Die Sendung arbeitet generell folgendermaßen: Die weltweite Einflussnahme des Westens wird verniedlichend erwähnt, aber nicht kommentiert. Wenn aber andere Länder wie Russland, China oder der Iran in ihrer Region Interessen verfolgen, wird das ausführlich kommentiert und in ein negatives Licht gestellt. Das konnte man in praktisch allen Sendungen von „Mit offenen Karten“ beobachten.
Und so auch in dieser Sendung. Laut Arte hat Kasachstan sich zu einer mehrgleisigen Politik zwischen den drei Weltregionen Russland, China und dem Westen entschieden, „das soll auch dazu beitragen, dass sich das Land ein wenig dem russischen Druck entziehen kann, denn Russland hat nicht erst in jüngerer Vergangenheit ein Auge auf die Region geworfen“. Wieder der Hinweis auf das böse Russland, ohne den es in den meisten Folgen der Sendung nicht geht.
Dann geht es um die Geschichte Kasachstans. Die Bevölkerung der Kasachen bestand aus Nomaden, und das russische Zarenreich begann im 19. Jahrhundert, das Land zu kolonisieren. Allerdings nicht, indem es die Kasachen militärisch unterdrückte, sondern indem dort Bauern aus Russland und der Ukraine angesiedelt wurden, die das Land bestellten.
In der Zeit der Sowjetunion hatte Kasachstan kein leichtes Schicksal. Stalin deportierte ganze Volksgruppen dorthin, zum Beispiel auch die Wolgadeutschen. Auch Atomtests führte die Sowjetunion in der menschenleeren Steppe Kasachstans durch. Und der Weltraumbahnhof Baikonur, den Russland seit Kasachstans Unabhängigkeit 1991 gegen Mietzahlungen an Kasachstan weiterhin nutzt, wurde ebenfalls in Kasachstan gebaut.
Nach der Unabhängigkeit 1991, so behauptet Arte, musste sich Kasachstan „dem Einfluss Russlands entziehen“. Das mag man so sehen, allerdings besteht die Bevölkerung Kasachstans aus Kasachen, fast einem Viertel Russen und noch vielen kleinen Minderheiten. Da Kasachstan in der Vergangenheit nie ein unabhängiger Staat gewesen ist, sondern lange von den Mongolen beherrscht wurde und später zu Russland gehörte und die Kasachen als Nomaden keine Bildung oder Schrift hatten, wurden sie erst unter der Sowjetunion alphabetisiert. Das schaffte bei den Kasachen zwangsläufig eine kulturelle Nähe zur russischen Kultur, ob man das nun gut findet oder nicht.
Entsprechend sind Kasachisch und Russisch offizielle Amtssprachen, und obwohl die Mehrheit im Land Kasachen sind, ist die Verkehrssprache Russisch. Russisch ist so tief bei den Kasachen verankert, dass sie ihre Geschäfte auf Russisch betreiben.
Dann kommt die Sendung zur Wirtschaft und stellt fest, dass Kasachstan Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion ist, die „von Russland im Mai 2014 ins Leben gerufen wurde. Die Mitgliedschaft ist ein Zugeständnis an den russischsprachigen Teil der Bevölkerung und man entgeht dadurch der Gefahr, mit Sanktionen bestraft zu werden, die Russland gegen ehemalige Sowjetrepubliken verhängen kann“.
Hier wurde nun, wie man es von der Senderreihe schon kennt, in zwei Sätzen gleich mehrfach gelogen. Zunächst einmal hat der kasachische Präsident Nasarbajew in Interviews immer wieder erzählt, dass er es lustig findet, dass die westlichen Medien es so darstellen, als ob Russland der Initiator der Eurasischen Wirtschaftsunion gewesen sei. Tatsächlich, und darauf scheint er recht stolz zu sein, war diese Wirtschaftsunion seine Idee, für die er dann Russland und andere ehemalige Sowjetrepubliken wie zum Beispiel Kirgistan oder Weißrussland begeistert hat. Aber das weiß im Westen ja niemand, man muss schon Russisch verstehen, um sich diese Interviews mit Nasarbajew ansehen zu können, denn die westlichen Medien stellen es anders dar und behaupten, diese Wirtschaftsunion wäre ein russisches „Machtinstrument“, was schon aufgrund des Aufbaus der Verträge Unsinn ist.
Auch wird nicht ersichtlich, von welchen Sanktionen in der Sendung gesprochen wird. Russland hat gegen keine ehemalige Sowjetrepublik jemals einseitig Sanktionen verhängt oder auch nur damit gedroht. Sanktionen sind ein Instrument der Staaten des Westens, nicht Russlands. Die einzige ehemalige Sowjetrepublik, gegen die Russland Sanktionen verhängt hat, ist die Ukraine. Aber auch da waren sie nur eine Reaktion auf zuvor von der Ukraine verhängte Sanktionen. Die Ukraine hat nach dem Maidan 2014 eine Unmenge an Sanktionen gegen russische Firmen erlassen, und Russland hat darauf geantwortet, allerdings mit weit weniger scharfen Sanktionen.
Es gibt kein Land, egal ob ehemalige Sowjetrepublik oder ein anderes Land, gegen das Russland einseitig und ohne Grund Sanktionen verhängt hätte. Die einzige Ausnahme für einseitige Sanktionen Russlands gegen ein anderes Land war für einige Monate die Türkei. Allerdings hatte die Türkei vorher ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen und sich geweigert, sich dafür zu entschuldigen und für den Schaden aufzukommen. Darauf hatte Russland mit harten Sanktionen reagiert, was wohl auch sehr gut war, denn Russland hat damit allen klar gemacht, dass es so etwas nicht akzeptiert. Eine schwächere Reaktion Russlands hätte dazu führen können, dass sich so etwas wiederholt, und man mag sich gar nicht ausdenken, was die Folgen gewesen wären, wenn plötzlich das Nato-Land Türkei und Russland in einen bewaffneten Konflikt geraten wären.
Doch auch diese Sanktionen waren nur von kurzer Dauer, denn sobald die Türkei sich schließlich entschuldigt und den Schaden inklusive Rente für die Witwen der Piloten bezahlt hatte, haben sich die Beziehungen wieder normalisiert, und ob es einem gefällt oder nicht, sind beide Länder nun politisch eng befreundet.
Aber Arte nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, es wirft einfach die Möglichkeit von russischen Sanktionen in den Raum, ohne dann darauf einzugehen. Der Zuschauer, der die Situation in den ehemaligen Sowjetrepubliken nicht kennt, glaubt danach wahrheitswidrig, dass Russland diesen Ländern mit Sanktionsandrohungen seinen Willen aufzwängt. Aber nein, in Wahrheit tun dies weltweit nur die Staaten des Westens, indem sie gegen jeden, dessen Politik ihnen nicht passt, Sanktionen verhängen. Doch dazu kein Wort bei Arte.
Der größte Handelspartner Kasachstans ist Russland, gefolgt von China. Um die Wichtigkeit des Westens darzustellen, werden in der Sendung die Länder der EU zusammengefasst, was sie dann zum größten Handelspartner Kasachstans macht. Das allerdings vor allem deshalb, weil Kasachstan einen Großteil seiner Rohstoffe in die EU verkauft, denn es liefert über das kaspische Meer Öl und Gas, und eine neue Pipeline über die Türkei nach Italien ist im Bau. Aber auch Metalle und natürlich Uran liefert das Land in die EU.
Dieser Rohstoffreichtum macht Kasachstan mit seiner relativ kleinen Bevölkerung zu einem recht reichen Land. So stellt Arte fest, dass es dem Präsidenten mit seiner geschickten Politik, sich niemanden zum Feind zu machen, sondern mit allen möglichst freundschaftliche Beziehungen zu pflegen, gelungen ist, die Armutsquote von 47 % auf 3 % und die Arbeitslosenquote von 10 % auf 5 % zu senken. Aber alle ehemaligen Sowjetrepubliken haben ein Problem mit Korruption, und auch in Kasachstan führt dieser Reichtum an Bodenschätzen zu einer sehr hohen Korruptionsrate.
Und dann schafft Arte eine überraschende Wende. Wurde bisher in der Sendung der seit 1991 herrschende Präsident ausschließlich gelobt und gerade festgestellt, dass Kasachstan praktisch keine Armut und Arbeitslosigkeit hat, heißt es nun plötzlich: „Von den Einnahmen profitiert nur der Präsident und sein Clan, denn er regiert sein Land mit harter Hand.“
Wie passt das zusammen? Profitiert nur der Präsident, oder hat das Land erfolgreich Armut und Arbeitslosigkeit zurückgedrängt? Diesen Widerspruch, den Arte selbst aufbaut, löst Arte nicht auf.
Tatsächlich ist beides der Fall: Den Menschen in Kasachstan geht es wirtschaftlich gut, vor allem, wenn man es mit den Nachbarländern vergleicht. Das Land wurde modernisiert, die Infrastruktur ist durchaus gut. Das weiß ich aus erster Hand, denn ich kenne viele Menschen, die aus Kasachstan nach Russland oder umgekehrt gegangen sind. Trotzdem dürfte genug übrig bleiben, damit sich die Eliten an den Bodenschätzen des Landes bereichern können. Darüber habe ich keine eigenen Informationen, aber es würde mich nicht wundern.
Die offene Frage ist, was nach Präsident Nasarbajew kommt, denn er herrscht seit 1991 ununterbrochen und