Glück3. Elisabeth Martschini. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Martschini
Издательство: Bookwire
Серия: Bad Auer Trilogie
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741664
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      Glück3

      Bad Auer Trilogie

      Band 3

      Elisabeth Martschini

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      Erstauflage 2017

      Lektorat: Melanie Wittmann

      Herstellung: Redaktions- und Literaturbüro MTM

       www.literaturredaktion.de

      Coverillustration: © auryndrikson - lizenziert Adobe Stock Foto

      ISBN: 978-3-96074-015-5 – Taschenbuch

      ISBN: 978-3-96074-166-4 – E-Book

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Inhalt

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      Im Café Sisi

      Das war das Ende. Er saß alleine an einem Tischchen im Café Sisi. Die Spitzen seines Milchschaumoberlippenbarts zeigten traurig nach unten. Was einmal Somlauer Nockerl gewesen waren, lag als unansehnlicher Haufen auf dem Dessertteller, jedoch hatte von Biskuitteig, Vanillecreme und Schokoladensoße kein bisschen den Weg in seinen Magen gefunden. Genauso wenig wie von den Rumrosinen. Nicht einmal die Melange, gerade noch stolze Trägerin jenes Milchschaums, der jetzt die kraftlose Oberlippe zierte, wollte dem alten Herrn schmecken.

      „Darf es noch etwas Süßes sein, Herr Hirschhauser?“, fragte Petra Sandor, die an das Tischchen herangetreten war, ihn trotzdem scheu, während sie verstohlen den Teller mit der verschmähten Spezialität an sich nahm. Alois Hirschhauser schüttelte stumm den Kopf, woraufhin sich die junge Frau leise wieder hinter die Theke zurückzog, um ebenso leise die Spuren des Nockerlmassakers zu beseitigen.

      Dabei hätte sie gar nicht so still zu sein brauchen, die Gruppe junger Männer im hintersten Winkel des Café Sisi, an dem Tisch gleich beim Fenster, war es auch nicht. Immer wieder drang Lachen durch den Raum, begleitet von Gesprächsfetzen wie „Darth Vader zieht sein doppeltes Lichtschwert“ oder „Die dunkle Seite der Macht wendet sich gegen Prinzessin Leia“. Reizworte für Filmliebhaber oder Kaffeehausbesucher, je nachdem.

      Allein Alois Hirschhauser hörte nichts oder wollte nichts hören, weder von einem Stück Dobostorte noch von irgendwelchen intergalaktischen Sternenkämpfern. Auch nicht von jungen Männern. Seine Gedanken waren im Gegenteil bei einer alten Frau, einer Dame, wie sie sich selbst bezeichnet hätte, wobei der Konjunktiv eigentlich fehl am Platz war, denn Frau Hildegard Binsen, Pardon, Frau Doktor Hildegard Binsen hatte sich des Öfteren ganz ungeniert eine Dame genannt. Nicht aufgrund irgendeines Adelstitels. Der Doktor ihres Gatten ‒ Gott hab ihn selig ‒ reichte vollauf. Mit diesem Gatten war Frau Doktor Binsen, seit sie so hieß, sein Leben lang verbunden gewesen. Mit Alois Hirschhauser, einem nunmehr pensionierten Friseur, war sie hingegen ihr Leben lang verbunden gewesen seit der Zeit, als sie noch auf den Namen Hildegard Bauernfeind gehört hatte.

      Und sein oder nicht sein ‒ ihr Leben nämlich! ‒, das machte schon einen Unterschied. Nicht so sehr wegen der Jahre vor der Hochzeit, die im Vergleich so zahlreich nicht gewesen waren, sondern wegen der Jahre, fast schon Jahrzehnte, die Hildegard ihren Gatten überlebt hatte. Alte Liebe rostet nicht und alte Freundschaft noch weniger. Für beide galt in diesem Fall jedoch: bis dass der Tod sie scheide. Und der Tod hatte sie geschieden ‒ zuerst Hildegard und Kurt Binsen und kürzlich auch Hildegard Binsen und Alois Hirschhauser.

      Mit anderen Worten: Frau Doktor Hildegard Binsen, gern gesehener Stammgast im Café Sisi, war gestorben. Hatte die Kuchengabel abgegeben und in die hellblaue Papierserviette gebissen, um sich die Tortenteller von unten anzusehen, was nichts mit dem Stempel irgendeiner bayerischen oder tschechoslowakischen Porzellanmanufaktur zu tun hatte. Dabei hatte die eine gerade erst ihr 250-jähriges Jubiläum gefeiert, wohingegen die Heimat der anderen ... Aber lassen wir das. Das hatte schon vor ihrem Tod nichts mit Hildegard Binsen zu tun gehabt und hatte es danach noch viel weniger, weil Scherben zwar Glück, nicht aber das Leben zurückbringen.

      Im Übrigen war das mit den Scherben und dem Glück so eine Sache. Teller, Gläser und Kaffeetassen waren im Café Sisi in den vergangenen sieben, acht Jahren natürlich schon einige kaputt gegangen. Aber dass das in irgendeiner Beziehung zum Glück gestanden wäre, hätte Petra Sandor nicht sagen können. Doch nicht deshalb schüttelte die Konditorin jetzt ebenso stumm den Kopf, wie es zuvor Herr Hirschhauser getan hatte. Mit dem das Kopfschütteln denn auch ursächlich zusammenhing. Das hatte es nämlich in besagten sieben, acht Jahren, die Petra Sandor nun schon mit ihrem Mann Istvan das Café Sisi betrieb, noch nicht gegeben: dass Herr Hirschhauser die Mehlspeise verweigerte. Er, der bisher sogar vor einem deftigen Mittagessen den stadtbekannten Somlauer Nockerln nicht hatte widerstehen können.

      Nicht, dass die kleine, einstmals mondäne, jetzt aber schon etwas in die Jahre gekommene Kurstadt Bad Au ein breiteres Wissen über Somlau hätte vorweisen können. Bestimmt kannten 99 Prozent der Bad Auer dieses westungarische Städtchen nicht einmal vom Hörensagen und wären deshalb nie auf die Idee gekommen, dass die Bezeichnung der von ihnen so geliebten Nockerl, die in der Hauptsache aus hellem und dunklem Biskuitboden bestanden, irgendwas mit dem zwischen Neusiedlersee und Plattensee gelegenen Berg Somlau, der auch dem Städtchen seinen Namen gegeben hatte, zu tun haben könnte. Das wäre zu weit hergeholt gewesen. Bei Malakoff und Molotow und Kalaschnikow dachte ja auch niemand mehr an die ursprünglichen Namensgeber.

      Über die Herkunft der Somlauer Nockerl machte sich einzig Petra Sandor Gedanken. Nicht nur, weil deren Zubereitung im Café Sisi in ihren Zuständigkeitsbereich fiel, sondern auch und vor allem, weil sie dieses eine Rezept der ungarischen Großmutter hinüber nach Österreich gerettet hatte. Die Großmutter selbst war damals zurückgeblieben, als der Rest der Familie zu neuen Donauufern aufbrach, hatte den Weg ins gelobte Österreich gescheut und darauf beharrt, in ihrem geliebten Ungarn zu bleiben, zumal dieses endlich den aus tiefster Seele verabscheuten Kommunismus losgeworden war. Da halfen kein Drängen und später auch kein Ziehen. Die alte Frau blieb in ihrer Heimatstadt, die schon ihre Geburtsstadt gewesen war und bald auch ihre Sterbestadt werden sollte.

      „Nagymama, szeretem Ómama“, dachte Petra Sandor und wischte sich beim Gedanken an ihre geliebte Großmutter mit dem Zipfel ihrer Schürze eine Träne aus den Augen. Der Verlust Frau Doktor Hildegard Binsens hatte auch sie sentimental werden lassen.

      Darth Vader und R2-D2 im hintersten Winkel des kaffeehäuslichen Universums wussten davon freilich nichts, weder von Hildegard Binsen noch von Petra Sandors Großmutter oder gar von Somlauer Nockerln, die nicht auf der regulären Karte standen, sondern nur einmal im Monat angeboten wurden.

      „Fallt bitte nicht aus der Rolle“, ließ sich eine Stimme vernehmen. „Davon krieg ich langsam Magenschmerzen.“

      Die Bemerkung „R2-D2 kann sich nicht über Magenschmerzen beschweren, er ist eine Maschine, verdammt. Der kann nicht mal reden“ sorgte vorübergehend für Schweigen.

      Da fehlte etwas, fand Petra Sandor. Das Leben war doch nur noch die Hälfte wert, wenn einer wie Alois Hirschhauser