Aber denke daran: Man wird erst dann religiös, wenn man sich dem Tod stellt, niemals vorher. Wenn du dem Tod ins Auge siehst, wenn du ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehst, wenn du ihm nicht ausweichst, wenn du dich nicht duckst, wenn du nicht davonläufst, wenn du dich nicht in eine Wolke einnebelst, wenn du dich stellst, wenn du ihm begegnest, dem nackten Faktum Tod, dann plötzlich erkennst du: Tod ist Leben. Je tiefer du in den Tod eindringst, desto tiefer dringst du ins Leben ein, denn, so sagt Heraklit, die Gegensätze treffen sich, vermischen sich, sind eins.
Wenn du also versuchst, vor dem Tod davonzulaufen, dann vergiss nicht, dass du damit auch vor dem Leben davonläufst; genau deswegen seht ihr so tot aus. Das ist das Paradox: Lauf vor dem Tod davon und du bist schon tot; zeige dich, schau dem Tod ins Angesicht und du wirst lebendig. Im Augenblick, wo du dem Tod so nah bist, dass du glaubst, du stirbst jetzt, wenn du nicht nur an der Peripherie, sondern im Innersten den Tod fühlst und ihn berührst, dann ist die Krise gekommen. Das ist das Kreuz des Jesus, die Krise des endgültigen Sterbens. In dem Augenblick stirbst du in der einen Welt, der Welt der Horizontalen, der Welt der Vorstellungen, und du erstehst neu in jener anderen Welt. Die Auferstehung von Jesus Christus ist kein körperliches Phänomen. Die Christen haben unnötigerweise immer neue Hypothesen hierüber aufgestellt. Gemeint ist nicht die Wiederauferstehung dieses leiblichen Körpers, es ist die Auferstehung in eine andere Dimension dieses Körpers; es ist die Auferstehung in eine andere Dimension eines anderen Körpers, der niemals stirbt. Unser Körper ist zeitlich, jener Körper ist ewig. Jesus ersteht neu in einer anderen Welt, der Welt der Wahrheit. Die private Welt ist verschwunden.
Im letzten Augenblick sagt Jesus, dass er betrübt, verstört ist. Selbst ein Mensch wie Jesus kann im Sterben betrübt sein, wie kann es auch anders sein. Er wendet sich an Gott, er schreit auf: „Was tust du mit mir?“ Er möchte sich an die Horizontale klammern, er möchte sich ans Leben klammern, selbst ein Mann wie Jesus. Fühlt euch also nicht schuldig, wenn ihr euch auch irgendwie festhalten möchtet. Das ist der Mensch in Jesus und darin ist er menschlicher als Buddha oder Mahavir. Und das Menschliche an ihm ist: dass dieser Mann jetzt, wo es ans Sterben geht, verstört ist, dass er aufschreit; aber dass er auch nicht zurückweicht, dass er nicht fällt. Im gleichen Augenblick wird ihm klar, worum er da bittet. Und da sagt er: „Dein Wille geschehe!“, entspannt sich, schickt sich in alles. Und plötzlich dreht sich das Rad, er ist nicht mehr in der Horizontalen; er ist in die Vertikale eingetreten, in die Tiefe … dort wird er auf ewig wiedergeboren.
Stirb für die Zeit, damit du für die Ewigkeit auferstehen kannst. Stirb für die Welt der Vorstellungen, damit du lebendig wirst im Bewusstsein. Stirb für das Denken, damit du in die Wachheit geboren wirst. Heraklit sagt: „Was wir wachend sehen, ist Tod…“ Und darum ziehen wir den Schlaf und die Träume vor, leben mit Drogen, mit Alkohol und Betäubungsmitteln, nur um dieser Tatsache nicht ins Auge blicken zu müssen. Aber man muss dieser Tatsache ins Auge blicken. Wenn du es kannst, erwächst aus der Tatsache des Todes die Wahrheit; wenn du fliehst, lebst du in Lügen. Wenn du der Tatsache ins Auge blickst, wird die Tatsache zur Tür für die Wahrheit. Die Tatsache ist der Tod. Dem muss man sich stellen. Und die Wahrheit wird das Leben sein. Das ewige Leben, das unerschöpfliche Leben, ein Leben ohne Ende.
Und dann ist Tod nicht mehr Tod. Dann ergänzen sich Leben und Tod wie zwei Flügel und werden eins.
Das ist die verborgene Harmonie.
3. KAPITEL
ES GIBT NUR EINE WEISHEIT
Es ist die Aufgabe eines jeden Menschen,
Sich selbst zu kennen
Und das rechte Maß zu wissen.
Das rechte Maß zu wissen, ist die höchste Kunst.
Weisheit besteht in nichts als diesem:
Wahr reden, wahr handeln,
Der Natur der Dinge folgen.
Wer den Logos nicht hört, der höre auf mich:
Der Weise sieht ein,
Dass alle Dinge eins sind.
Es gibt nur eine Weisheit:
Erkenne die Intelligenz,
Die alle Dinge
Mit allen Dingen verwebt.
Weisheit ist eins und einzig.
Unwillig und doch willig
Lässt sie sich beim Namen des Zeus nennen.
Ein paar Dinge vorweg, bevor wir in die Textfragmente des Heraklit einsteigen.
Erstens: Sich selber zu kennen, ist das Allerschwerste überhaupt. Das müsste nicht so sein. Es müsste eigentlich die einfachste Sache von der Welt sein. Aber so ist es nun einmal nicht, aus vielen Gründen. Es ist so kompliziert geworden und jeder hat ein so großes Interesse daran, sich nicht selbst zu kennen, dass es fast unmöglich scheint, den Weg zurückzufinden, zur Quelle zurückzukehren, sich selbst zu begegnen.
Dein ganzes Leben, so wie es jetzt ist, so wie es von Gesellschaft, Staat und Kirche gebilligt wird, gründet sich auf Unkenntnis deiner selbst. Du lebst ohne dich zu kennen, weil die Gesellschaft nicht will, dass du dich kennst. Das wäre gefährlich für den Bestand der Gesellschaft. Jemand, der sich selber kennt, muss rebellisch werden. Erkenntnis ist die größte Rebellion. Und mit Erkenntnis meine ich Selbsterkenntnis, nicht das Wissen, das man sich aus Büchern zusammenliest, nicht das Wissen der Universitäten, sondern das Wissen, das entsteht, wenn du deinem eigenen Sein begegnest, wenn du dich in deiner völligen Blöße, deiner Nacktheit kennengelernt hast; das Wissen, wenn du dich siehst, wie Gott dich sieht, und nicht, wie die Gesellschaft dich zu sehen wünscht; wenn du dein naturhaftes Wesen siehst, in seinem völlig wilden Wuchs, eine Erscheinung, die nicht zivilisiert ist, sondern ungetrimmt, unkultiviert, ungehobelt.
Der Gesellschaft liegt nur daran, aus dir einen Roboter zu machen, keinen Revolutionär, denn das ist dienlich. Es ist leicht; einen Roboter zu beherrschen. Es ist praktisch unmöglich, einen Menschen, der sich selbst kennt, zu beherrschen. Wie wollte man einen Jesus beherrschen? Wie wollte man einen Buddha oder einen Heraklit beherrschen? Er beugt sich nicht, er folgt keinem Diktat. Er folgt seinem eigenen Wesen. Er ist wie der Wind, wie die Wolken; er bewegt sich wie ein Fluss. Er ist wild, selbstverständlich auch schön, naturhaft, aber eine Gefahr für die verlogene Gesellschaft. Er passt nicht in sie hinein. Bevor wir uns nicht eine natürliche Gesellschaft auf Erden schaffen, bleibt ein Buddha immer ein Asozialer und jeder Jesus muss gekreuzigt werden. Die Gesellschaft will herrschen; die privilegierten Klassen wollen herrschen, unterdrücken, ausbeuten. Am liebsten wäre es ihnen, wenn ihr gar nichts von euch selber wüsstet.
Das ist die erste, die äußere Schwierigkeit: Man wird notgedrungen in irgendeine Gesellschaft hineingeboren. Die Eltern sind Teil der Gesellschaft, die Lehrer sind Teil der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist überall, du bist von ihr umzingelt. Wie da herauskommen? Es sieht wirklich unmöglich aus. Wo eine Tür finden, die zurück zur Natur führt? Von allen Seiten bist du eingeschlossen.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro,