Um den Finger gewickelt. Edi Finger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Edi Finger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862778
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technisch noch kein Spitzenfußballer. Daher war er nicht unbedingt erste Wahl für die Kampfmannschaft.

      Es war einmal vor einem Spiel. Trainer Springer erklärte die Aufstellung, wer im Tor spielt, wer in der Abwehr, im Mittelfeld, im Sturm. Er zeichnete auf einer Tafel die taktischen Spielzüge auf, wer wo zu wem passen sollte, wer sich wo freispielen musste, wer aufzurücken oder hinten zu bleiben hatte. Die Spieler lauschten konzentriert. Da meldete sich Gerdi junior zu Wort: »Du Papa, so wie du das erklärst, spielen wir nur zu zehnt?« Vater Springer stutzte kurz: »Na gut, dann spielst halt auch mit.«

      Erinnerungen an die Pfarrwiese

      und Einschüchterungsversuche

      Die alte Pfarrwiese war 66 Jahre lang Rapids Heimat. Das Stadion wurde mit einem Fassungsvermögen für 4000 Zuschauer 1911 in Hütteldorf im Westen Wiens errichtet. Seither hießen die Grün-Weißen bei ihren Fans auch »Hütteldorfer«. Bis zur Übersiedlung ins neue Hanappi-Stadion 1977 war die Pfarrwiese »das Herz des Fußballs«. Ich kann mich noch erinnern, wie ich als Bub meinen Vater bei den Übertragungen der Spiele auf der Pfarrwiese begleitete. Der Platz des Reporters war direkt unter der Stadionuhr hinter dem Tor, das näher zur Stadt war, und ich hatte einen grandiosen Überblick. Weniger grandios waren die Toilettenanlagen. Das »Urinal« war eine gut zwanzig Meter lange Pinkel-Wand mit einer Art Regenrinne. Diese Rinne hatte ein Gefälle, um die Hektoliter Bier der Fans in den Kanal zu leiten. Wenn ich mich in der Pause um meine drei Flaschen Almdudler erleichterte und mich, weil ich ja noch klein war, ans untere, tiefer liegende Ende der Rinne stellte, kam mir eine Flutwelle entgegen, vor der ich mich nur mit einem raschen Schritt zurück retten konnte. So lernte ich, auch auf größere Entfernungen zu treffen.

      Eine weitere Besonderheit der Pfarrwiese war der extrem schmale und finstere Tunnel von den Kabinen zum Spielfeld. Auf dem Weg vom Dunkeln ans Licht liefen die Mannschaften nebeneinander praktisch mit Körperkontakt Richtung Rasen.

      Robert Dienst, Mittelstürmer bei Rapid, ein echter Bulle, der sich vor nichts und niemandem fürchtete, nützte diese Nähe zum Gegner für einen taktischen Schachzug. Dienst erzählte mir: »Ich hab immer geschaut, dass ich in dem Tunnel neben dem gegnerischen Verteidiger, der für mich ›zuständig‹ war, eingelaufen bin, und hab ihm gleich einmal einen Ellenbogen in die Seite gestoßen. Damit ihm klar ist, was ihn erwartet, wenn er sich mit mir anlegt.«

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      Papa erklärt mir den Sport (4 Jahre)

      Diese Form, den Gegner schon vor dem eigentlichen Wettkampf einzuschüchtern zu versuchen, kennen wir ja eher vom Boxen. Erinnern wir uns nur an die Ohrfeige, die der Schwergewichtler Dereck Chisora seinem Kontrahenten Vitali Klitschko bei der Abwage verpasste. Der Provokation nicht genug, spuckte er Vitalis Bruder Wladimir, der ebenfalls anwesend war, als Zeichen der Verachtung ins Gesicht. Allerdings erreichte er damit das Gegenteil und verlor den Kampf gegen den Russen klar nach Punkten.

      Aber auch im Ring sind manchen Boxern alle Mittel recht, ihren Widersacher in die Knie zu zwingen. Unfaire Tiefschläge oder »versehentliche« Kicks mit dem Ellenbogen kommen oft vor. Den Vogel schoss Mike Tyson ab, als er, punktemäßig deutlich zurückliegend, Evander Holyfield ein Stück vom Ohr abbiss. Der Abbruch des Kampfes und die Disqualifikation verhinderten zwar eine beschämende Niederlage für Tyson, brachten ihm aber auch ein Berufsverbot ein und bedeuteten das Ende seiner Karriere.

      Auch auf dem Fußballplatz versuchen es einige mit übertriebener Härte. Das ist nicht schön anzusehen und hat beim Fußball nichts verloren. Alfred Körner war da etwas subtiler.

      Meines Wissens ist das in der Geschichte des Fußballs einmalig: Die Brüder Robert und Alfred Körner kamen gemeinsam 1938 zu Rapid, spielten gemeinsam bis 1959 im grün-weißen Dress, holten gemeinsam sieben Meistertitel und einen Cupsieg. Zu unterscheiden waren sie am Platz dadurch, dass Robert sehr dünn war und daher den Spitznamen »G’selchter« bekam. Für die Radioreporter war das keine Hilfe, denn »Jetzt ist der G’selchte am Ball …« konnte man ja schlecht sagen. Also behalf man sich, indem man »Körner eins (Robert) passt zu Körner zwei (Alfred) …« sagte.

      Also, Alfred Körner war ein gefinkelter Bursche und wusste sich vor brutalen Attacken zu schützen, indem zu einer List griff. Wenn Körner 2 sich wieder einmal durch die gegnerische Abwehr tankte, rief er dem Verteidiger im Zweikampf zu: »Hau net so eine, du spielst nächstes Jahr bei uns! Hot dir der Trainer des no net gsogt?« Der war daraufhin völlig verunsichert und schaltete einen Gang zurück und der Fredl hatte freie Bahn aufs Tor.

      Der 12. Mann

      Der Schiedsrichter ist der meistgehasste Mann auf dem Feld. Praktisch jede seiner Entscheidungen wird angezweifelt, jeder Pfiff mit Unmut kommentiert. Von den Spielern und vom Publikum. »Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht!«, ist nur die harmloseste Drohung aus den Rängen. Die Spieler verlieren oft die für Fußballer ohnehin atypische Contenance und lassen sich zu Schreiattacken auf unterstem Niveau hinreißen. Das ist nicht klug. Ein Unparteiischer bleibt nur so lange unparteiisch, bis er Partei ergreift. Und da ist es nur allzu menschlich, wenn er mehr Sympathien für jene entwickelt, die ihn nicht anschreien und beschimpfen. Ein schlauer Fuchs in dieser Beziehung war in seiner aktiven Zeit der Ernst Happel. Nach einer krassen Fehlentscheidung des schwarzen Mannes gegen Rapid ging Happel, der sonst eher als »Grantler« galt, ganz ruhig zu ihm, lächelte ihn freundlich an und raunte ihm mit einem Augenzwinkern zu: »Schiedsrichter, des woar falsch. Aber i waß, Sie werden’s ausbessern.« Er wusste, wie man einen Schiri auf seine Seite zieht.

      Der Unparteiische hieß Dimitris »Taki« Wlachojanis. Wie unschwer am Namen zu erkennen, ein fast waschechter Österreicher. Mit 17 Jahren aus Griechenland eingewandert, baute er sich sehr erfolgreich eine Existenz als Hemdenfabrikant auf. Das Schiedsrichtern war für ihn aber mehr als nur ein Hobby. Immerhin pfiff Wlachojanis zwei Europacup-Endspiele. Als international anerkannter FIFA-Referee war er also über jeden Verdacht der amateurhaften Mauscheleien erhaben. Dennoch zeigte auch er menschliche Gefühle. Als »Taki« also beim nächsten Match von Rapid neben den Teams ins Stadion einlief, zischte er Happel zu: »Hau rein, heute seid ihr zwölf.«

      Der Kamm-Schmäh

      Aleksandar Dragović kam im Frühjahr 2012 in die Schlagzeilen, weil er den Schweizer Bundesrat Ueli Maurer (2013 übrigens für ein Jahr Präsident der Eidgenossen) mit zwei Scherz-Klapsen auf das Hinterhaupt traktierte. Kurz zur Erinnerung: Dragović, der als Innenverteidiger bei der Wiener Austria 2009 Cupsieger wurde, wechselte zwei Jahre später zum FC Basel und wurde prompt Schweizer Meister. Bei der Ehrung zeichnete Maurer die Spieler mit Medaillen aus. Dragović stand direkt hinter ihm, als dieser gerade dabei war, einem der siegreichen Baseler eine Goldene umzuhängen, und nützte die Gelegenheit, dem Politiker eine »Dachtel« auf das Hinterhaupt zu verabreichen. Maurer zuckte kurz zusammen, drehte sich um, blickte aber nur in die Gesichter von Unschuldslämmern. Drago fand das lustig und gab Maurer einen weiteren Klaps auf die kahle Schädelstelle.

      Ein Lausbubenstreich? Das war einfach dumm. Denn die Kameras waren dabei (nachzusehen auf YouTube »Dragovic ärgert Ueli Maurer«) und das respektlose Verhalten des 21-jährigen Wiener Fußballers wurde öffentlich. Man kann jetzt sagen, dass die Schweizer »schmähbefreit« sind, wenn sie sich über so etwas aufregen. Dennoch sollte man bei solchen Aktionen lieber schauen, dass sie keine großen Wellen schlagen.

      Die Rapidler von damals, Happel, Körner, Zeman und Co., haben ihren Lieblings-Streich unterm Tisch gespielt: den Kamm-Schmäh.

      Nach den Spielen gab es traditionell in einem Lokal ein Buffet für Kicker und Prominenz. Politiker, Kulturschaffende und Wirtschaftstreibende suchten ja schon immer gern die Nähe von Fußballern. Da saß man gemütlich vor vollen Tellern und nie leer werdenden Gläsern um den Tisch und plauderte über den Fußballgott und den Rest der Welt. Einer der Spieler nahm einen langen (ca. 20 cm) Kamm, ein anderer lenkte die Aufmerksamkeit der illustren Tischrunde auf irgendetwas, das in entgegengesetzter Richtung des