Eryn verstaute die Halskette in einer Umhängetasche und nahm sich die nächste Ruine vor. An den darauffolgenden drei Orten fand er nichts, doch in den Überresten eines alten Turmes hatte er erneut Glück und entdeckte ein Geheimfach, in dem sich mehrere Ringe und ein Handspiegel befanden. Er betrachtete sich darin und musste lachen, denn sein Spiegelbild hatte einen langen Bart.
Also den sollte ich mir nicht wachsen lassen. Der aufgeregte Ruf eines Vogels ertönte und Eryn sah sich um, ob von irgendwoher Gefahr drohte. Als er nichts weiter ausmachen konnte, sah er wieder in den kleinen Handspiegel. Der Bart war weg, doch diesmal hatte er lange gelockte Haare.
Ein unglaublich nützliches Artefakt, wie mir scheint, befand er und steckte dann den Spiegel und die Ringe zu der Halskette in die Tasche. Die Ringe sehe ich mir später an. Sind wahrscheinlich auch nicht überragend. Aber eine weitere Ruine habe ich mir für heute noch vorgenommen, dann ist mein Tagewerk getan.
Besagte Stätte ‚Ruine‘ zu nennen, war ein wenig irreführend, denn an dem Ort ragte nur ein einzelner unförmiger Stein in die Höhe. Es war jedoch offensichtlich, dass dieser vier Meter hohe Klotz keine Laune der Natur war und aus der Nähe betrachtet, sah man, dass der Monolith mit einem Muster aus wiederkehrenden Rauten, Kreisen und Strichen überzogen war.
Die Symbole ergeben keinerlei Sinn – zumindest nicht die Magie betreffend. Wahrscheinlich sind sie bloß reine Dekoration. Eryn rätselte weiter über die Bedeutung des Monuments und kam schließlich zu dem Schluss, dass es sich hier höchstwahrscheinlich nur um eine Wegmarkierung handelte.
Deswegen erwartete er auch nicht viel, als er in die Wege eintauchte, um nach magischen Spuren zu suchen. Doch sofort fiel ihm das seltsame Muster auf.
Sieh an, hier gibt es doch etwas. Ungewöhnlich, diese magische Kombination. Was mag das bedeuten?
Er trat wieder hinaus ins Freie und scannte ausgiebig, konnte aber nichts entdecken. Mit den gängigen Verfahren versuchte er die üblichen Verbergungszauber zu beseitigen, doch nichts änderte sich dadurch.
Aber in den Wegen sehe ich es ganz deutlich. Da hat jemand etwas versteckt und dieser Jemand ist gut, denn hier habe ich es nicht mit der üblichen Standardmagie nach Lehrbuch zu tun. Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt und er wollte dem Rätsel auf die Spur kommen. Eryn legte seine Hände auf den Stein und schickte diverse Suchzauber los.
Hmm, nichts. Aber in den Wegen sieht es so aus, als wäre genau hier etwas Magisches. Manchmal ist die Wirklichkeit verzerrt und man glaubt vor einem Pfahl zu stehen und hat in Wahrheit einen Turm vor sich. Er ging um das Monument herum und zählte die Schritte. Nur sechs. Das stimmt mit dem Umfang überein. Also ist es doch nur eine Säule ... allenfalls mit einem Geheimfach. Aber wo bist du?
Ein Luftpolster brachte ihn in die Höhe und er zog einen weiteren Kreis um die zweite Hälfte des Monuments.
Auch nur Stein ... oder so verdammt gut verborgen, dass ich keinen Unterschied zum Trägermaterial entdecke. Eryns Zuversicht schwand zusehends und er schwebte nun ganz hinauf, um sich auf die Spitze des Steins zu stellen. Nicht so sehr, weil er sich davon große Erkenntnisse erhoffte, sondern weil man das immer tat. Ob bei einem Turm oder einem Berg, man musste stets ganz nach oben, um dann von dort aus hinuntersehen zu können. Dieser unförmige Stein wurde an der Spitze ziemlich schmal und unter normalen Umständen hätte man dort oben nie Platz zum Stehen gehabt. Aber Eryns Luftpolster machte das Unmögliche möglich. Doch als er direkt auf die Spitze schweben wollte, da prallte er gegen eine unsichtbare Wand. Er kam ziemlich ins Schwanken und schaffte es gerade noch so, sein Luftkissen wieder zu stabilisieren.
Also das Versteck habe ich gerade gefunden ... wenn auch nur zufällig. Aber das muss ich ja keinem verraten. Der große Magier Eryn fand diese seltsame Landmarke, scannte kurz und entdeckte sogleich den verborgenen Bereich an der Spitze – das ist die Version für die Nachwelt. Und dann zerstreute Eryn die Verbergungsmagie und entdeckte eine ganze Artefaktesammlung und eine Bibliothek. So geht diese Geschichte aus. Aber an der Stelle bin ich leider noch nicht.
Eine Stunde später hatte Eryn herausgefunden, dass besagtes Versteck eine Größe von drei auf drei Metern maß und sich ungefähr zwei Meter über der Steinspitze befand. Eine Art Verbindungssäule befand sich dazwischen und an jenes unsichtbare Gebilde war Eryn zuvor gestoßen. Doch weder Raum noch Verbindung ließen sich sichtbar machen und Eryn gingen langsam die Ideen aus.
Verdammt, ich sehe dich weder magisch noch unmagisch und doch bist du da. Denn ich kann dich deutlich fühlen. Es muss einen Grund geben, warum diese Verbindung besteht! Doch nur in den Wegen kann ich überhaupt erkennen, dass hier Magie zugange ist. Die Lösung des Rätsels liegt in den Wegen. Also trat Eryn durch ein Tor. Die Magie war in einem Muster verwoben, welches ihm überhaupt nichts sagte. Und egal wie lange er darauf starrte, er wurde nicht schlau daraus. Vorsichtig probierte er ein paar Zauber aus, doch die Gesetze in den Wegen waren andere als in der realen Welt und seine Zauber glitten einfach hindurch. Nach einer Weile musste er sich eingestehen, dass er auch so nicht weiterkam.
Der große Magier Eryn schaffte es nicht, dieses Rätsel zu lösen, und musste unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dieses Ende meiner Geschichte hört sich zu sehr nach Versagen an. Prinz Raiden hätte sicherlich schon längst eine Lösung gefunden. Und diese Vorstellung ärgerte ihn umso mehr.
Ich muss es schaffen – egal wie. In seiner Verzweiflung schoss er ganz unbeherrscht einen Feuerball auf die magische Struktur. Es gab einen Rückstoß, der ihn aus den Wegen beförderte und mit dem Rücken gegen die Steinsäule prallen ließ.
Aua verdammt, das hat wehgetan. Eryn wirkte einen Heilzauber, noch bevor sich ein Bluterguss bilden konnte und glitt dann zurück in die Zwischenwelt. Schließlich wollte er wissen, was seine Aktion bewirkt hatte.
Nichts. Rein gar nichts. Diese blöden Lichtpunkte verhöhnen mich. Trotzig presste er die Lippen aufeinander. Ich springe einfach in diesen geheimen Raum, indem ich den Zauber anwähle.
Das klang abstrus und gefährlich. Doch Eryn glaubte ohnehin nicht, dass es funktionieren würde. Hatten seine anderen Zauber schließlich bisher auch nichts bewirkt.
Wahrscheinlich lande ich sowieso wieder draußen. Aber ich will nicht noch einmal an die Säule klatschen. Darum zog er erst einen Schild um sich herum, bevor er das Tor erschuf. Ein Schritt und das Grau der Wege war verschwunden. Doch Eryn kam nicht draußen bei der Säule heraus, sondern stand plötzlich in einem Zimmer. Da hingen Bilder von Landschaften an den weiß gekalkten Wänden und sofort fielen Eryn die zwei Regalbretter ins Auge, auf denen eine geschlossene Reihe von Büchern stand. Doch bevor er sich über die Lektüre hermachte, sah er sich erst einmal um. Schließlich konnte ihm irgendeine unbekannte Gefahr drohen. Der Raum hatte keinerlei Fenster oder Türen und das Licht kam von drei magischen Leuchtkugeln an der Decke. In einer Ecke stand eine verzierte Kiste und an der Wand gegenüber befand sich ein Bett, welches frisch bezogen war. Der Überzug des Kissens war mit einem Blumenmuster verziert, genauso wie die halb aufgeschlagene Bettdecke.
Sieht aus wie die Kammer einer Frau, dachte sich Eryn zunächst, schränkte seine Einschätzung jedoch sogleich wieder ein. Obwohl, dann müsste noch viel mehr Plunder herumstehen. Blumenvasen, Teppiche, Kommoden mit kleinen Figuren drauf ... Aber hier gibt es nicht viel. Eine Zelle, ohne Ausgänge und ich bin darin eingesperrt. Doch dann verzog er verächtlich die Mundwinkel. Ich kann tunneln und keiner sperrt mich so leicht ein. Truhe oder Bücher, was sehe ich mir zuerst an?
Die Truhe gewann, doch sie barg keine größeren Geheimnisse, sondern enthielt lediglich Kleidungsstücke. Reich verzierte Hemden und Hosen, dazu ein paar Gürtel und Halbstiefel. Sie waren für einen Mann von Eryns Größe gemacht, hatten jedoch keinerlei magische Aufwertung.
Ich nehme das Zeug trotzdem mit, wenn ich hier fertig bin, entschied er, denn auf seiner Insel konnte er alles gebrauchen. Aber jetzt will ich mir erst einmal die Bücher ansehen. Neugierig gespannt ging er hinüber zum Regal und zog wahllos einen Band heraus. Der Einband aus glattem Leder verriet nichts