Die Geheimnisse von Paris. Эжен Сю. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Эжен Сю
Издательство: Bookwire
Серия: Große verfilmte Geschichten
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955012137
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um eine Erfindung von mir handeln, das Elfenbein, das wir zu den Fächerstäbchen brauchen, mit Maschine zu schneiden. Aber die Erfindung ist nicht mein alleiniges Eigentum. Um das Verfahren im großen auszuüben, bin ich auf einen Freund angewiesen. Wahrscheinlich will man sich des Modells von der Maschine zu bemächtigen suchen, das bei mir liegt. Durch meine Erfindung ist freilich eine Stange Gold zu verdienen.«

      »Der Lange und der Kleine sind also ..« – »Fabrikanten jedenfalls, bei denen ich in Arbeit stehe«, erwiderte Rudolf, »und die ich über meine Erfindung nicht habe unterrichten wollen.« – Da dem andern, mit dessen Verstand es nicht weit her war, wenn es sich um Entwirrung von Komplikationen handelte, diese Erklärung genügte, fragte ihn Rudolf, was er nun hier vorhabe?

      »Auf die Eule habe ich gewartet, die doch sicher zuerst an Ort und Stelle ist, und in der Absicht, zu erlauschen, was sie zu dem Langen sagen wird, weil ich mir nämlich gedacht habe, daß Ihnen das würde nützen können. Für die Zusammenkunft ist eine Stelle bestimmt worden, bloß, ein paar Schritte von hier entfernt, dort, wo sich die beiden Wege kreuzen. Von hier aus kann man ja die Ebene weithin übersehen, so daß es einem nicht entgehen kann, wer alles herkommt. Falls ich von der Unterredung nichts hören sollte, falle ich über die Eule her, zahle ihr die Gebühren aus, die ihr das Mädel noch für den ausgerissenen Zahn schuldig ist, und würge sie so lange, bis sie mir den Namen der Eltern des armen Kindes nennt ... Was meinen Sie zu diesem Plane, Herr Rudolf?« – »O, er will mir schon gefallen, aber das Mädchen an der alten Hexe zu rächen, gäbs noch ein besseres Mittel, das ich dir später sagen will. Vorderhand möchte ich wissen, ob du mir einen wirklichen Dienst erzeigen willst?« –

      »Nun, heraus mit der Sprache, Herr Rudolf!« – »Kennt dich die Eule?« – »Nein. Ich Hab sie zum ersten Male gestern in der Kaschemme gesehen.« – »Nun, so meine ich: du versteckst dich, kommst aber, wenn sie ganz nahe ist, aus deinem Loche heraus und siehst zu, daß du sie daran verhindern kannst, mit dem Langen zu reden. Wenn er sieht, daß sie nicht allein ist, wird er sich nicht herangetrauen, und sollte er dennoch kommen, so weichst du nicht von ihrer Seite. Auf diese Weise wird er ihr nicht mitteilen können, was er von ihr will.«

      »Wenn der Mann Späne macht, nun, dann weiß ich, wie ich mich zu verhalten habe, denn er ist weder ein Bakel, noch ein Herr Rudolf ...« »Nun, ich kenne den Mann, mein Lieber, und kann dir versichern, daß er sich nicht an dir reiben wird.« »Sollten sie ein anderes Stelldichein verabreden, so wirst du es doch erfahren, weil du nicht von ihrer Seite weichen sollst. Im übrigen vermute ich, daß deine Anwesenheit hinreichen wird, ihn in gemessener Entfernung zu halten. Und wenn der Mann nicht da ist, dann suchst du die Eule kirre zu machen.« »Ich diese alte Hexe? Lieber prügle ich mich mit Bakel!« »Still! Die Eule wird natürlich fuchswild sein, daß ihr ein so fetter Bissen entgeht. Du versicherst ihr dafür, daß dir ein noch besseres Geschäft für sie bekannt wäre, bei dem gar viel zu verdienen wäre, wenn Bakel mit von der Partie sein wollte. Du wartest, sagst du, bloß noch auf einen guten Freund, mit dem du dich auch hier hättest treffen wollen. Eine Stunde lang laß sie warten. Dann sagst du ihr, dem Freund müsse doch wohl etwas dazwischen gekommen sein, und so leid es dir tue, müßtest du sie bitten, morgen in aller Frühe zusammen mit Bakel wiederzukommen. Verstehst du?« »Gewiß, Herr Rudolf.« »Um zehn Uhr abends komm sodann an die Ecke, wo sich die Elysäischen Felder mit der Allee des Veuves schneiden.«

      »Sollts eine Falle sein, Herr Rudolf, dann nehmen Sie sich ja in acht. Bakel ist ein hämischer Teufel. Sie haben ihm ein paar böse Püffe versetzt. Beim geringsten Verdacht können Sie sein Messer zwischen den Rippen fühlen. Doch jetzt kein Wort weiter! Ich sehe dort unten einen weißen Punkt aufschimmern. Ich vermute, es ist die Haube des Satans. Gehen Sie! Gehen Sie! Ich krieche wieder in mein Kellerloch.« »Und heut abend in der zehnten Stunde ...« »An der Stelle, wo sich die Allee des Veuves mit den Elysäischen Feldern schneidet ... Ganz recht!«

      Den letzten Teil der von den beiden Männern geführten Unterhaltung hatte Marienblümchen nicht mehr gehört, sie saß schon wieder, ihres ihr nachfolgenden Begleiters harrend, in dem Fiaker.

      Zehntes Kapitel. Die Meierei.

      Rudolf verharrte nach dieser Unterhaltung eine Weile im ernsten Nachdenken. Das Mädchen getraute sich nicht, ihn zu stören, sondern blickte tieftraurig vor sich hin. Endlich blickte Rudolf auf und sagte, freundlich lächelnd: »Wo sind Sie mit Ihren Gedanken? Es ist Ihnen gewiß nicht recht gewesen, daß Sie den Schuri hier trafen? Nicht wahr? Wir waren doch so lustig!« – »Im Gegenteil, Herr Rudolf, es ist mir recht lieb, daß wir ihn getroffen haben, kann er Ihnen doch von Nutzen sein!« – »Nun, befassen wir uns nicht weiter mit der Sache, meine Liebe! Mir sollte es schmerzlich sein, wenn ich Sie betrübt hätte, bin ich doch nur in der Absicht hierher gefahren, um Ihnen einmal einen fröhlichen Tag zu bereiten.«

      Je länger das harmlose Mädchen den Blick auf das stille, lachende Landschaftsbild gerichtet hielt, das sich vor ihren Augen ausbreitete, desto heller klärte sich ihr Gesicht wieder auf ... »Ach, Herr Rudolf«, sagte sie, »sehen Sie doch das kleine Feuer dort unten auf dem Felde. Gewiß haben dort Leute Kartoffelkräutich in Brand gesteckt. Wie der weiße Qualm aufsteigt! Und dann dort den Pflug mit den beiden Schimmeln davor! O, wenn ich ein Mann wäre, dann möchte ich nichts anderes sein als Landwirt. Es muß herrlich sein, mitten auf stillem Felde hinter dem Pfluge herzugehen, fern draußen den großen Wald zu sehen ... bei einem Wetter wie beispielsweise heute ..« »Nun, Kind, da du so artig bist«, sagte Rudolf scherzend, »wollen wir bis in die Meierei hinausfahren. Zu der Frau, die mich als Kind aufgezogen hat.« »O, wird das schön werden, Herr Rudolf! Da bekommen wir doch auch Milch?« »Natürlich, auch herrlichen Rahm, wenn Sie wollen, Butter von der besten Sorte und frische Tageseier.«

      »O, will ich da vergnügt sein, Herr Rudolf!«

      Aber da fiel ihr ein, daß der Tag zu Ende gehen und daß sie, wenn der Abend käme, wieder zurück in die Kaschemme werde wandern müssen, und daß ihr das schreckliche Leben nach dieser Abwechslung bloß noch schrecklicher vorkommen werde. Tief aufschluchzend bedeckte sie das Gesicht mit den Händen.

      »Was ist Ihnen denn, Marienblume?« fragte Rudolf verwundert, »was macht Ihnen denn so tiefen Kummer?«

      »Ach nichts, Herr Rudolf, nichts!« sagte sie, sich eine Träne aus den Augen wischend und ein mattes Lächeln versuchend, »seien Sie mir bloß nicht böse, daß ich betrübt bin! Es ist wirklich nichts, gar nichts ... es war bloß ein Einfall... Ich werde gleich wieder lustig sein.«

      Die Wolke leichten Trübsinns, die auf der Stirn des Mädchens stand, hatte sich schnell wieder verzogen. Marienblümchen wollte die Gegenwart genießen und sich mit der Zukunft nicht befassen.

      Bald sah man nun die Kirchturmspitze von Saint-Denis. Eine Weile hatten sie still nebeneinander gesessen, Dann fragte Rudolf plötzlich das Mädchen: »Marienblume! Haben Sie schon einmal einen Mann lieb gehabt?« »Noch nie in meinem Leben, Herr Rudolf!« erwiderte das Mädchen, zur Beteuerung die Hand aufs Herz legend. »Und warum noch nie?« »Sie haben doch die Menschen gesehen, die das Haus meiner Dienstherrin besuchen? Und um jemand sein Herz zu schenken, darf noch kein Makel auf einem haften.« »Und haftet denn auf dir ein Makel?«

      »Ich kenne doch meine Eltern nicht einmal, Herr Rudolf«, erwiderte sie schluchzend; »ach, Herr Rudolf, wenn ich Sie bitten darf, so sprechen Sie nicht weiter hiervon!« »Es sei, mein Kind! Laß uns von anderen Dingen sprechen ... Aber weshalb schauen Sie mich so ernst an? Ihre hübschen Augen füllen sich schon wieder mit Tränen. Habe ich Ihnen etwa weh getan?« »Nicht doch! Nicht doch!« sagte sie, »aber Sie sind so lieb und gut zu mir, daß ich weinen muß, auch wenn ich es nicht wollte! Und dann sagen Sie auch nicht Du zu mir, wie im Wirtshause all die Menschen, die dort aus- und eingehen. Sie haben mich ja auch bloß hierher gebracht, um mir eine Freude zu machen, und wenn ich froh und lustig bin, dann zeigt auch Ihr sonst so ernstes Gesicht einen freudigen Ausdruck. Und dann haben Sie gestern für mich beinahe Ihr Leben gewagt!«

      »Sie fühlen sich also heute wirklich glücklich?« fragte Rudolf. »Ich werde dies viele, viele Glück mein Leben lang nicht vergessen, Herr Rudolf! Habe ich doch nur wenig Freude gehabt