Der Verkehrspolizist. Dieter Schäfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dieter Schäfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783864766664
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      Das Zweite steht für Enforcement und umfasst alle Sanktionsmöglichkeiten für verkehrsgefährdendes Verhalten. Hierin sind alle repressiven Verkehrsüberwachungsmaßnahmen enthalten.

      Das Dritte steht für Education und beginnt beim verkehrserzieherischen Gespräch nach einem sanktionierten Verkehrsverstoß. Es lässt alle pädagogischen Spielarten zur Verbesserung des individuellen Verkehrsverhaltens zur Abwehr von Unfallgefahren zu.

      Diese „Drei E“ begegnen uns im verkehrspolizeilichen Alltag ständig. Der Verkehrspolizist auf der Straße wirkt und handelt überwiegend im zweiten und dritten „E“.

       Der Alltag

      Besonders oft sind es die kleinen Lässlichkeiten im Straßenverkehr, an denen sich Unmut entzündet.

      Kennen Sie den Ort an dem am häufigsten und oft hemmungslos geflucht und geschimpft wird?

      Ist das nicht am Steuer Ihres Autos, wenn Sie allein unterwegs sind?

      Und sind es denn wirklich immer die Anderen, die Fehler machen?

      Trotzdem ist es für den Einzelnen relativ selten, in eine Polizeikontrolle zu geraten, weil sich die Mehrheit überwiegend regelkonform verhält. Und begeht man mal einen Regelverstoß, so müsste just in diesem Moment ein Ordnungshüter präsent und ahndungswillig sein. Das ist im Alltag eher nicht der Fall.

      Die Polizei richtet ihre Verkehrsüberwachung überwiegend an den unfallträchtigen Gefahren aus. Und diese gibt sie auch jedermann bekannt, sodass man sein Verhalten daran orientieren kann und von Kontrollen unbehelligt bleibt.

      Ein noch selteneres Ereignis ist ein Verkehrsunfall. Gerade dann wird wirklich polizeiliche Hilfe erwartet und in Anspruch genommen. Und gerade hier kann der Polizist viel Sympathie gewinnen oder verspielen.

      Ich muss dabei immer an die Erzählungen eines längst verstorbenen Onkels denken. Anfang der 1960er Jahre fuhren er, seine Frau und seine Tochter im Spätherbst mit einem Opel Kadett von Heidelberg nach Mannheim. Es war neblig und die Sicht war sehr schlecht. Kaum auf der Autobahn, ereignete sich vor ihm ein Auffahrunfall, der in der Nebelküche eine Massenkarambolage auslöste. Er konnte zwar noch mit Vollbremsung auf den Grasstreifen in der Mitte ausweichen, als ihm schon von hinten der Nächste ins Fahrzeug prallte. Für kurze Zeit hörte man nur noch die krachenden Einschläge im Nebel. Es gab Tote und viele Verletzte bei diesem Unfall. Es war nasskalt. Die Beteiligten standen unter Schock. Beim Warten auf die Polizei waren alle ziemlich durchgefroren. Der aufnehmende Polizeibeamte, der sich um den Onkel und dessen Familie kümmerte, hat alles richtig gemacht. Er nahm den Unfall so professionell und empathisch auf, dass er in dieser Ausnahmesituation einen bleibenden Wert schuf. „Der Wachtmeister war großartig, er verstand sein Geschäft“, bekräftigte der alte Herr seine Erinnerung an den viele Jahrzehnte zurückliegenden Unfall, von der er immer wieder bei entsprechender Gelegenheit berichtete.

       Die Veredelung des Schutzes privater Rechte

      Bei der Außenwahrnehmung der Polizei kommt es natürlich auch auf die besonderen Einflüsse der Region, der Menschen und deren Mentalität an.

      Um den in der „Kurpfalz“ verwurzelten Verkehrspolizisten und sein Umfeld kennen zu lernen, reduziere ich nun alle Betrachtungen auf meine Heimatregion rund um Heidelberg und Mannheim – und nicht alles hat dabei Platz auf der Goldwaage.

      Und um die Aktualität zu wahren, beleuchte ich die Verkehrsprobleme und Unfallgefahren in meiner Zeit als Verkehrspolizeichef von 2014 bis 2019, angereichert mit notwendigen Rückblenden.

      1http://www.rechtslexikon.net/d/grundrechtsschranken/grundrechtsschranken.htm

      2https://www.bast.de/DE/Verkehrssicherheit/Publikationen/Veranstaltungen/U-Russisch-Deutsche-Konferenz-2010/Moenninghoff-Vortrag.pdf?__blob=publicationFile&v=1 a.a.O.zu Verbundstrategie

      3§2 Absatz 2 PolG BW http://www.landesrecht-bw.de/jportal/;jsessionid=BE0DCF23A8EC5B1E251ED287792B1C1A.jp81?quelle=jlink&query=PolG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-PolGBW1992pP2

      Kapitel 1: Kurpfälzer Eigenheiten

       Vom Einfluss der Region

       Vom Einfluss der historischen Entwicklung

       Vom Einfluss der Mentalität auf das Handeln

       Nicht allein das Angeborene, sondern auch das Erworbene ist der Mensch. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

       Kurpfälzer Eigenheiten

      Zum 1. Januar 2014 vollzog der damalige SPD-Innenminister Reinhold Gall eine umfassende Polizeireform. Aus 37 Polizeidirektionen in Baden-Württemberg wurden zwölf Flächenpräsidien gebildet. Für die Städte Heidelberg und Mannheim und den Rhein-Neckar-Kreis wurden die Polizeidirektion Heidelberg und das Polizeipräsidium Mannheim verschmolzen. Der Sitz des Präsidiums ging nach Mannheim.

      Ich erhielt als erfahrener Verkehrspolizist den Auftrag, die größte Verkehrspolizeidirektion im Land zu planen. Zum Fusionsstichtag wurde ich dann auch mit der Wahrnehmung der Führungsaufgaben beauftragt. Da ich die achtziger und frühen neunziger Jahre beruflich in Heidelberg verbracht hatte und die meisten der älteren Kollegen noch kannte, sollte mir die Aufgabe nicht schwerfallen.

      Allerdings wusste ich als „Einheimischer“, dass da nicht nur durch die vielfach ungeliebte Zwangsehe der Fusion ein Graben quer durch die Beamtenschaft verlief.

      Nein, da gibt es auch eine unsichtbare Mentalitätsgrenze, die irgendwo zwischen Mannheim-Seckenheim und Heidelberg-Wieblingen verlaufen muss und die häufig in der Interaktion zwischen Heidelbergern und Mannheimern als Membran wirkt. Manchmal ist sie durchlässig, manchmal auch nur semipermeabel und manchmal wirkt sie als starre Mauer.

      Was ist das, was die Heidelberger und die Mannheimer trotz gleicher Geschichte und Herkunft doch manchmal so grundverschieden erscheinen lässt?

      Als gebürtiger Heidelberger, der sich in Mannheim sehr wohl fühlt, habe ich durch fünfundzwanzigjährige Erfahrungen natürlich auch eine plausible Erklärung entwickelt.

      Um die Ursachen zu ergründen, muss man in die Geschichte der Region eintauchen.