Und außerdem, Katharina? Hat nicht sie mich vier Jahre lang hingehalten und dabei voll ihre masochistischen Gelüste ausgelebt?
Wie kommen diese Leute dazu, mir zu sagen, ich soll mal meine wahren Gefühle zeigen?
Hallo?
Ich bleibe neben dem Pool stehen und Katharina legt von hinten die Arme um mich.
„Hab dich! Wo wolltest du denn hin? Kann es sein, dass du ein wenig sauer bist?“
„Ja!“
„Mein armer Schatz, alle hacken ständig auf dir herum. Aber, und das meine ich jetzt mal ernst, vielleicht hat es was zu bedeuten, wenn mehrere Leute dir ab und zu sagen, dass du deine wahren Gefühle ganz gut verbergen kannst.“
Ich sehe sie an und renke mir dabei fast das Genick aus. „Ich kann doch mit meinen Gefühlen machen, was ich will?“
„Das schon. Nur solltest du dich dann halt nicht über die Reaktionen wundern.“
„Ich bin im Moment eben etwas dünnhäutig“, sage ich seufzend.
„Weiß ich doch. Aber gerade du musst ein bisschen aufpassen, und im Moment übernehme ich das für dich.“
„Wieso?“, erkundigt sich meine Mutter, denn meine Eltern sind auch auf die Terrasse gekommen.
„Weil sie sehr mächtig ist, viel mächtiger als andere Krieger.“
„Katharina!“
„Was denn? Deine Eltern sollten das wissen.“
„Was sollten wir wissen?“, fragt meine Mutter verwundert. „Wir wissen, dass sie unsterblich ist, schnell, stark. So wie Nilsson, John oder eben dieser Vampir.“
Ist lustig, wie Michael alle etwas irritiert. Ich weiß ja, dass meine Mutter ihn inzwischen sogar mag, aber sich nicht so richtig an seine Daseinsform gewöhnt hat.
„Fiona kann weit mehr als andere Krieger“, bemerkt Katharina, dabei hält sie mich nach wie vor fest. Unbemerkt von den anderen schiebt sie eine Hand mitsamt T-Shirt langsam unter meinen Schlüpfer. Dieses Biest!
Ich flüstere ihr ins Ohr: „Wenn du so weiter machst und ich auslaufe, sehen es alle, denn dann läuft es an meinen Beinen hinunter.“ Und stecke ihr die Zunge ins Ohr.
Das wirkt, sie zieht die Hand wieder aus meinem Schlüpfer.
„Was genau bedeutet weit mehr?“, hakt mein Vater nach.
„Das würde mich auch interessieren“, sagt Helena, die es sich auf einer Liege gemütlich gemacht hat und uns aufmerksam zuhört. Vielleicht hat sie auch das mit der Hand mitbekommen. Eh egal.
„Willst du es nicht zeigen?“
Ich mustere Katharina, dann löse ich mich aus ihrer Umarmung und beschließe, selbst sie zu schocken. Denn auch sie weiß nicht alles. Dass ich fliegen kann, ist ja schön und gut, aber das kann ich nicht, weil die Erde kaum Dichte hätte, sondern weil ich die Illusion manipulieren kann. Und das eröffnet noch ganz andere Möglichkeiten, wie ich mit der Zeit rausgefunden habe.
Ich stelle mich ganz an den Rand des Beckens und strecke einen Arm aus. Fast genau darunter bildet sich im Wasser ein Wirbel, der immer stärker wird, bis schließlich das Wasser nach oben steigt. Wie eine Schlange aus Wasser wächst es nach oben, umfließt meine Hand und windet sich spiralförmig an meinem Unterarm entlang, bis zum Ellbogen, und fließt von dort wieder zurück in das Becken.
„Cool!“, entfährt es Jody.
Katharinas Reaktion fällt etwas verhaltener aus: „Okaaaay … Damit schaffst du es, sogar mich zu überraschen.“
Ich schenke ihr ein Lächeln. „Ich weiß.“
Dann betrachte ich meine Eltern, die mich beide mit offenem Mund anstarren.
„Wie geht das denn?“, fragt schließlich mein Vater.
„Nun, die Illusion ist Realität und Realität ist Illusion. Und wer das wirklich weiß, und ich musste das lernen, der kann die Illusion und damit die Realität beeinflussen. So funktioniert jede Art von Magie. Ich muss noch viel lernen, aber das, was ich bereits kann, ist gut für 'Ohs' und 'Ahs'.“
„Willst du nicht verraten, dass du auch fliegen kannst?“
„Fliegen?“, echot meine Mutter.
„Ja. Hast du dich gar nicht gefragt, wieso ich so schnell da war und das auch noch ohne Auto?“
„Hm“, macht mein Vater.
„Der Gedanke ging mir mal durch den Kopf, aber ich habe ihn nicht weiter verfolgt.“
„Nach dem Telefonat mit Zanda war mir, ehrlich gesagt, alles egal, deswegen bin ich einfach aus dem Bürofenster gesprungen und hierher geflogen.“
„Das ist noch viel cooler als die Wasserschlange“, stellt Jody fest. „Wie lange weißt du das denn schon?“
„Ich habe es entdeckt, als Sorned mich aus der dreißigsten Etage geworfen hat. Er hatte angekündigt, mich danach endgültig zu töten und das hätte ich nicht verhindern können, wenn ich als Fettfleck unten herumgelegen hätte. Die Kraft der Verzweiflung half mir, die Illusion so stark zu beherrschen, dass ich ungefähr einen halben Meter über den Pflastersteinen zum Stehen kam. Beziehungsweise zum Schweben.“
„Oh“, sagt meine Mutter nur.
„Das klingt nach einem sehr eindrücklichen Erlebnis“, bemerkt mein Vater. „Aber was genau meinst du mit endgültig töten?“
„Es gibt eine Möglichkeit, jedes Wesen endgültig und unwiderruflich aus diesem Universum zu entfernen. Da hilft dann auch keine Unsterblichkeit mehr. Ich werde nicht verraten, wie das geht, euch würde dieses Wissen sowieso nichts bringen.“
„Und du hast dann den Spieß umgedreht?“ Mein Vater ist gefährlich. Er nutzt seinen Verstand gerne und effizient, das ist mir öfter aufgefallen, seitdem ich ihn nicht mehr hasse.
„Ja, ich habe Sorned ein für alle Mal entfernt.“
Ich betrachte die Wasserschlange, dann lasse ich sie wieder in das Becken gleiten.
„Okay, mehr Zaubertricks gibt es vielleicht später. Und ja, Katharinas Sorge ist nicht unberechtigt. Aber du beschützt mich und die anderen ja, oder?“ Ich gebe ihr einen Kuss auf den staunenden Mund.
„Ich versuche es.“
„Nicht versuchen. Tue es oder lass es.“
„Das ich werde“, erwidert sie grinsend.
„Bestens! Und was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Tag?“
„Bleibt doch einfach noch bis morgen hier“, schlägt meine Mutter vor. „Natürlich nur, wenn das nicht zu viel für dich ist, Kind.“
„Es geht schon. Oder auch nicht. Aber das hängt nicht davon ab, ob ich hier bin oder bei Katharina.“
„Gut. Übrigens, hast du dir schon Gedanken gemacht, wo du wohnen wirst? Dein Zimmer hier ist ja noch da.“
„Mama.“ Ich nehme ihre Hände und sehe ihr tief in die Augen. „Mama, das ist wirklich lieb von euch. Aber wenn Katharina es erlaubt, werde ich bei ihr wohnen.“
„Blöde Frage!“, kommt es von hinten.
„Aber es ist so weit weg!“
„Ist es nicht. Natürlich weiter weg als nebenan, aber keinesfalls aus der Welt. Und ihr kennt den Weg.“
„Ja, kennen wir.“ Sie seufzt. „Ich schätze mal, das ist vielleicht ganz gut so, wenn sie immer da ist, um auf dich aufzupassen.“ Sie legt den Zeigefinger auf meinen Mund. „Lass deiner alten Mutter ihre Marotten.“ Ich denke an den vollen Kleiderschrank oben und nicke. „Okay, also ich werde mich jetzt ein wenig hinlegen,