Beispiel nehmen werden.
INHALT
»Das Volk muss vor sich selbst erschrecken« (Vorwort von Adolf Opel)
Bilder von der menschlichen Seele. Mutter und Sohn
Popper-Lynkeus. Zum 81. Geburtstag
Eine Stunde auf der Polizeistube
Tagesneuigkeiten. Der weiße Baum
Man gewöhnt sich. Gespräch mit einem Gefängnisdirektor
Ballett der Straße. Ein Entwurf für Jazzmusik
Die Geschichte von einem Fuchs
»DAS VOLK MUSS VOR SICH SELBST ERSCHRECKEN!«
Dieses Wort von Karl Marx – von Else Feldmann in einem Brief aus dem Jahre 1925 an den Kulturredakteur der Arbeiter-Zeitung in Wien, Dr. Otto Koenig, zitiert – könnte als Motto über dem Lebenswerk dieser Schriftstellerin stehen, die erst dank der Wiederveröffentlichung dreier ihrer Hauptwerke (Der Leib der Mutter, 1993; Löwenzahn, 1993; Martha und Antonia, 1997) einem mehr als ein halbes Jahrhundert währenden Vergessen- und Ausgelöschtsein entrissen werden konnte. Namhafte Rezensenten im gesamten deutschen Sprachraum begrüßten geradezu enthusiastisch die Entdeckung dieser Autorin der Zwischenkriegszeit, die – ohne jede Beschönigung und ohne sentimentalen Blick – die Elendsquartiere ihrer Epoche beschreibt und ihre dunkelsten Winkel ausleuchtet, zugleich aber die Möglichkeit einer Veränderung der Verhältnisse postuliert: »… ein Arbeiterpublikum erlebt ja täglich selbst die krassesten und fürchterlichsten Dinge, so kraß konnte nicht einmal ein Zola sie schildern, als sie den Tatsachen entsprechen«, schreibt Feldmann in dem anfangs genannten Brief, der sich offenbar auf die Ablehnung einer ihrer eingesandten Geschichten bezieht, die wegen »der Prüderie des Publikums« nicht abgedruckt wurde. »Und diese Dinge ernsthaft behandelt zu sehen, sollte sie abschrecken – ich glaube, das müssten dann meist solche sein, die insgeheim noch Betschwestern sind, und die sollten erst recht aufgerüttelt werden!«
Der angesehene Literat und Rezensent Felix Salten behauptet bereits 1922 anlässlich ihres Debüts als Romanschriftstellerin in der Neuen Freien Presse, sie sei »zu gut, um sie in die erste Reihe deutscher Erzähler zu stellen … Gott bewahre – wie sieht die erste Reihe deutscher Erzähler aus! Deshalb möchte ich Else Feldmann auch gar nicht in eine derartige, etwas gemischte Gesellschaft bringen … Außerdem ist es ja ganz gleichgültig, wohin ich oder sonst jemand sie stellen will. Sie hat sich mit ihrem Buch schon selbst auf einen ganz besonderen Platz gestellt.«
Drei Buchveröffentlichungen und ein ausgeführtes Theaterstück zu Lebzeiten, ein Fortsetzungsroman (der durch die Ereignisse im Februar 1934 und das Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich und ihres Presseorgans Arbeiter-Zeitung unvollständig geblieben ist), einige ebenfalls in Zeitungen in mehreren Folgen publizierte längere Erzählungen und viele Kurzgeschichten und Reportagen in Tageszeitungen und Zeitschriften: Das bis heute aufgefundene schriftstellerische Lebenswerk von Else Feldmann besticht nicht so sehr durch seinen Umfang als durch die unbeirrbare Konsequenz, mit der die Autorin die Thematik verfolgt, die sie zu der ihren gemacht hat – den Erniedrigten, Unterdrückten, Ausgegrenzten und im Leben Zu-kurz-Gekommenen eine Stimme zu leihen. Natürlich war auch das soziale und politische Umfeld im Wien jener Epoche alles andere als förderlich für die literarische Karriere einer aus ärmlichen Verhältnissen kommenden sozialistischen