Dass Diocletian die Truppenzahl vermehrte, war äusserst notwendig und zweckmässig, weil er, wie wir sehen werden, das halbe Reich den Usurpatoren und den Barbaren wieder aus den Händen reissen musste. Wie hoch er die Kriegsmacht zu bringen hatte, konnte niemand besser beurteilen als er selber. Über das Mass der Vermehrung haben wir keine nähere Kunde; dass sie im Verhältnis zu den Heeren eines Aurelian und Probus mehr als eine Vervierfachung gewesen sei, mag jenem Romanschreiber glauben wer will.
Dann die gewöhnliche Anklage wegen des Thesaurierens, welcher ein Fürst gar nicht entgehen kann. Viele Herrscher haben wirklich in einer falschen Ansicht vom Alleinwert des edeln Metalls grosse Schätze gesammelt und es im rechten Augenblick nicht übers Herz bringen können, sie zweckmässig auszugeben; der orientalische Despotismus ist sogar durchweg mit dieser Unsitte behaftet, und die Untertanen machen es dem Despoten nach und vergraben jedes Silberstück in die Erde. Allein bei Diocletian kann hievon schwerlich die Rede sein; die Ausgaben für die Wiedergewinnung und Herstellung des erschütterten Reiches waren zu enorm, als dass noch ein unverhältnismässig grosser Überschuss in der Kasse geblieben wäre. Schon die Grenzbefestigungen allein, jene Kastelle von den Niederlanden bis ans Rote Meer, samt ihren Besatzungen beseitigen jenen Gedanken selbst für die letzte, ruhigere Zeit seiner Regierung.
Das Reich musste sich allerdings recht sehr anstrengen, allein wo so grosse, meist glücklich erreichte Zwecke vorliegen wie hier, darf man wenigstens den Herrscher von der vulgären Beschuldigung entbinden, als hätte er die Menschen nur geplagt, um das Gold und Silber gleichsam allein aufzuessen. Wohl kann bei seinen vielen Bauten der Verdacht der Verschwendung entstehen, allein bei weitem das meiste waren (wie es scheint) politische Geschenke an bestimmte Städte, wodurch man mehr als eine Garnison ersparen konnte. Neben der Bauverschwendung Constantins kommen diese Ausgaben überdies kaum in Betracht. Der Palast von Spalatro war wohl ein grosses Viereck, die einzelnen Räume aber weder an Höhe noch an Grösse ausgezeichnet und mit den Riesenhallen der Thermen in Rom nicht zu vergleichen. Beim Umbau von Nikomedien mag es gewalttätig hergegangen sein, wie einst bei den Städtebauten der Diadochen und später bei der Neugründung von Byzanz, dass aber überall – ubicunque – wo Diocletian ein schönes Landgut, eine zierliche Wohnung sah, dem Eigentümer darob ein Kapitalprozess angehängt worden, mag glauben, wer da will. Traurig genug, dass schon um des Geldbedürfnisses willen mancher Wohlhabende ins Verderben gestürzt wurde, allein dies war ohne Zweifel das Werk schrecklicher Beamten, mit welchen das Imperium schon lange vor Diocletian heimgesucht war106.
Die neue Einteilung des Reiches in 101 Provinzen und 12 Diözesen wurde von einer Regierung wie diese gewiss nicht ohne guten und hinreichenden Grund eingeführt und auch die Beamtenzahl nicht ohne Not gesteigert. Diocletian selber war der emsigste Beamte seines Reiches; ausser seinen Feldzügen findet man ihn oft und viel auf rastlosen Reisen, immer regierend und entscheidend, so dass zum Beispiel sein Itinerarium in den Jahren 293 und 294 fast Woche für Woche, ja Tag für Tag in den Daten der Reskripte offen liegt; über 1200 (privatrechtliche) Reskripte von ihm finden sich in den Rechtsbüchern107. Wenn nun für jene Neueinteilung des Reiches in kleinere Provinzen samt der Vermehrung der Beamten ein Grund namhaft gemacht werden soll, so kann es nur der gewesen sein, dass dem Kaiser die bisherigen Organe nicht genügten, und dass er eine schärfere Aufsicht und bessere Ausführung des Befohlenen für notwendig erachtete. Er musste freilich mit demjenigen Material arbeiten, das er vorfand, und dass dieses nicht das beste war, wird er selber am genauesten gewusst haben. Jedenfalls fielen nun die letzten provinzialen Unterschiede dahin, zugunsten einer gleichmässigen Administration. Was Diocletian begonnen, hat dann Constantin durchgeführt und vollendet.
Nun ist zwar jedermann darüber einverstanden, dass das römische Finanzsystem im ganzen ein schlechtes und drückendes war, und wir haben keinen Grund, bei Diocletian eine viel höhere staatsökonomische Einsicht oder eine Kraft zu Verbesserungen, die auch die tüchtigsten Kaiser nicht gehabt, vorauszusetzen; zudem lehrt der neueste Zustand grosser europäischer Staaten, wie weit selbst die gründlichste Erkenntnis in diesen Dingen von der wirklichen Abschaffung des Schlechten entfernt sein kann. Allein was Diocletian bei einem der billigsten Beurteiler, dem altern Aurelius Victor, speziell zum Vorwurf gemacht wird, könnte leicht zu seinem Lobe umschlagen. In einer leider unklaren und verdorbenen Stelle108 wird darüber geklagt, dass »ein Teil von Italien« zu gewissen allgemeinen Steuern und Lasten (pensiones) herbeigezogen worden sei, welche »bei der damaligen Mässigung« leidlich gewesen, im Verlauf des vierten Jahrhunderts aber zum Verderben des Landes geworden seien. Welcher Art diese Steuer auch gewesen sein mag, jedenfalls war es billig, dass Italien mitbezahlen half, seitdem es nicht mehr fähig war, das Reich zu retten und zu beherrschen. – Für die Beurteilung des römischen Finanzwesens im allgemeinen ist auf die besondern Forschungen über diesen Gegenstand, bei Hegewisch, Naudet, Dureau, Mommsen u. a. zu verweisen; nur ein spezieller Punkt muss hier noch berührt werden.
In verschiedenen Annalen findet sich zum Jahre 302 die Notiz: »Damals befahlen die Kaiser Wohlfeilheit«, das heisst: Diocletian stellte ein Maximum der Lebensmittelpreise fest. Keine Massregel wird von der jetzt herrschenden Ansicht stärker verdammt als die Maximumspreise, zu deren Behauptung bekanntlich der unausgesetzte Taktschlag der Guillotine gehört, wie das lehrreiche Beispiel des Nationalkonventes zeigt. Die Massregel setzt entweder die äusserste, verzweifeltste Not voraus, oder ein gänzliches Verkennen der wahren Begriffe von Wert und Preis. Die Folgen waren denn auch die unausbleiblichen109: die Ware verbarg sich, wurde trotz dem Verbote teurer als zuvor und zog unzähligen Verkäufern die Todesstrafe zu, bis man das Gesetz aufhob.
Von dieser Massregel hat sich nun ein genaues Andenken erhalten in der berühmten Inschrift von Stratonicea110, welche das ganze Edikt samt mehrern hundert Preisbestimmungen (zum Teil unleserlich und schwer erklärbar) wiedergibt. Die Imperatoren äussern sich im Eingang ungefähr wie folgt: Der Preis der Dinge, die man auf den Märkten kauft oder täglich in die Städte bringt, hat so sehr alle Grenzen überschritten, dass die zügellose Gewinnsucht weder durch reichliche Ernten noch durch Überfluss der Waren gemässigt wird . . . Die Raubsucht tritt überall auf, wo nach dem Gebot des öffentlichen Wohles unsere Heere hinziehen, nicht nur in Dörfern und Städten, sondern auf allen Strassen, so dass die Preise der Lebensmittel nicht bloss auf das Vierfache und Achtfache, sondern über jedes Mass steigen, öfter sogar ist durch Aufkauf (?) einer einzigen Ware der Krieger seines Soldes und unserer Geschenke beraubt worden . . . Diese Habsucht soll in unserm Gesetz Grenzen und Mass finden. (Worauf den Zuwiderhandelnden die schwersten Strafen angedroht werden.)
Die Erwägungsgründe sind an sich so rätselhaft als die Verfügung selber. Am ehesten lässt sich denken, dass im Orient eine Sippschaft von Spekulanten ziemlich rasch die Preise der unentbehrlichsten Mittel des Daseins in die Höhe getrieben hatte, dass jedermann darunter litt, das Leiden der Armee jedoch weit die grössten und nächsten Gefahren herbeizuführen drohte. Das Reich, dessen Haupteinnahmen bei weitem in Naturalien bestanden, konnte vielleicht nicht im gehörigen Augenblick bei jeder Garnison damit zur Stelle sein. Und da nun der Beschluss der Abhilfe, vielleicht in Eile und in heftiger Stimmung, gefasst war, dehnte man die Fürsorge gleich auf alle Menschenklassen und auf Werte jeder Art aus, um besonders auch für die städtischen Massen Hilfe zu schaffen.
Die Tabelle selbst ist ein Dokument ersten Ranges, weil sie die Werte der Gegenstände und der Arbeiten im Verhältnis zueinander für die damalige Zeit offiziell angibt. Viel schwieriger ist die Reduktion der einzelnen Werte auf unsern jetzigen Münzfuss. Man hat sich nämlich über die Einheit, welche im Edikt bloss mit einem * bezeichnet wird, noch nicht verständigen können, so dass die einen den damaligen Silberdenar (9 Sous), andere dagegen111 den Kupferdenar (½ Sou) dafür annehmen; im erstern Fall entstehen ungeheure Preise,