Ich mag Corona nicht!. Karin Waldl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Waldl
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783960741350
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Maximilian war Leonie oft wilder und mutiger als sonst. Deshalb war sie so gerne mit ihm unterwegs. Denn mit ihren Freundinnen spielte sie Mädchenspiele, die bei den Jungen nicht erwünscht waren. Das passte in manchen Momenten, aber immer wäre Leonie das zu langweilig. Sie wollte Abenteuer erleben. Und Maximilian zeigte ihr die Welt der Fantasie, in der für Ideale mutig gekämpft wurde und nicht die Sorge um die Schönheit das Wichtigste war.

      Außerdem bewunderte Leonie sein Talent zu malen, einfache und wirkungsvolle Zeichnungen. Gestern hatte er ihr ein Beste-Freunde-Bild geschenkt. Darauf waren zwei Katzen. Er wusste, dass dies ihre Lieblingstiere waren. Sie hatte selbst zwei dieser süßen Wollknäuel zu Hause. Sie hießen Nala und Nele und waren richtige Landstreicher. Freiheitsliebend und eigensinnig – wie Katzen halt sein sollten. Aber auch zutraulich und kuschelbedürftig, wenn es für sie passte – natürlich. Dann streichelte und bürstete Leonie ihr glänzendes, langes und flauschiges Fell. Leonie fand es gut, dass Katzen sehr genau wussten, was sie wollten. Denn sie selbst war auch so.

      Alles in allem war Maximilians Freundschaft unbezahlbar. Leonie wusste, dass sie Glück hatte. Denn es gab nicht viele Freundschaften, die so echt waren wie die ihre.

      Frau Iris erwartete heute die Kinder, sie war ihr Klassenvorstand. Sie war eine strenge, aber gute Lehrerin. Sie war schon recht alt, aber verstand die Kinder sehr gut. Sie hatte immer ein offenes Ohr für ihre Schüler. Sie trug meist bodenlange Kleider, die scheinbar aus einer anderen Zeit stammten. Ihre Haare waren schwarz gefärbt, was zu ihren eisblauen Augen ein gelungener Kontrast war. Trotz ihres Alters hatte sie sich eine faszinierende Art von Schönheit bewahrt. Aber vielleicht lag das auch an ihrer Art, die die Kinder sehr mochten.

      Eines jedoch duldete sie nicht, wenn die Schüler sich nicht ordentlich anstrengten und bemühten, die Dinge gut zu machen. Dann konnte sogar Frau Iris ungemütlich werden. Aber weil ihre Schüler sie respektierten, wollten sie auch, dass sie gut mit ihr auskamen. Das machte es oft einfach. Auch wenn dazu manchmal etwas erfundenes Kopfweh oder Bauchweh vonnöten war, wenn man wirklich nicht dazugekommen war, die Aufgaben zu erledigen. Dann wurde ihre Lehrerin sehr mütterlich, was die Schüler sehr genossen.

      Manchmal durchschaute Frau Iris das erfundene Leid schon, denn sie bestand dann nicht weniger darauf, dass alles nachgeholt werden müsse. Sie war einfach eine gute Lehrerin und stand auf der Seite der Kinder.

      Die Mathematikwiederholung hatte es aber in sich, Maximilian schnaufte. Die Zahlen begannen vor seinen Augen zu tanzen. Mühsam versuchte er, sie zu ordnen. Als er sich wieder konzentrieren konnte, bemühte er sich, zu rechnen. Gott sei Dank hatte sein Vater in den letzten Tagen darauf bestanden, dass er lernte, sonst hätte er jetzt keine einzige Aufgabe lösen können. Das hätte er bestimmt mit Hausarrest gebüßt. Und es gab nichts Schlimmeres, als eine Woche keinen Kontakt zu seinen Freunden haben zu dürfen. Darauf konnte er dankend verzichten. Seine Eltern wussten schon, wie sie ihn zum Lernen brachten. Trotzdem war es nicht einfach, einigermaßen alles zu Papier zu bringen, aber es würde reichen für eine positive Note. Manche Fehler ließen sich nicht verhindern, dafür fiel ihm die Rechnerei viel zu schwer. Aber seine Mutter meinte immer, wenn er keine negative Note hätte, sei sie schon zufrieden. Und das brachte er hin, da war sich Maximilian ziemlich sicher.

      Ansonsten zog sich der Vormittag in der Schule dahin, die Tage ohne Turnunterricht waren immer die langweiligsten. Immer nur in den Bänken zu sitzen, war ziemlich anstrengend. Umso mehr freute sich Maximilian auf den gemeinsamen Nachmittag mit Leonie im Wald. Er malte sich schon einmal aus, wie sie den Unterschlupf im Wald neu aufbauen würden. Er musste nur kurz nach Hause, um zu Mittag zu essen und Hausaufgaben zu machen, dann konnte es schon losgehen. Gott sei Dank war heute kein Regen gemeldet, so konnten sie die Zeit nutzen.

      Gesagt, getan.

      Als die Schule zu Ende war, beeilte sich Maximilian, um nach Hause zu kommen. Es erwartete ihn Pepe, sein Nachbar, der schon fast achtzig Jahre alt war. Er kam mittags immer vorbei, half Maximilian, das Essen aufzuwärmen, das Mama am Vorabend gekocht hatte und blieb bei ihm, solange er seine Hausaufgaben zu erledigen hatte. Er konnte sehr gut erklären und hatte oft schon dafür gesorgt, dass der Junge den Schulstoff besser verstand. Er war wie ein Opa für Maximilian. Er liebte seine Witze und seinen Humor. Da waren sie sich sehr ähnlich, auch wenn Pepe viel älter war. Er konnte so viel Blödsinn machen, wie man es Erwachsenen kaum zutraute. Dann hielten sie sich oft die Bäuche, weil sie einen Lachkrampf hatten.

      Aber er konnte auch sehr weise sein, wenn den Jungen wichtige Lebensfragen drückten. Dann wusste der alte Pepe immer einen Rat. Er blickte auf sehr viel Lebenserfahrung zurück, die er gerne weitergab. Wahrscheinlich war sein Nachbar der Erwachsene, der den Jungen am besten verstand. Und er holte Maximilian auch wieder runter, wenn es Streit mit seinen Eltern gab oder mit einen seiner Freunde. Er erinnerte ihn daran, dass nicht alles unfair war und dass Menschen Fehler machten. Oft hatte er auch die besten Vorschläge für ihn, wie man das wieder hinbiegen konnte. Er sprach von Verzeihen und Vergeben, um im Leben weiterzukommen und nicht stehen zu bleiben in seiner Wut, Trauer und Angst. Auch wenn man dazu ganz schön mutig sein musste, wenn man wollte, dass Freude, Glück und Frohsinn zurückkehrten.

      Pepe kümmerte sich deshalb regelmäßig um Maximilian, weil die Eltern seines Vaters bei einem Autounfall gestorben waren, als sein Papa noch ein Kind war. Er kannte sie nur von Bildern und von den Geschichten, die sein Vater über die beiden erzählte. Er redete von ihnen, als wären sie aus einem Märchen entsprungen. Aber Maximilian wusste, dass für seinen Vater der Grundsatz galt, über die Toten nur Gutes zu sagen. Und so klammerte er die Macken seiner Großeltern aus, die sie bestimmt auch hatten. Keiner war nur lieb und nett. Papa versicherte Maximilian, dass sie ihn genauso lieb gehabt hatten, wie seine Eltern ihn gerne hatten. Er versuchte dann, ernst zu bleiben, wenn sein Papa so sentimental wurde. Er war eigentlich alt genug und kein kleines Kind mehr! Aber er sagte nichts, weil er wusste, dass sein Vater seine Eltern immer noch vermisste. Aber er mochte es nicht, wenn er ihn mit Liebe überschüttete. Das war doch nur bei Babys und Kleinkindern notwendig.

      Und die anderen Großeltern, die Eltern seiner Mutter, lebten in Italien. Maximilian sah sie nur einmal im Jahr, wenn sie sie im Sommer in der Nähe von Rom für zwei Wochen besuchten. Ansonsten telefonierte er mit den beiden über das Internet per Videochat einmal pro Woche und berichtete ihnen von den Neuigkeiten in seinem Leben. Das war zwar nicht das Gleiche, wie sie zu sehen, aber besser als gar nichts. Er nannte die beiden Nonna und Nonno, was auf Deutsch Oma und Opa hieß. Außerdem besaßen die beiden einen Hund, der Aquila hieß, was übersetzt Adler bedeutete. Er war ein Freigeist und jagte am liebsten Schmetterlinge. Seine Großeltern hatten den Hund nicht sehr gut erzogen, aber seine Gutmütigkeit verzieh sein schlechtes Benehmen. Beim Videotelefonieren drängte er sich immer wieder ins Bild. Maximilian mochte den lustigen Hund und fand es schade, dass er ihn nur so selten sah.

      Deshalb war Pepe umso wichtiger für ihn. Aber das beruhte auf Gegenseitigkeit, denn der weißhaarige Alte war einsam. Seine Frau war vor ein paar Jahren an Krebs gestorben. Sie war seine große Liebe gewesen und er hatte früher alles mit ihr geteilt. Umso schwerer war es für ihn gewesen, sie gehen zu lassen. Maximilian hatte sie angeblich noch gekannt, aber er konnte sich kaum erinnern. Er war noch zu klein gewesen, als sie starb.

      Und so wurden Pepe und er ein Dreamteam – Maximilian genoss es, einen Erwachsenen zum Reden zu haben, der nicht seine Eltern waren. Sie waren oft weit unentspannter, sahen manches weniger mit Humor und der Weitsicht, die der alte Mann hatte. Und seine Freunde wussten oft selbst keinen Rat, wenn es um ernste Themen ging. Dann zuckten sie oft mit den Achseln und wussten keine Antworten.

      Kaum war Maximilian fertig mit den Hausaufgaben, verabschiedete er sich von Pepe, der wieder zu sich nach Hause ging, in das Haus nebenan. Maximilian schwang sich mit Freude auf sein Rad und fuhr damit zu Leonie, die schon auf ihn wartete.

      „Wo warst du denn so lange? Auf in den Wald mit uns“, rief sie ihm entgegen.

      Es war noch kalt draußen, es war erst Anfang März. Aber dank ihrer dicken Winterjacken störte sie das nicht. Es gab kein schlechtes Wetter, es gab nur die falsche Kleidung. Sie hatten Wichtiges vor, da konnte man sich von den Temperaturen nicht abhalten lassen. Sie radelten die Straße entlang und bogen vor den ersten Bäumen ab. Sie nahmen ihre übliche