Sarah Penrose. Priska M. Thomas Braun. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Priska M. Thomas Braun
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783907146828
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mehr verwöhnt als die lebhaften Zwillinge.

      «Darf ich dir wenigstens beim Packen helfen?», fragte Sarah. «Max und Maurice brauchen Kleider und ihre Plüschtiere.»

      Während Izzy und die Zwillinge in Manhattan und Jessica und Jens in Sarahs Obhut waren, arbeiteten Rudi und Susanne beinahe Tag und Nacht. Die Bohnenstange im Dirndl, wie Hannes die Hotelsekretärin heimlich nannte, hatte an Gewicht zugelegt. Von einem Tag auf den anderen ging im Haus das Gerücht um, sie sei schwanger.

      «Der Chef de Service meint, dass Rudi der Vater wäre», raunte Brigitte Sarah zu, als die beiden wieder einmal beim Pizzaessen waren.

      «Ich weiss nicht, ob das stimmt», wandte Sarah ein. Sie wollte nicht zu dem Geschwätz beitragen. «Er ist Susannes Chef und zudem verheiratet.»

      «Eben», sagte Brigitte und wechselte das Thema, als zwei Azubis vom zweitbesten Hotel am Ort das Lokal betraten und auf ihren Tisch zusteuerten.

      Als Izzy zum Schulbeginn ihrer Kinder noch immer bei ihren Eltern in Manhattan weilte und keiner wusste, für wie lange noch, fasste sich Sarah ein Herz und fragte Rudi, wann genau er sie zurückerwarte.

      «Ich weiss es nicht», sagte er. «Ich hoffe, bald. Aber Izzy hängt extrem an ihren Eltern und Brüdern, und dieser Todesfall hat der gesamten Familie zugesetzt. Ihre Oma war eine aussergewöhnliche Frau.»

      «Aber …» setzte Sarah an. Sie sah noch immer Izzy vor sich, wie sie am Tag vor ihrer Abreise mit rotgeränderten Augen und zitternden Händen ein paar wenige Kindersachen packte. Wie sie ihr dabei erzählt hatte, dass ihre Oma als Mädchen in Frankfurt missbraucht worden war, und nun ihre Erlösung gefunden habe. So schrecklich diese Geschichte auch war, so hatte Sarah doch gespürt, dass die Niedergeschlagenheit ihrer Chefin nicht nur darauf zurückzuführen war. Doch sie hatte nicht nachgefragt.

      «Jens und Jessica vermissen ihre Mutter», murmelte sie mehr zu sich als zu Rudi. Beim Frühstück hatte sich Jessica mit dem Messer, das sie abschleckte, in die Zunge geschnitten, und Jens war, als er das Blut sah, vor Aufregung aus seinem Hochstuhl gerutscht. Rudi wusste nichts davon, und sie wollte ihm ihre momentane Überforderung auch nicht eingestehen. Ihre Aufgabe hatte sich schliesslich nicht geändert. Rudi hatte Karin zum sporadischen Kinderhüten vom Service freigestellt, damit Sarah ihre Ruhezeiten einhalten konnte. Er hatte scheinbar alles im Griff.

      «Lass uns abwarten. Sie wird sich melden», sagte er. «Bitte rufe sie nicht an. Wenn du Probleme mit den Kindern hast, wendest du dich an mich.»

      Eine Woche nach dem Gespräch flog Rudi nach New York zu einem Gastronomentreffen. Sarah vermutete, dass das Meeting ein Vorwand war. Er wollte seine Frau zurückholen. Sarah war derweil alleine mit den Kindern. Schon am ersten Tag stürzte Jens unglücklich vom Klettergerüst, und sie fragte sich, ob sie ihn tagsüber nicht besser im Zwergenhort abgeben sollte, damit die Kindergärtnerin die Verantwortung für ihn trug. Ein Hotelangestellter hatte sie mit Jens zum Arzt gefahren, der die Platzwunde nähte. Nun, mit zum Teil abrasierten Haaren und seinem runden, roten Kinderpflaster auf dem Kopf, sah das Kind aus wie ein kleiner Punk. Doch seit dem Sturz wollte er sich nicht mehr von Sarah trennen. Er klebte förmlich an ihr, hatte plötzlich begonnen, zu fremdeln. Sogar bei Karin, die ihn mit Süssigkeiten zu trösten versuchte.

      Sarah hatte sich immer über die Offenheit der Kinder gefreut; über ihre Unbefangenheit, mit der sie auf Fremde zugingen und auch über die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich von den Angestellten und den Gästen verwöhnen liessen. Hier gab es eine Zärtlichkeit oder gar ein Eis von einem Mitarbeiter; dort ein Plüschtier oder ein Holzspielzeug von einem Stammgast.

      Die Welt der Kinder war solange in Ordnung gewesen, wie sich Sarah in der Nähe aufgehalten hatte und die Eltern regelmässig nach ihnen schauten. Doch das war vorbei. Ende Woche kam Rudi Rothfuss alleine zurück, mit der Nachricht, dass er und Izzy sich scheiden lassen würden.

      «Unglaublich. Izzy wird mit Mäxle und Mo in Amerika bleiben», rapportierte Sarah Hannes’ Eltern. Sie konnte die Nachricht nicht für sich behalten bis sie Hannes wieder sah. Doch anrufen wollte sie ihn auch nicht.

      Ihr Chef hatte sie gestern Abend zu sich ins Wohnzimmer des Apartments gebeten und ihr ein Glas von seinem teuren Rotwein angeboten.

      «Es tut mir leid, Sarah. Meine Frau kommt nicht zurück. Weder sie noch die Zwillinge. Die drei bleiben in New York, bei den Jacobs, ihrer Familie.»

      «Aber, das kann doch nicht sein!», hatte sie erschrocken erwidert und Rudi gefragt, ob dies denn legal sei. Kinder vorübergehend mit ins Ausland zu nehmen und sie nicht zurückbringen.

      «Izzy und ich haben es so vereinbart. Susanne wird zu mir ziehen. Sie erwartet mein Kind und wird auch Jessica und Jens eine gute Mutter sein.»

      Sarah hatte der Mund offen gestanden. «Aber …», hatte sie erneut angesetzt, doch nichts einzuwenden gewagt. Ihr war gewesen, als hätte Rudi sie geschlagen. Doch der grosse, selbstsichere Mann sass vornübergebeugt, so, als trage er das ganze Elend dieser Welt auf seinen breiten Schultern.

      Dafür war er es gewesen, der die neue, in Sarahs Augen folgenschwere Situation ausgelöst hatte. Sie dachte an seine Flirts mit Susanne, daran, wie unglücklich Izzy gewesen war. Bisher hatte Sarah alles verdrängt. Sie war nach den langen Tagen mit den Kindern zum Nachdenken zu müde gewesen. Lieber hatte sie ihre Nase in ein Buch gesteckt oder einen Film angeschaut.

      Jetzt sass sie mit Gustav und Emma in deren Wohnung und vertraute sich ihnen an. Sie fühlte sich elend.

      «Rudi Rothfuss wird Jens und Jessica hier behalten und sie zusammen mit seinem neuen Kind erziehen. Susanne ist also tatsächlich in Erwartung. Die Geburt sei im Dezember fällig, sagt Brigitte. Ist das nicht verrückt?»

      Emma, Hannes’ Mutter, nickte bedächtig und servierte Sarah einen Cappuccino, während ihr Mann Gustav allerlei andere, ähnlich wilde, Familiengeschichten vom Ort erzählte.

      «Ich will nicht für Susanne arbeiten. Obwohl Rudi mir versichert hat, dass mein Vertrag weiterläuft. Er schätze mein Verantwortungsbewusstsein. Über Jens’ hässlichen Kurzhaarschnitt hat er nur gelächelt und gemeint, kleine Jungs fielen von Zeit zu Zeit auf die Nase. Das sei normal. Ich solle mir keine Vorwürfe machen, sondern mich weiterhin gut um die Kinder kümmern.»

      «Ja, sie brauchen dich jetzt mehr als zuvor. Bis diese Susanne ihr Baby kriegt, dauert es noch. Überstürze nichts. Warte einmal ab, was Hannes am Wochenende dazu meint», beruhigte Gustav sie, und Emma nickte erneut. Sarah vermutete, dass Gustav an seinem Stammtisch im Ochsen noch einiges mehr zum Thema erfahren würde.

      Hannes verbrachte das Wochenende im Schwarzwald, und zwischen ihm und Sarah gab es kein Thema ausser Rudi und Izzys bevorstehende Scheidung.

      «Es weiss es schon halb Fleckenbronn. Manchmal habe ich den Eindruck, die tratschen hier alle», sagte sie abschätzig.

      «Nun, der Ort hat jedenfalls seinen Skandal, die Vögel pfeifen es von den Dächern, und du navigierst im Auge des Taifuns», lachte Hannes.

      «Ich finde es überhaupt nicht lustig, mitten drin zu stehen. Ich frage mich, was in den Personalräumen des Hotels, im Café Frey und an den Stammtischen alles gemunkelt wird.»

      «Da musst du durch. Wenn es dir zu viel wird, kannst du jederzeit zu meinem Eltern flüchten.»

      «Stimmt. Emma und Gustav sind so etwas wie ein ruhender Pol. Doch ich kann nicht verstehen, wie Rudi die Kinder so auseinander reissen kann. Jessica bekommt einiges mit. Jens gottlob noch nicht.»

      «Es braucht immer beide Eltern dazu», wandte Hannes ein. «Izzy muss einverstanden sein. Sonst ginge das nicht. Jedenfalls nicht so einfach.»

      «Hör mal. Er ist schuld. Er hatte diese Affäre mit Susanne. Und die blöde Gans packt die Gelegenheit und wird schwanger.»

      «Sarah, das kann passieren. Was hast du gegen Susanne?»

      «Nichts. Ich habe nichts gegen sie. Doch sie hat mir von Anfang an zu verstehen gegeben, das ich nur das Kindermädchen bin. Dazu eine Ausländerin, leicht bedeppert, weil ich ihren schwäbischen Dialekt