Nagarjuna fragte: „Wovor hast du Angst? Wer redet denn davon, dass du ein Dieb bist?“
Der Dieb sagte: „Aber jedes Mal, wenn ich zu einem Mönch gehe, zu einem Priester oder einem Heiligen, sagen sie immer: Hör erst mit dem Stehlen auf.“
Nagarjuna lachte und sagte: „Dann müssen es selber Diebe gewesen sein, warum sonst sollte sie das kümmern? Mich kümmert das nicht!“
Der Dieb war sehr froh. Er sagte: „In Ordnung. Es scheint, ich bin jetzt also dein Schüler. Du bist der richtige Meister.“
Nagarjuna nahm ihn auf. Er sagte: „Jetzt kannst du gehen und tun, was du willst. Nur eine Bedingung musst du befolgen: Sei bewusst! Geh und brich in Häuser ein, hol dir heraus, was du willst, stiehl nach Herzenslust, tu was dir Spaß macht, mich kümmert es nicht, ich bin kein Dieb – aber tu es bewusst.“
Der Dieb sah nicht, wie er in die Falle ging. Er sagte: „Dann ist ja alles in Ordnung. Ich will’s versuchen.“
Nach drei Wochen kam er wieder und sagte: „Du bist schlau, denn wenn ich bewusst stehle, kann ich nicht stehlen. Wenn ich stehle, verschwindet das Bewusstsein. Ich bin in der Klemme.“
Nagarjuna sagte: „Kein Wort mehr von deiner Dieberei und deinem Stehlen. Es geht mich nichts an, ich bin kein Dieb. Entscheide dich jetzt! Wenn du Bewusstheit willst, dann entscheide dich. Wenn du sie nicht willst, auch da entscheide jetzt.“
Der Mann sagte: „Aber jetzt ist es schwer, ich hab davon gekostet und es ist so schön, ich will ja alles aufgeben, was du willst.“
Dann erzählte er: „Erst neulich nachts ist es mir zum ersten Mal gelungen, in den Palast des Königs einzudringen. Ich habe die Schatzkammer geöffnet. Ich hätte der reichste Mann der Welt werden können, aber du warst mir auf den Fersen und ich musste bewusst werden. Als ich bewusst wurde, war plötzlich keine Motivation mehr da, kein Verlangen. Als ich bewusst wurde, sahen die Diamanten einfach wie Steine aus, ganz gewöhnliche Steine. Sobald ich diese Bewusstheit verlor, war der Schatz wieder da. Ich wartete und wiederholte das viele Male. Ich wurde bewusst und war wie ein Buddha und konnte noch nicht einmal die Hand danach ausstrecken, denn die ganze Sache sah einfach kindisch aus, einfach dumm, nichts als Steine, was tue ich nur? Mein Bewusstsein um dieser Steine willen zu verlieren? Aber dann verlor ich dieses Bewusstsein schon wieder und die Steine wurden wieder schön, die ganze Illusion war wieder da. Am Ende raffte ich mich auf und entschied, dass sie die Sache nicht wert waren.“
Wenn du erst einmal von der Bewusstheit gekostet hast, lohnt sich nichts anderes mehr, du kennst jetzt die höchste Glückseligkeit des Lebens. Dann plötzlich fallen viele Dinge von dir ab; du siehst ihre Dummheit, ihre Torheit. Die Motivation fällt weg, das Verlangen fällt weg, die Träume sind zerfallen.
Handelt nicht und sprecht nicht wie im Schlaf!
Das ist der einzige Schlüssel.
Wachende haben eine Welt gemeinsam –
Schlafende haben jeder eine Welt für sich.
Träume sind privat, absolut privat! Niemand kann deinen Traum betreten. Du kannst keinen Traum mit deiner Geliebten teilen. Mann und Frau schlafen im gleichen Bett, aber sie träumen getrennt. Es ist unmöglich, einen Traum zu teilen, weil er ein Nichts ist. Wie lässt sich ein Nichts mit einem anderen teilen? Wie eine Luftblase ist er absolut nicht-existent, du kannst niemanden an ihm teilhaben lassen, du musst für dich allein träumen. Und darum, wegen der Schläfer, wegen so vieler Schläfer, gibt es so viele Welten. Du hast deine eigene Welt; wenn du schläfst, lebst du eingeschlossen in deine eigenen Gedanken, Vorstellungen, Träume, Begierden. Wenn du einem anderen begegnest, ist das jedes Mal ein Zusammenstoß zweier Welten. Welten, die zusammenprallen, das ist unsere Situation! Schaut genau hin!
Schaut euch an, wie Ehemann und Ehefrau miteinander reden; sie reden überhaupt nicht. Der Mann denkt ans Büro, ans Gehalt; die Frau denkt an ihre Kleider zu Weihnachten. Im Innern haben sie ihre eigenen Privatwelten, aber ihre Privatwelten treffen sich irgendwo, stoßen vielmehr zusammen, denn die Kleider für die Frau hängen vom Gehalt des Mannes ab; das Gehalt des Mannes muss die Kleider der Frau finanzieren.
Die Frau sagt „Liebling“, aber hinter diesem Wort steckt „Kleider“; denn das ist es, woran sie denkt. Dieses Liebling bedeutet nicht das, was im Wörterbuch steht, denn jedes Mal, wenn seine Frau Liebling sagt, ist das nur eine Fassade und der Mann kriegt es sofort mit der Angst zu tun. Er zeigt es nicht, natürlich, denn wenn jemand Liebling sagt, darf man keine Angst zeigen.
Er sagt: „Was ist, Liebes? Was gibt’s?“ Aber er hat Angst, weil er an sein Gehalt denkt; er weiß, Weihnachten rückt näher – Gefahr droht.
Mulla Nasrudins Frau sagte zu ihm: „Was ist los mit dir? In letzter Zeit habe ich so oft geweint und gejammert, ich kann vor Tränen nichts sehen und du fragst nicht einmal warum!“ Nasrudin sagte: „Irgendwann reicht es! Es kostet zu viel, wenn ich frage. Und wie oft habe ich diesen Fehler nicht schon begangen. Denn diese Tränen sind nicht einfach Tränen, sondern Kleider, ein neues Haus, neue Möbel, ein neuer Wagen. Was weiß ich, was diese Tränen alles meinen. Mit Tränen fängt es immer an.“
Kein Dialog ist möglich, denn innen sind sie zwei private Welten; nur Konflikt ist möglich. Träume sind privat, Wahrheit ist nicht privat. Wahrheit kann nicht privat sein, Wahrheit kann weder meine noch deine sein, Wahrheit kann nicht christlich oder hinduistisch sein, Wahrheit kann nicht indisch oder griechisch sein. Wahrheit kann nicht privat sein. Träume sind privat. Alles, was privat ist – merkt es euch! –, muss notgedrungen der Welt der Träume angehören. Wahrheit ist ein offener Himmel, sie ist für alle da, sie ist eins.
Die Sprache, die Laotse spricht, mag daher zwar eine ganz bestimmte sein; und wenn Buddha spricht, ist es wieder eine andere Sprache; und die Sprache eines Heraklit wieder eine andere, aber all diese Sprachen bedeuten das Gleiche, sie weisen auf das Gleiche hin. Und die sie sprechen, leben nicht in einer Privatwelt. Ihre Privatwelt ist gleichzeitig mit ihren Träumen und Begierden verschwunden, mit ihrer ganzen Vorstellungswelt. Nur in der Vorstellung gibt es eine private Welt, aber das Bewusstsein kennt keine privaten Welten.
Wachende haben eine Welt gemeinsam
Alle, die wach sind, leben in ein und derselben Welt, in der einen Schöpfung. Und alle, die schlafen und träumen, haben eine eigene Welt für sich. Eure Privatwelt muss fallen, das ist die einzige Entsagung, die ich von euch verlange. Ich sage nicht, du sollst deine Frau verlassen; ich sage nicht, du sollst deinen Beruf aufgeben; ich sage nicht, verzichte auf dein Geld oder auf sonst irgendwas, nein! Ich sage nur: Komm heraus aus deiner Welt privater Träume. Das ist Sannyas für mich.
Das alte Sannyas hieß dieser Welt zu entsagen, dem Sichtbaren den Rücken zu kehren. Man ging in den Himalaja, ließ Frau und Kind zurück. Aber darum geht es nicht. Das ist nicht die Welt, die es zu verlassen gilt. Wie könnte man die verlassen! Selbst der Himalaja gehört dieser Welt an.
Die Welt, die man verlassen muss, ist die Welt der Vorstellungen, die Privatwelt der Träume. Wenn du der entsagst, dann kannst du auf dem Marktplatz sitzen und doch zugleich im Himalaja sein. Und solange du ihr nicht entsagst, wirst du selbst im Himalaja immer nur eine Privatwelt um dich herum schaffen. Glaube nicht, dass du dir selbst entkommen kannst! Wohin du auch gehst, du nimmst dich mit; wohin du auch gehst, du wirst dich verhalten wie eh und je. Die Situationen mögen andere sein, aber wie solltest du wohl anders sein? Du wirst im Himalaja genauso fest schlafen. Ob du nun in Pune schläfst oder in Boston oder in London oder im Himalaja – wo liegt der Unterschied? Wo du auch bist, wirst du träumen. Gib das Träumen auf! Werde wacher! Plötzlich verschwindet alles Träumen und mit dem Träumen alles Elend.
Wachend