Cleo & Leo. Rebecca Vonzun-Annen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rebecca Vonzun-Annen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741626
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sich zu erinnern, dass Kaugummikauen gegen Ohrendruck half.

      Kurz darauf rumpelte es, Cleo wurde unsanft in seinen Sitz gedrückt und ein Vibrieren zeigte an, dass sie auf dem Boden aufgetroffen waren. Die Turbinen summten und der riesige Vogel wurde allmählich langsamer, bis er in gemächlichem Tempo auf das Flughafengebäude zurollte, wo er schließlich zum Stillstand kam.

      Rund um Cleo herum begannen die Leute, ihre Sicherheitsgurte zu lösen, Gepäckstücke wurden aus den Fächern gehoben und Mobiltelefone wieder eingeschaltet. Ungeduld machte sich breit. Die Ersten standen bereits in den Gängen, um das Flugzeug so schnell wie möglich verlassen zu können. Da es jedoch eine Weile dauerte, bis die Türen geöffnet wurden, stauten sich die Leute bald und Cleo beschloss, noch sitzen zu bleiben.

      Neben ihm klingelte ein Handy. Eine schweißige Duftwolke wehte in seine Richtung, als der weiß gekleidete Mann in seiner Tasche wühlte und ein – wie könnte es anders sein? – weißes Telefon daraus hervorzog.

      „Ecros hier?“, knurrte er in den Hörer.

      Cleo tat so, als sei er damit beschäftigt, die Leute neben sich zu beobachten. In Wirklichkeit konzentrierte er sich aber genau darauf, was der Mann, der Ecros hieß, in sein Telefon sprach.

      „Noch nicht“, zischte er gerade und klang unwirsch, gerade so, als ob er sich gewaltig über die Person am anderen Ende ärgern würde. „Wie gesagt, es ist noch zu früh!“, bellte er jetzt. Dann merkte er wohl, wie laut er geworden war, denn er senkte die Stimme und schob nach: „Ich bin gerade erst gelandet.“

      Cleos Nackenhaare sträubten sich. Er wusste nicht, weshalb, aber dieser Mann wurde ihm immer unheimlicher. Es stellte sich heraus, dass er sehr wohl Cleos Sprache konnte. Umso merkwürdiger erschienen ihm nun die gemurmelten, fremdartig klingenden Wörter von vorhin und der seltsame Name Ecros.

      „Ja, das weißt du doch, tot nützen sie uns nichts“, zischte Herr Ecros und Cleos Herzschlag setzte für einen Augenblick aus vor Schreck. Er musste wohl versehentlich ein Geräusch von sich gegeben haben, denn der Mann drehte sich blitzartig zu Cleo um und musterte den Jungen – zum ersten Mal, seit er neben ihm Platz genommen hatte – misstrauisch aus schmal zusammengekniffenen Augen.

      „Ja“, spie er in den Hörer, ohne Cleo aus den Augen zu lassen. Und nochmals: „Ja!“ Dann drückte er den AUS-Knopf und verstaute sein Handy eilig wieder in einer der vielen Taschen seiner Tunika. „Hühner“, bellte er in Cleos Richtung.

      Dieser erstarrte vor Schreck. „Hü...hühner?“, flüsterte er und blickte vorsichtshalber nach links. Aber da war niemand. Der Mann redete tatsächlich mit ihm!

      „Ja, Hühner. Habe Hühner bestellt. Möchte ein frisches Ei jeden Morgen. ’s geht doch nichts über frische Eier, nicht wahr?“ Und er lachte dröhnend, so laut, dass Cleo zusammenzuckte. Merkwürdigerweise klang das Lachen überhaupt nicht amüsiert, sondern Furcht einflößend. Abrupt hörte der Mann zu lachen auf und starrte Cleo an.

      „J...ja. Eier“, beeilte der sich zu antworten. „Frische Eier. Mag ich sehr.“ Er schluckte. Doch die Antwort schien Herrn Ecros zufriedenzustellen.

      „Sag ich doch. Und jetzt wollen die mir Brathähnchen liefern! Tot nützen mir die Viecher nix, hab ich gesagt. Totes Federvieh legt keine Eier, verstehst du?“, dröhnte er und es schien ihm sehr wichtig zu sein, dass Cleo verstand, dass mit tot die Hühner gemeint gewesen waren. Eilig nickte Cleo. Verzweifelt schielte er nach links, wo die Leute noch immer Schlange standen. Er wollte so schnell wie möglich weg hier.

      Herr Ecros schien beruhigt zu sein, dass er die Sache mit den Hühnern geklärt hatte. Nach einem letzten genervten Schnauben – „Tote Hühner, wer glaubt denn so was?“ – wandte er sich wieder von Cleo ab und begann, unverständliche Wörter vor sich hin zu murmeln.

      Endlich setzten sich die Passagiere in Bewegung. Cleo sprang auf, packte seine Tasche und drehte sich zum Abschied – höflich, wie er war – nochmals zu Herrn Ecros um. Dieser jedoch schien Cleo vergessen zu haben. Mit geschlossenen Augen wiegte er sich vor und zurück und murmelte unablässig die fremdartigen Worte.

      Cleo bekam Gänsehaut, und so schnell er konnte, reihte er sich in die Schlange ein, um das Flugzeug zu verlassen. Er konnte nicht erklären, weshalb, aber er war sich fast sicher, dass Ecros’ Erklärung mit den Hühnern eine Lüge gewesen war. Cleos Gefühl sagte ihm, dass es keineswegs Hühner waren, welche „tot nichts nützten“.

      Cleo war zutiefst erleichtert, als er den Boden des Flughafens unter seinen Füßen spürte und er die unheimliche Begegnung im Flugzeug hinter sich lassen konnte. Trotzdem bereitete ihm das Erlebnis Kopfzerbrechen und sowohl während der Suche nach einem Taxi als auch auf der Fahrt zu Onkel Cornelius spukte das belauschte Telefongespräch in seinem Kopf herum und ließ ihm einfach keine Ruhe.

      *

      4

      Cleos Taxi brauste über eine breite Landstraße. Die Gegend, die an seinen Augen vorbeizog, war eben und weit. Riesige Felder mit Raps, Tulpen oder Weideflächen wechselten sich ab und liefen wie ein bunter Film vor dem Autofenster: gelb – rot – grün – braun … gelb – rot – grün – braun … Dazwischen befanden sich in regelmäßigen Abständen Kanäle, welche in geometrischer Geradlinigkeit die Landschaft unterteilten und ein Muster zwischen Wiesen und Äcker zeichneten.

      Der Himmel war strahlend blau. Einzelne Wolkenfelder zogen vorbei – fast wie eine Schafherde. Am Horizont konnte Cleo einige Windräder erkennen, welche sich stumm drehten – elegante Riesen, einer neben dem anderen.

      Cleo war auf einmal furchtbar aufgeregt.

      „Ungefähr zwanzig Minuten“, hatte der Taxifahrer gesagt, als Cleo ihm Onkel Cornelius’ Adresse genannt hatte. Dann hatte er ihn seltsam angesehen und Cleo war sich nicht ganz sicher, ob der Ausdruck, der kurz in seinen Augen aufflackerte, vielleicht Angst gewesen sein könnte.

      Jetzt, so wenige Augenblicke vor dem Zusammentreffen mit seinem Großonkel, fühlte Cleo, wie sich sein Bauch zusammenzog. Im Flugzeug hatte er kurz vergessen, was ihn erwartete. Herr Ecros hatte ihn derart in seinen Bann gezogen, dass er gar nicht mehr an seine eigene missliche Lage gedacht hatte. Doch jetzt strömte alles wieder auf ihn ein: die zwei Wochen weit weg von zu Hause bei seinem unbekannten Großonkel – mutterseelenallein.

      Cleo wünschte sich, die Fahrt würde viel länger als zwanzig Minuten dauern. Zweimal so lange. Dreimal. Am liebsten den ganzen Tag. Er schloss die Augen und ließ sich in das weiche Lederpolster sinken.

      Nach einer Weile spürte Cleo, wie das Taxi auf einen holprigen Weg abbog. Etwas später bremste der Wagen ruckartig. Waren die zwanzig Minuten etwa schon um?

      Erschrocken riss Cleo die Augen auf. Das Taxi stand vor einem riesigen Haus. Eigentlich glich es mehr einem Schloss. Es war aus schwarzem Stein gebaut und ragte weit in den Himmel empor. Unzählige Türmchen und Erker schmückten es und irgendwie sah alles ein wenig krumm aus. Das Haus war von hohen, dunklen Bäumen umgeben. Die schwarzen Riesen warfen ihre Schatten auf den brüchigen Stein, was dem Ganzen einen unheimlichen Charakter verlieh.

      Das Haus stand hinter einer hohen Mauer. Ein gewaltiges Tor aus Eisen versperrte die Einfahrt. Es hatte oben scharfe Spitzen, welche es unmöglich machten, darüber hinwegzuklettern.

      Cleo schluckte. Das Tor und die Mauer weckten in ihm den Gedanken an ein Gefängnis. Auf einmal hatte er das furchtbare Gefühl, dass er dort vielleicht nie wieder rauskäme, wenn er erst mal drin war. Die Mauer war zu hoch. Das Tor zu gefährlich. Und vorne am Tor war ein riesiges, massives Schloss befestigt, das man auch nicht einfach so knacken konnte. Cleo war sich bombensicher, dass der Schlüssel dazu irgendwo aufbewahrt wurde, wo man nicht einfach so herankam.

      Wieder einmal stellten sich Cleos Nackenhaare auf und er bekam am ganzen Rücken Gänsehaut. Er wollte da nicht rein! Auf keinen, aber