Die Mitregenten sind fast sämtlich ebenfalls für ihre Superstitionen bekannt, ohne welche überdies ihr langer Gehorsam kaum erklärlich wäre. Sie mochten wissen, dass sie schon ihre Erhebung derartigen Erwägungen verdankten. Welche befremdliche, für uns ganz unbegreifliche Sorgen gingen den Adoptionen Diocletians voran! Da erscheint ihm zum Beispiel im Traume eine Gestalt, welche ihn beharrlich damit belästigt, er solle einen gewissen Mann zum Nachfolger wählen, dessen Name ihm genannt wird. Er vermutet, es sei ihm ein Zauber angetan, lässt endlich eines Tages den Betreffenden vor sich kommen und sagt nur: »Empfange denn die Herrschaft, die du jede Nacht von mir verlangst und missgönne wenigstens dem Kaiser nicht seine Nachtruhe!« – Es ist nicht bekannt, auf wen sich diese Palastanekdote63 bezieht und wie weit sie wahr ist, aber bezeichnend ist sie gewiss.
Maximian war ein grosser, wenigstens ein tüchtiger Feldherr, und Diocletian mochte ihm schon als früherem Mitwisser seiner hochfliegenden Pläne64 Rücksichten schuldig sein; was aber bei seiner Erhebung möglicherweise den Ausschlag gab, war etwa doch, dass er an demselben Monatstage mit Diocletian geboren war65. Von Constantius können wir mit einiger Sicherheit annehmen, dass er wesentlich der Weissagung der Druidinnen zuliebe66 von Diocletian zum Caesar gemacht wurde.
Dieser war, wie gesagt, ein Dalmatiner, Maximian ein Bauernsohn von Sirmium (Mitrovicz an der Save), der Heimat der tapfersten Kaiser des dritten Jahrhunderts67; Galerius ein Hirte, entweder aus Dacien oder von Sardica (dem jetzigen Sophia in der Bulgarei); Maximinus Daza wahrscheinlich aus derselben Gegend; Constantius Chlorus wohnte, als ihm sein Sohn Constantin geboren wurde, zu Nissa in Serbien; der später auftretende Freund des Galer, Licinius, war ein Bauer von der untern Donau; die Heimat des Severus ist unbekannt. Man muss einstweilen es ganz auf sich beruhen lassen, ob eine örtliche Religion oder Superstition die Herrscher noch besonders vereinte. Von Maximians Abdankung kennen wir nur die Formel, die er im Tempel des kapitolinischen Gottes (wahrscheinlich in Mailand) aussprach: »Nimm zurück, o Juppiter, was du verliehen hast«68. Mit Schwüren, Opfern und Weihen mochte Diocletian ersetzen, was seiner politischen Kombination an Kraft und Haltbarkeit abging.
Wer dieser unserer Erklärung nicht beistimmen will, mag annehmen, dass Diocletian bei der Erhebung Maximians dessen Stillschweigen und Feldherrngaben nicht entbehren wollte, dessen Sohn Maxentius aber deshalb beseitigte, weil Galerius mit diesem von jeher verfeindet war69. Allein man sehe wohl zu, ob eine Handlungsweise dieser Art mit dem ganzen Wesen und dem Mass von Regentengrösse vereinbar ist, welches man dem Diocletian nicht wohl streitig machen wird. Es liegt ein tiefer Ernst in seinen Anordnungen, zumal in der Herabsetzung des Kaisertums auf eine bestimmte Amtsdauer. Wenn andere dasselbe für eine Sache des Genusses ansehen würden, so war dies nicht seine Schuld; er hielt es für ein furchtbares und verantwortungsvolles Amt, welches Kindern und Greisen zu ihrem und des Reiches Glück entzogen bleiben sollte. Zugleich war aber dem berechtigten Ehrgeiz der jeweiligen Caesaren Rechnung getragen; sie konnten nun den Tag und die Stunde berechnen, da sie (wenn nichts in der Zwischenzeit vorfiel) spätestens den Thron besteigen würden. Mit den Gefühlen eines Menschen, der seinen Todestag kennt, mochte der Imperator von fünf zu fünf Jahren die Quinquennalien und die Decennalien und die Quindecennalien feiern; unabwendbar nahten die Vicennalien, da er den Purpur auszuziehen hatte. Denn so wollen es die »übermächtigen Schicksalsgöttinnen«, welche auf einer Münze des Abdankungsjahres70 verherrlicht sind. Dass man Nachfolger nicht auf ewig binden könne, wusste auch Diocletian, aber er wollte, so scheint es, ein Beispiel geben. Überdies verbürgte nur die Zwanzigjährigkeit des Amtes den Ausschluss der Kaisersöhne, welcher bei dessen Lebenslänglichkeit unfehlbar dahinfallen musste. Man könnte fragen, ob es wohlgetan war, auch den feindlichen Menschen und den gärenden Elementen im Staate einen festen Termin zum vielleicht erfolgreichen Ausbruch zu bezeichnen; allein auch die Mittel des Widerstandes konnten in Bereitschaft gehalten werden. Während der Krankheit Diocletians, die seiner Abdankung vorausging, blieb das Volk dritthalb Monate in der Ungewissheit, ob er überhaupt noch lebe71, und doch rührte sich in dem wohlgebändigten Staate72 keine Hand.
Merkwürdigerweise bewegten dieselben Fragen, dieselben Ereignisse gleichzeitig das feindliche Nachbarland im Osten, das Sassanidenreich. Bei Bahram III., welcher nur einige Monate im Jahre 293 regierte, bemerken die Schriftsteller73 zum erstenmal: der König von Persien habe denjenigen Sohn oder Bruder, den er zum Nachfolger bestimmt, einstweilen zum Fürsten einer Provinz gemacht, mit dem Titel Schah, und so habe auch Bahram früher bloss Schah von Segan oder Sistan geheissen, solange sein Vater Bahram II. noch lebte. Nach seiner kurzen, wahrscheinlich von gewaltsamen Umständen begleiteten Regierung folgt sein jüngerer Bruder Narsi, und dieser krönt dann selber seinen Sohn Hormuz zum Nachfolger, um sich im Jahre 301 vom Thron in die Stille des Privatlebens, »unter den Schatten der Güte Gottes« zurückzuziehen. Laut Mirkhond bewog ihn hiezu der Gedanke an den Tod, »dessen Augenblick in ewigen Beschlüssen vorgezeichnet und unvermeidlich ist«. Möglicherweise hatten ihm die Magier eine bestimmte Todesstunde geweissagt und ihm damit die Lust am Leben genommen; weiterhin aber wird angedeutet, dass Narsi den Wechselfällen des königlichen Schicksals, die er in seinem Kriege mit den Römern sattsam erfahren, aus dem Wege gehen wollte. »Der Weg ist lang«, sagte er, »man muss oft auf- und niedersteigen.« Es ist nicht undenkbar, dass dieses Beispiel auf das Gemüt Diocletians einigen Eindruck gemacht habe.
Mit der Feierlichkeit, welche das ganze, abergläubisch bedingte Leben Diocletians umgab, steht ohne Zweifel in engster Verbindung die plötzliche und auffallende Steigerung des Hofzeremoniells. Oder hätte er wirklich nur, nach Art der Emporkömmlinge, des äussern Pompes nicht genug bekommen können, wie der ältere Aurelius Victor meint? In diesem Falle wäre es befremdlich, dass keiner von den grossen Soldatenkaisern des dritten Jahrhunderts ihm darin vorangegangen, welche fast sämtlich aus den geringsten Verhältnissen sich zum Thron emporgearbeitet hatten. Wir sehen zum Beispiel den gewaltigen Aurelian harmlos mit seinen alten Freunden verkehren, die er gerade so weit ausstattet, dass sie nicht mehr dürftig heissen können; seidene Kleider sind ihm zu teuer; das Gold möchte er am liebsten ganz aus der Bauverzierung und aus den Gewändern entfernen, während er das kostbarste Geschmeide, das man ja wieder einschmelzen kann, andern gern gestattet, sich selber versagt; seine Diener kleidet er nicht prächtiger als bevor er Kaiser war; in dem prachtvollen Palaste auf dem Palatin, an dessen bunten Marmorwänden das Blut so vieler Kaiser klebte, ist ihm nicht wohl zumute; er bezieht (wie einst Vespasian) die Gärten des Sallust, in deren miglienlanger Halle man ihn täglich turnen und die Pferde tummeln sah74. – Jetzt änderte sich dies alles. Diocletian hatte Freunde aus früherer Zeit; aber das Zutrauen war, vielleicht auf beiden Seiten zugleich, verschwunden; er fürchtete nicht mit Unrecht, dass eine Intimität mit dritten Personen seine künstliche Harmonie mit den Kollegen stören könnte. Statt des einfachen Purpurs, womit sich fast alle frühern Kaiser (die wahnsinnigen ausgenommen) begnügt hatten, trägt er (seit 293) seidene und golddurchwirkte Gewänder und bedeckt selbst die Schuhe mit Edelsteinen und Perlen; das Haupt aber umgibt er mit dem Diadem, einer weissen, perlenbesetzten Binde. Dies war natürlich nur das Staatskleid, in welchem er bloss bei festlichen Gelegenheiten auftrat; auf seinen Schnellreisen und Feldzügen werden er und sein Kollege Maximian es wohl anders gehalten haben, und so vollends die auf jeden Wink beweglichen75 Caesaren, von welchen