Pepi, lass mi eine ...!. Peter Elstner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Elstner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная прикладная и научно-популярная литература
Год издания: 0
isbn: 9783904123181
Скачать книгу
ja a Wahnsinn, hearst. De Trotteln!«, mit schriller Stimme – durch diese Eindringlichkeit konnten sich die TV-Zuschauer in seine Lage noch mehr hineinfühlen. Erst nach drei endlos anmutenden Minuten wurde er aus seiner furchtbaren Lage befreit, als der Servicewagen mit einem Ersatzrad kam. Rudi gewann die Rundfahrt trotzdem. Was von diesem Rennen in Erinnerung blieb: Sein verzweifeltes, rumpelstilzhaftes Auf- und Abspringen am Straßenrand mit dem ausgebauten Hinterrad in der Hand. Ein »normaler« Toursieg wäre schon nach ein paar Tagen vergessen gewesen …

      Das nächste Beispiel kommt aus dem Nordischen Lager und ereignete sich in den 1980er Jahren. Da faszinierte ein Mann, aber …

      Er war unschlagbar. Er hatte den Weltcup gewonnen, die Vierschanzen-Tournee, auf fast allen Schanzen, die er bewältigte, Rekorde erzielt und – er war 1988 auch gerade auf dem besten Weg Richtung Olympische Spiele in Calgary (Kanada):

      Matti Nykänen, ein Genie auf Skisprung-Latten – aber nicht nur beim Skispringen. Einer, der alles allein mit seinem Gefühl machte, und dazu eine – allen anderen fehlende – Sensibilität für die Flugphasen, vom Absprung bis zur Weitenjagd der Endphase, hatte, was sein Genie ausmachte. Leider ist er viel zu jung, im Februar 2019, vom höchsten aller Sprungrichter in den Skisprunghimmel abberufen worden.

      Die Nummer Eins war er aber auch, wenn er nicht auf der Schanze auftrat, ein »gottbegnadeter Ziaga«, wie es so schön in unseren Breiten heißt, trinkfest und streitlustig, immer zu einer Rauferei bereit. Noch eine Nummer Eins hatte er sich umgehängt: den großen Schweiger. Es war schwierig, von ihm ein Interview zu bekommen, und wenn, dann gab er noch kürzere Antworten (wenn’s ging nur »ja« und »nein«) als sein Landsmann Janne Ahonen.

      Er gewann in Calgary alles – drei Goldmedaillen! Er war sicher der größte Star dieser Spiele –doch halt! Ein kleiner, eher unsportlich wirkender Brillenträger, für England akkreditiert, hatte als Skispringer mehr Aufmerksamkeit, mehr Schlagzeilen erhalten als Matti Nykänen.

      Eddie the Eagle, der »Adler« deshalb, weil er entdeckt hatte, dass er bei Olympischen Spielen im wahrsten Sinn des Wortes »mithüpfen« könnte, weil es noch keine Qualifikation gab. Normalerweise entschieden jeweils die Trainer, wer springen durfte – und Eddie hatte ja keinen!

      Eddie war bei seinem nationalen Skiverband gemeldet, hatte erst in Teenager-Jahren auf einem Hügel bei Gloucester Skifahren gelernt und tauchte auf einmal als Aktiver beim Training auf. Ein Scharlatan, ein Till Eulenspiegel des Skisprungs. Mit seiner, wie ich glaube, wohlüberlegten Absurdität (eigentlich warteten alle, dass er einen gröberen Bretzn reißen würde), weitsichtig, mit dicken Brillen, altem Material, schwer verständlichem Mut, lenkte er alle mediale Aufmerksamkeit auf sich, vom Mistelbacher Boten bis zur New York Times. Und die Fans feierten ihren Helden.

      Und obwohl er mit riesigem Abstand jeweils Letzter wurde, machte er mehr Schlagzeilen als der finnische Tripple-Olympia-Sieger Matti Nykänen. »Das darf ja nicht wahr sein«, so dachte Walter Hofer, der FIS-Verantwortliche, und das führte später zur Qualifikation von 50 Teilnehmern im 1. Durchgang und 30 im Finale.

      P. S.: Trotz seiner sportlichen Narretei bekam er mit, dass mit seinen Auftritten auch Geld zu verdienen war, und er hat damals dem Vernehmen nach mit seinen Einlagen rund 400 000 Pfund verdient. 2016 wurde seine Lebensgeschichte sogar verfilmt: »Eddie the Eagle«. Alles ist möglich.

      Unter diesem Aspekt, diesem Phänomen, dass Niederlagen, Pech, Schicksalsschläge oder auch eigenartige Zufälle oft mehr Bekanntheit nach sich ziehen als der normale Erfolg, habe ich diesem Buch seinen Titel gegeben.

       Ihr Peter Elstner

      4

      Warum, Pepi?

      Ich genierte mich. 60 000 Zuschauer im Praterstadion pfiffen am 15. November 1989 wie wild, als die österreichische Fußballnationalmannschaft zum Aufwärmen aufs Spielfeld kam. Die Zuschauer pfiffen beim »Match des Jahrhunderts« – obwohl sie eigentlich gekommen waren, um ihre Mannschaft im letzten, alles entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR für Italien 1990 siegen zu sehen. Und jetzt diese Pfiffe!

      Als dann die Spieler einzeln vorgestellt wurden, verdreifachte sich das Pfeifkonzert, als Toni Polsters Name aufgerufen wurde. Er hatte in der letzten Zeit leistungsmäßig nicht das zustande gebracht, was seine Anhänger von ihm mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit erwarteten. Ich schämte mich für jeden Zuschauer – so unfair darf man keinem Sportler gegenüber sein, absichtlich hat der Toni sicher nicht danebengezielt.

      Das sogenannte Schicksalsspiel sollte also in wenigen Minuten beginnen, und da ich unten auf der Laufbahn stand, spürte ich auch förmlich den Druck, der auf den Spielern und auf Teamchef Josef »Pepi« Hickersberger physisch und psychisch lastete.

      In den Vorschauberichten der Zeitungen war dieses Spiel unglaublich hochstilisiert worden: Dass die Mannschaft von Hickersberger einfach siegen musste, war offenbar eine Selbstverständlichkeit für die Fans; und anscheinend auch für die Journalisten.

      Ich hatte dies nur aus der Ferne wahrgenommen, weil ich im Ausland war und nach all der Hysterie vor dem Spiel keine Ahnung hatte, wie die Vorberichte meiner Kollegen im TV ausgerichtet waren. Ich wusste nur, dass ich 2,5 Stunden vor Spielbeginn im Stadion sein musste und gleich nach dem Match Live-Interviews von der Laufbahn und aus den Kabinengängen machen sollte.

      Ich hoffte, dabei Erfreuliches berichten zu dürfen, weil dass wir über die DDR »hinwegfahren« würden, war ja kaum zu erwarten.

      An dieser Stelle muss man aber zurückblenden: Mit Teamchef Josef Hickersberger hatte ich ein gutes, ja freundschaftliches Einvernehmen. Das lag auch sicher daran, dass der »Pepi« ja lange Zeit (3 Jahre) in der ORF-Teletext-Redaktion gearbeitet hatte und wir einander im ORF-Zentrum öfters getroffen hatten. Außerdem hatte uns auch die österreichische Fußball-Journalisten-Auswahl von Hans Hofstätter zusammengeführt – der gute »Hicke« konnte hier mitspielen, weil er eben auch als Sportredakteur beim Teletext tätig war.

      Diese Truppe hat im Laufe ihres Bestehens auf allen Kontinenten in über 100 Ländern gespielt – von Brunei über den Vatikan und von Grönland bis Bora Bora.

      Pepi und ich waren die ältesten in dieser Mannschaft, und so war’s eigentlich klar, dass wir bei den Fußball-Reisen ein Zimmer teilten. Da kommt man natürlich ins Reden, das Vertrauen zueinander steigt. Und daher war Fußball klarerweise immer ein Gesprächsstoff.

      Ich kann mich noch gut erinnern: Auf einem Fußball-Trip in Malta spielten wir gegen die Reservemannschaft von Sliema Wanderers (einem dortigen Erstdivisionär) und gewannen 2:1 – Hicke verschoss dabei einen Elfer, aber erzielte auch den Siegestreffer. Das Spiel war in den Schlussminuten hektisch und hart geführt worden. Es gab einige Reibereien zwischen den Spielern, unter denen sich auch mein Sohn Alexander befand. Er hatte gegen seinen »Mann«, einen kleinen, flinken Gegenspieler, schon während des Spiels Schwierigkeiten, weil der Malteser ununterbrochen stänkerte. Als wir das Spielfeld Richtung Kabinen verließen, kam es plötzlich zu Handgreiflichkeiten zwischen den beiden, der Gegenspieler hatte Alexander zu Boden gedrückt, und plötzlich – ich weiß gar nicht, wie ich das gemacht hatte – kniete ich über dem Linksaußen, hatte ihn beim Kragen und rief immer wieder: »Don’t hold my son!« Die etwas besonnenen Spieler, unter ihnen auch Hicke, rissen mich von dem Stänkerer weg. Langsam kalmierte sich die Situation.

      Nach dem Abendessen war natürlich das Match Thema Nummer eins, und als wir endlich in unsere Zimmer gingen, diskutierte ich noch im Zimmer mit Pepi über die möglichen Facetten eines Fußballspiels.

      Unter anderem kamen wir zu der Frage »Teambetreuung, das Verhältnis zwischen Presse und Sportler, über die Neugierde und Zudringlichkeit der Journalisten«. Dabei wurde auch die Frage aufgeworfen, ob man Sportreportern erlauben solle, nach einem Match in die Kabine zu kommen.

      Was früher möglich war – ich stand beispielsweise im Wiener Stadion beim Europacup-Finale 1964 Real Madrid gegen Internationale Mailand in der Kabine des Siegers Inter (3:1), machte mit Facchetti, Mazzola, Suárez & Co. Interviews, gerade dass ich nicht mit ihnen duschte –, ist heute unmöglich, auch weil