Cleo & Leo. Rebecca Vonzun-Annen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rebecca Vonzun-Annen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741626
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in den Himmel erhob. Und er merkte auch nichts davon, dass sich sein Sitznachbar an seinen Knien vorbeiquetschte und rechts neben ihm niederließ.

      ***

      Cleo wurde davon wach, dass ihn jemand unsanft anrempelte. Im ersten Augenblick wusste er nicht, wo er war. Dann fiel es ihm wieder ein.

      Der Mann, der am Fenster neben Cleo saß, beugte sich gerade dreist über ihn, als ob er gar nicht da wäre. Cleo konnte den Schweiß unter seinen Achseln riechen. Er lehnte sich so weit zurück, wie er nur konnte, drückte sich tief in seinen Sitz und hielt den Atem an.

      Was zum Kuckuck machte der Mann denn da?

      Vom Schlaf noch ganz benommen, realisierte Cleo erst jetzt, dass auf der anderen Seite neben ihm eine Flugbegleiterin stand, welche den Leuten Getränke offerierte. Deswegen hing der Mann über ihm wie ein nasser Sack. Er diskutierte gerade mit der jungen Dame in eleganter dunkelblauer Uniform, die – wie Cleo feststellte – ziemlich müde aussah. Kein Wunder! Der nach Schweiß riechende Mann grunzte unfreundlich und wollte anscheinend unbedingt ein Bier haben.

      „Wie ich Ihnen bereits erklärt habe, schenken wir Alkohol in der zweiten Klasse nur gegen Bezahlung aus. Gerne serviere ich Ihnen ein Bier, aber Sie müssen dafür bezahlen“, erklärte sie ihm geduldig.

      Der Mann schnaubte und stieß Cleo unwirsch mit dem Ellbogen in die Rippen. Auch ohne ein Wort vonseiten des Mannes war klar, dass er keineswegs damit einverstanden war, bezahlen zu müssen. Cleo versuchte sich noch schmaler zu machen, was jedoch fast nicht mehr möglich war. Seine Rippe schmerzte und außerdem wurde es langsam Zeit, dass er Luft holte. Es tanzten bereits schwarze Pünktchen vor seinen Augen. Die Achsel des Mannes schwebte nur einige Zentimeter vor seiner Nase und Cleo versuchte, sich das Atemholen noch ein wenig länger zu verkneifen.

      Nach einigen Sekunden jedoch konnte er nicht anders: Zischend holte er tief Luft. Der käsige Geruch verursachte ihm fast augenblicklich Übelkeit und sein Magen begann, unangenehm auf und ab zu hüpfen.

      In diesem Augenblick zog sich der Mann endlich zurück und ließ sich wieder in seinen eigenen Sitz sinken. Die Dose mit dem Bier knallte er vor sich auf den Klapptisch und grunzte wütend.

      Die Flugbegleiterin hingegen klimperte zufrieden mit den Münzen, die der Mann schließlich zähneknirschend bezahlt hatte. Dann setzte sie ein strahlendes Lächeln auf und wandte sich Cleo zu. Die Müdigkeit auf ihrem Gesicht war schlagartig verschwunden.

      „Und du, mein Kleiner, was hättest du denn gerne?“, fragte sie ihn mit säuselnder Stimme und beugte sich zu ihm hinunter. Ihr süßliches Parfum strömte in Cleos Nase und sein Magen schlug erneut einen Purzelbaum.

      „Orangensaft“, murmelte er und hoffte, das kühle Getränk würde seine Übelkeit lindern.

      „Na, dann lass uns dem Kleinen doch seinen Saft servieren“, flötete die Stewardess und schüttete mit klimpernden Wimpern die orange Flüssigkeit in einen Becher.

      Nur zu gerne hätte sich Cleo wieder hinter der nach Schweiß riechenden Achsel seines Nachbarn verkrochen. Hielt ihn die Flugbegleiterin für ein Baby oder was? Er war elf, Himmel, nicht vier!

      Als sie mit einem zuckersüßen „Hier, mein Kleiner“ den Orangensaft – samt Strohhalm – vor Cleo hingestellt hatte, leerte er den Becher in einem Zug. Dann knallte er ihn zurück auf den Tisch wie ein echter Mann und hätte, wäre er nicht so gut erzogen gewesen, zu gerne kräftig gerülpst, um zu beweisen, wie männlich er war. Cleo atmete tief durch. Er fühlte sich ein klein wenig besser.

      Aus dem Augenwinkel warf er jetzt einen Blick auf den Mann neben sich. Dieser war von Kopf bis Fuß weiß gekleidet. Cleo betrachtete verwirrt das Gewand des Mannes, das ihn an eine römische Tunika erinnerte. Seine Haare waren mit Gel zurückgekämmt und ebenfalls schneeweiß, genauso wie sein Bart. Dieser war lang und gepflegt, er machte den Anschein, als ob er täglich mehrmals gekämmt werden würde. Die Haut des Mannes war – passend zu seiner Aufmachung – weiß und durchscheinend.

      Der Kerl erinnerte Cleo an einen Geist. Die Tatsache, dass er sein Bier in sich hineinschüttete, als sei er kurz vor dem Verdursten, bewies jedoch, dass es sich sehr wohl um einen Menschen aus Fleisch und Blut handeln musste.

      Noch immer schien es, als ob der Mann Cleo gar nicht wahrgenommen hätte. Er würdigte den Jungen keines Blickes. Zwischen den gierigen Schlucken knallte der Mann die grüne Dose immer wieder auf den Klapptisch, starrte irr ins Leere vor sich und murmelte unverständliche Wörter in seinen Bart. Seine weißen Brauen waren zusammengezogen, die Stirn gefurcht. An seinem Haaransatz glänzte es feucht. Er schien zu schwitzen.

      Cleo rutschte auf seinem Sitz so weit nach links, wie es nur ging. Der Mann war ihm unheimlich.

      Trotzdem konnte er nicht anders, als ihn immer wieder verstohlen anzuschauen und auf sein Gemurmel – das mal lauter, mal leiser wurde – zu lauschen. Manchmal verstand Cleo einzelne Worte, konnte damit aber nichts anfangen.

      „Gejolung sakee mirmon“, murmelte der Mann gerade in seine Bierdose.

      Ob er wohl in einer fremden Sprache redete? Cleo wunderte sich. Er hatte noch nie etwas in der Art gehört. Es musste sich um eine Sprache aus einem Land weit weg von hier handeln. Vielleicht aus der Südsee. Oder aus dem tiefen Urwald. Cleo wusste, dass es da Völker gab, die noch nicht erforscht waren. Vielleicht hatten die dort so ähnliche Sprachen. Andererseits ...

      Aus dem Augenwinkel schielte Cleo wieder zu dem weiß gekleideten Mann hinüber. Er machte so gar nicht den Anschein, als ob er aus dem Dschungel käme. Oder aus der Südsee. Cleo wusste, dass die Menschen dort dunkle Haut hatten. Der Mann hingegen war blass wie ein Gespenst. Erschöpft schloss Cleo wieder seine Augen. Obwohl er sich wie gerädert fühlte, konnte er nicht mehr schlafen.

      Er vermisste seine Eltern. Ob sie wohl ungefähr gleichzeitig wie er ankommen würden? Cleo wusste, dass ihr Flug länger dauerte als seiner. Aber sie waren auch beinahe zwei Stunden früher abgeflogen.

      ***

      Nachdem Colin und Cecilia überhastet fortgeeilt waren – den Koffer hinter sich her ziehend, aus dem noch eine Unterhose rausschaute, welche fröhlich wie ein graues Fähnchen herumflatterte –, hatte sich Cleo mit hängenden Schultern auf die Suche nach seinem Gate gemacht. Er umklammerte sein Ticket und den Pass, die Reisetasche hatte er sich über die Schulter gehängt.

      Obwohl er bisher noch nie alleine geflogen war, hatte er alles sofort gefunden. Flughäfen waren gar nicht so kompliziert, wie er angenommen hatte. Man musste bloß lesen können. Und da er genügend Zeit hatte, konnte er in aller Ruhe sämtliche Schilder und Wegweiser genauestens studieren und kam wenig später beim Gate A86 an.

      Flug in den Norden, Boarding um 10.00, stand auf einer Anzeigetafel.

      Cleo wusste, was Boarding hieß. Es bedeutete, dass man ins Flugzeug einsteigen konnte. Er blickte auf seine Uhr. Es war gerade mal halb neun. Das Gate A86 befand sich ganz am Ende aller A-Gates und noch war hier kein Mensch. Wahrscheinlich waren alle noch vorne bei den Läden oder in den Restaurants, um sich die Zeit bis zum Abflug zu verkürzen. Doch Cleo hatte keine Lust auf das Getümmel.

      Also ließ er sich seufzend in einem der Ledersessel nieder und starrte trübselig auf seine Reisetasche. Er fühlte sich so alleine wie noch nie zuvor in seinem Leben.

      Sollten seine Eltern ihm doch den Buckel runterrutschen!

      Zur Hölle mit der blöden Reise in den Norden!

      Und zur Hölle mit Onkel Cornelius!

      Jawohl!

      ***

      Cleo wurde unsanft aus dem Halbschlaf gerissen, als die blecherne Stimme des Piloten aus den Lautsprechern dröhnte und auf den Landeanflug aufmerksam machte. Er musste, ohne es zu merken, doch wieder eingedöst sein.

      „Bitte klappen Sie Ihre Tische hoch, schalten Sie alle elektronischen Geräte aus und stellen Sie Ihre Sitzlehne gerade. In wenigen Minuten beginnt unser Landeanflug.“

      Und