Mami Staffel 5 – Familienroman. Eva-Marie Horn. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eva-Marie Horn
Издательство: Bookwire
Серия: Mami Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740920852
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meine Sonne! Seit gestern sehne ich mich nach dir, nach der Wärme in deiner Nähe. Ich habe kaum geschlafen, weil mich die Unruhe, besser gesagt die Ungewißheit, verfolgte. Von deiner Entscheidung hängt mein Leben ab.« Es klang alles reichlich übertrieben.

      Die Sekretärin, die im Vorzimmer diesen Gefühlsausbruch zwangsläufig belauschen mußte, verdrehte mißbilligend die Augen. Hoffentlich bemerkte die Chefin, mit welch mieser schauspielerischer Leistung ihr Udo Braun zu imponieren versuchte.

      Der Chefin galt die Sympathie aller Angestellten, während Udo Braun bei den meisten schlechte Karten hatte. Seine Angeberei und sein Geltungsbedürfnis brachten ihm die Minuspunkte ein. Dagegen war Gudrun Eschenbach eine bescheidene, vernünftige Frau, beruflich sehr tüchtig, privat liebenswert und sympathisch. Gudrun Eschen-bach konnte zuhören. Sie hatte Verständnis für die Anliegen ihrer Angestellten, und wenn es möglich war, sorgte sie für Abhilfe. Sie war zum jüngsten Azubi ebenso freundlich wie zum Werksmeister, der schon seit 42 Jahren in den

      Eschenbach-Werken arbeitete.

      Udo gab der Tür einen Schubs, sie flog zu. »Na, wann heiraten wir? Ich bin ungeduldig wie ein Jüngling.« Udo ging auf Gudrun zu und nahm sie stürmisch in die Arme. Er wollte sie küssen, doch sie lehnte sich abweisend zurück.

      »Laß mir noch ein bißchen Zeit«, bat sie und wußte, daß dies nur eine Ausrede war. Nie und immer konnte sie sich vorstellen, mit dem eitlen Udo zusammenzuleben.

      Das Lächeln auf Udos Gesicht war plötzlich verschwunden wie ein ausgewischter Kreidestrich auf einer Tafel. »Das enttäuscht mich aber«, murmelte er ein bißchen ungehalten. »Wer liebt, der braucht keine Bedenkzeit.«

      »Du vergißt, daß ich nicht nur für mich zu entscheiden habe. Ich muß auf Conny Rücksicht nehmen.«

      »Hierher also weht der Wind«, schnaubte Udo verärgert. »Die Kleine ist der Chef im Hause

      Eschenbach. Das hätte ich ja wissen müssen. Aber ich hätte nicht gedacht, daß du dich bevormunden läßt, Gudrun. Eines Tages wirst du das bitter bereuen. Jetzt ist der Zeitpunkt, da du Conny zeigen mußt, daß du selbst über dein Leben und deine Zukunft entscheidest. Du wirst sehen, sie findet sich damit ab, und wenn sie erst merkt, daß wir eine Einheit bilden, wird sie gar nicht mehr versuchen, dich zu beeinflussen.«

      »Ich muß mir erst selbst klarwerden«, sagte Gudrun laut und bestimmt.

      Braun zog sie noch näher zu sich heran. »Was gibt es da zu überlegen? Ich liebe dich, das weißt du, und ich werde dir immer ein treuer, verläßlicher Ehemann sein.«

      Diese Zusicherung überzeugte Gudrun nicht. »Ist es nicht so, daß du an deine Vorteile denkst?« fragte sie, obwohl ihr klar war, daß sie darauf keine ehrliche Antwort bekommen würde.

      Für einen Moment war Udo sprachlos, denn diese Formulierung hatte er nicht erwartet. »Ja. Ich denke an den Vorteil, dir Tag und Nacht nahe sein zu dürfen, mich immer um dich kümmern zu können, dir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Welcher Liebende wünscht sich das nicht? Wenn du allerdings an finanzielle Vorteile denkst, muß ich dir sagen, daß ich Protektion in dieser Hinsicht nicht nötig habe. Meine Eltern haben mir ein beträchtliches Vermögen hinterlassen, aus dem ich schon jetzt Sonderausgaben bestreite. Sonst könnte ich mir Weltreisen, wie ich sie jedes Jahr unternehme, nicht leisten.«

      »Davon hast du mir schon erzählt«, räumte Gudrun nachdenklich ein.

      »Also herrscht doch Klarheit«, stellte Udo aufatmend fest. »Bitte, Gudrun, wirf all deine Bedenken über Bord und sag’ ganz einfach ›ja‹. Dann bestellen wir das Aufgebot und sind die glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt. Ich schwöre dir…«

      In diesem Moment läutete das Telefon. Gudrun nahm den Hörer ab und lauschte. Sie wurde merklich blasser, ihr Blick flackerte. Hastig legte sie auf und erklärte mit schwankender Stimme:

      »Die Haushälterin ruft gerade an. Conny hat sich beim Sportunterricht verletzt. Ihr Lehrer hat sie nach Hause gebracht. Mein Gott, ich muß sofort zu ihr. Hoffentlich ist alles nicht so schlimm.«

      Udo biß sich auf die Lippen, denn er erkannte, daß er auch diesmal Gudruns Zustimmung nicht bekommen würde. Wieder war ihr das Kind wichtiger als er. Doch er mußte sich jede abwertende Äußerung verkneifen, wollte er Gudrun nicht ganz verlieren.

      »Ich komme selbstverständlich mit«, preßte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein Interesse an Conny war natürlich nur vorgetäuscht, doch in dieser Situation bemerkte es Gud-run nicht. Sie war viel zu aufgeregt. »Wenn du erlaubst, werde ich dich fahren.«

      »Lieb von dir.« Gudrun war bereits an der Tür. Für sie war Conny der wichtigste Mensch auf dieser Welt. Es durfte dem Kind nichts passieren! Nur dieser eine Gedanke beherrschte die junge Mutter.

      *

      Jens hatte gleich wieder gehen wollen, denn die ältere Frau, die im Hause Eschenbach kochte und putzte, würde das Kind vorbildlich versorgen, bis die Mutter kam. Aber als sich Jens verabschieden wollte, klammerte sich Conny weinend an ihn.

      »Bitte, Papa, bleib bei mir«, bettelte sie.

      Daraufhin sah die Haushälterin Jens so merkwürdig an, daß er sich nicht zu rühren wagte. Sollte er dem schmerzgeplagten Kind widersprechen? Sollte er der Haushälterin gegenüber erklären, daß er von dieser Vaterschaft keine Ahnung hatte? Jens war etwas verwirrt.

      Nachdem ihn Conny immer wieder mit ›Papa‹ ansprach, begann er nachzurechnen. Das Kind war neun. Vor etwa zehn Jahren, also mit dreiundzwanzig, hatte er in Freiburg studiert. Er war damals mit Jasmine zusammen gewesen, einer Studentin, die später einen Arzt heiratete. Nein, aus dieser Verbindung hatte er bestimmt keine Tochter, und weitere Abenteuer gab es damals nicht für ihn.

      »Wenn du da bist, tut mein Knöchel gar nicht mehr so weh«, versicherte das Kind und griff vertrauensvoll nach Seegers Hand.

      Das Gelenk schmerzte überhaupt nicht mehr, doch das wußte ja keiner, und Conny würde es auch nicht verraten. Sie genoß es, auf der Couch zu liegen und einen dick verbundenen Fuß zu präsentieren.

      »Um Gottes willen«, stöhnte Gudrun, als sie ihre kleine Tochter sah. »Wie ist denn das passiert?«

      Conny war raffiniert genug, ihrem hübschen Gesichtchen einen leidenden Ausdruck zu verleihen. Sie stöhnte leise. »Mami, Mami«, schnupfte sie, »in meinem Knöchel hämmert es, und das tut ganz arg weh.« Gepeinigt drehte Conny den Kopf hin und her.

      »Ein bedauerlicher Unfall beim Sportunterricht. Es tut mir sehr leid, Frau Eschenbach.« Jens war erleichtert, denn er war ganz sicher, Gudrun noch nie in seinem Leben gesehen zu haben. Connys Behauptung konnte also nur ein Irrtum sein. Eine Frau wie Connys Mutter hätte er mit Sicherheit nicht vergessen.

      »Der Papa hat mich hergebracht und beim Doktor war ich auch mit ihm«, berichtete Conny, vergaß aber nicht, zwischendurch leidend zu stöhnen.

      In der Sorge um ihr Kind überhörte Gudrun, daß Conny den jungen Sportlehrer als ihren Vater bezeichnete. Udo Braun dagegen fiel das sofort auf. »Papa, wieso Papa?« fragte er verständnislos. In ihm stieg der Verdacht auf, daß er es mit Peter Simon zu tun hatte, der vor acht Jahren nach Mexiko ging.

      »Kein Bruch, keine Prellung, keine Zerrung konnte der Arzt feststellen. Der Schmerz müßte rasch nachlassen, hat er gemeint. Andernfalls will er Conny morgen noch mal untersuchen.« Jens lä-chelte etwas hilflos. Diese Geste galt Gudrun Eschenbach, die er ausgesprochen sympathisch fand.

      Udo Baun beobachtete Jens mißtrauisch. Für seinen Geschmack sah der Sportlehrer zu gut aus. Das behagte ihm nicht. Seinem Charakter entsprechend versuchte er deshalb, Seeger Schwierigkeiten zu machen.

      »Das ist ein Fall für die Versicherung, und die wird Sie wegen mangelnder Aufsicht zur Rechenschaft ziehen. Ich kann nur in Ihrem Interesse hoffen, daß Sie eine private Haftplicht-Versicherung haben.«

      Die hatte Jens natürlich nicht, denn dies war seine erste Lehramtsstelle, und vorerst war er nur als Aushilfe engagiert. Sein verdutztes