Die Tribüne war nicht minder prominent besetzt. Kaum ein Schauspieler, Opernsänger oder Politiker ließ sich ein Match seiner Mannschaft entgehen. Und ich rede hier nicht nur von Antels Promi-Kickerln. Es war für die Stars aus Burgtheater, Staatsoper, Fernsehen oder Politik reine Ehrensache, für Grün-Weiß, Violett oder was sonst die Vereinsfarbe war, auf der Ehrentribüne die Daumen zu drücken. Ein Heinz Conrads, ein Attila Hörbiger, ein Heinz »Honzo« Holecek oder wie sie sonst alle hießen, war immer da. Heute kommt kaum mehr ein Star zu einem Match. Außer Politiker zu einem Länderspiel. Vor allem in einem Wahljahr. Ja, es hat sich einiges verändert. So wie sich Sportler immer mehr von ihren Fans abschotten, so meiden auch Stars anderer Bereiche immer mehr den Kontakt zur Öffentlichkeit.
Mein erster medialer
Auftritt – mit Susi
Nicoletti
Angst vorm Fußball
Ich meine jetzt nicht die Angst, die manche Spieler vor dem runden Leder zu haben scheinen, wenn sie gekonnt einem Stanglpass ausweichen, um dem Gegner den Ball zu überlassen. Ich meine die Angst des Publikums, ins Stadion zu gehen. Nein, ich meine jetzt auch nicht die Angst davor, wieder einmal ein schlechtes und langweiliges Spiel sehen zu müssen. Ich rede von der Angst vor Unruhen und Krawallen. Früher reichten drei Polizisten, um die Schlägerei zwischen den zwei besoffenen Streithanseln zu schlichten. Heute steht eine Hundertschaft von Uniformierten bereit, um die Hooligans voneinander fernzuhalten. Verständlich, dass da die Prominenz und auch Familien das Match lieber im Fernsehen anschauen.
Woran liegt diese seit Jahren eskalierende Gewaltbereitschaft? Man spricht gerne davon, dass dieser Drang zur Brutalität ein Ventil der Gesellschaft ist. Stellt sich die Frage: Wieso entlädt sich diese aufgestaute Frustration über Politik, soziale Ungerechtigkeit, steigende Preise, schlechten Sex oder schlechtes Wetter ausgerechnet beim Fußball?
Ich habe noch keine Massenraufereien im überfüllten Zielraum beim Skispringen am Bergisel beobachtet. Und auch nicht beim Tennis in Wimbledon, wo die Ränge voll mit Fans beider Seiten sind. Obwohl da wie dort beim Publikum im Gegensatz zum Fußballstadion kein Alkoholverbot gilt. Jemand hat einmal gesagt, dass Kitzbühel ein internationales Alkoholikertreffen mit ein paar Rennen ist. Dennoch geht es mehr oder weniger ohne Randale ab.
Selbst das für seine Brutalität berüchtigte Eishockey hat keine Fans, die während oder nach dem Spiel aufeinander losgehen, als ginge es um den Stanley-Cup. Im Eishockey geht es auf dem Eis heiß her, beim Fußball auf den Tribünen und auf der Heimfahrt vom Stadion. Die U-Bahnen, die Straßen – nirgends ist man als Unbeteiligter vor diesen Chaoten sicher. Für mich ist es unverständlich, warum es beim Fußball zwischen den Fans immer wieder zu Ausschreitungen kommt. Ich habe bloß eine Vermutung. Möglicherweise sind diese Hooligans nur auf die berühmten »15 Minuten Ruhm« aus. Mit ihren Krawallakten erreichen sie die Aufmerksamkeit der Medien und schaffen es vielleicht sogar auf die Titelseite. Da sind mir Flitzer, die nackt übers Spielfeld laufen, oder Frauen, die auf der Tribüne ihre T-Shirts hochziehen, deutlich lieber. Aber diesen Anarchisten scheint es Spaß zu machen, Angst und Schrecken zu verbreiten und ihre Untaten mit dem Handy zu filmen, um sie dann stolz im Internet zu posten.
Rette sich, wer kann
Leider ist das, zugegebenermaßen, nur eine schwache Erklärung. Eine andere Begründung wäre, dass die Qualität des Fußball-Publikums zurückgeht und immer mehr Vollidioten als normale Menschen zu den Spielen gehen. Das empfände ich als Beleidigung für eine der schönsten Nebensächlichkeiten der Welt.
Leider fällt mir als Kritiker der herrschenden Zustände und Verfechter eines schönen Sports auch nichts Klügeres ein, als drakonischere Strafen für die Rowdys zu fordern. Stadionverbot ist zu wenig. Und ein Team für die schwarzen Schafe unter seinen Fans büßen zu lassen, indem es vor leeren Rängen spielen muss, halte ich auch nicht für die richtige Maßnahme. Da kommen wie so oft die Falschen zum Handkuss.
Das Interessante ist ja, dass genau diese Fans, die beim Fußball ausrasten, begeistert, aber friedlich in der Eishalle die Vienna Capitals, den KAC oder Red Bull Salzburg anfeuern.
Der Matchbesuch soll wieder ein freudiges Ereignis für die ganze Familie werden. Wir wollen wieder mit den Kindern zu Austria gegen Rapid gehen.
Doch, eine Lösung könnte es geben. Und dazu bräuchte man nur einen Mann. Lesen Sie das »Wunder von Eisenstadt«.
2 Krücken gegen 8000 –
Das Wunder von Eisenstadt
Letztes Spiel zur Meisterschaft Anfang der 1980er. Rapid auf dem Weg, Meister zu werden. 10 000 Grün-Weiß-Fans bringen das Stadion in Eisenstadt zum Kochen. Ich stand am Spielfeldrand und kommentierte live fürs Radio. Neben mir Hans Krankl, nach einer Verletzung auf Krücken. Die letzten Minuten waren angebrochen. Rapid hatte den Titel so gut wie in der Tasche. Die Begeisterung der Fans kannte keine Grenzen und der Großteil der Anhänger wollte den Schlusspfiff nicht abwarten, um seinen Helden zu gratulieren. Rund 8000 kletterten über die Absperrungen und stürmten auf das Feld. Ein Abbruch hätte die Hütteldorfer in letzter Sekunde noch vom Thron stoßen können. Noch bevor Polizei und Sicherheitsleute in Aktion treten konnten, humpelte Krankl auf den Rasen, breitete seine Krücken seitlich von sich und hinkte der entfesselten Masse entgegen. Als hätten sie durch diese Erscheinung eine Erleuchtung, stoppten die Achttausend und wichen zurück. Die Sicherheitskräfte hätten nie ohne Randale geschafft, was ein einzelner Mann mit zwei Krücken vollbrachte. Spätestens seither ist meine Bewunderung für den Goleador grenzenlos.
Die Todesangst von San Siro
Männer und speziell die kleine Gruppe der Sportreporter gelten landauf und landab als furchtlos. Quasi wie Gary Cooper in »High Noon«. Es gibt aber Momente, bei denen selbst dem Mutigsten das Herz wahrlich in die Hose rutscht.
Nicht nur die Austria-Fans werden sich noch an die Schlacht gegen Inter Mailand im UEFA-Cup-Achtelfinale 1983 im San-Siro-Stadion erinnern. Nach dem knappen 2:1-Heimsieg mussten die Violetten zum Rückspiel nach Mailand. Dort war die Stimmung am Kochen. Für die Tifosi kam nichts anderes als ein klarer Sieg und damit der Aufstieg ins Viertelfinale in Frage. Doch die Wiener Austria erkämpfte im mit tobenden Inter-Fans zum Bersten vollen San-Siro-Stadion ein 1:1, schaffte damit den Aufstieg und warf die Mailänder aus dem Bewerb. Das war, als hätten die Österreicher die Mütter der zigtausend Inter-Fans beleidigt. Oder sogar noch schlimmer. Nach dem Schlusspfiff wurde eine wahre Hetzjagd auf die Fans, die Reporter, auf alle, die nach Österreichern aussahen, veranstaltet.
Nur der Mutige hat die Größe, Furcht zuzugeben. Sagt man. Ich sage: Ich bin groß und habe den Mut, meine Furcht zuzugeben. Ich hatte wirklich Angst, denn die Massen waren völlig außer Kontrolle. Nie und nimmer würde ich heil aus diesem Hexenkessel kommen. Flucht war die einzige Option. Gemeinsam mit drei Kollegen schlug ich mich nach Rettung suchend bis zur Austria-Spielerkabine durch. Dort baten wir den damaligen Austria-Trainer Václav Halama, mit dem Spielerbus das Stadion verlassen zu dürfen. Das schien noch der sicherste Weg, um zu überleben. Halama hat abgelehnt. Mit der Begründung: »Keine Journalisten im Spielerbus.« Auch in solch einer