Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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Probleme«, sagte Stolzenbach daraufhin.

      »Deines Chefs Töchterlein?« Bettina lächelte. »Auch das stand in der Zeitung.«

      »Anscheinend hast du ja wohl die Regenbogenpresse gründlich studiert«, antwortete Clemens Stolzenbach.

      »Ich habe seit meiner Heirat mit Ludwig nie mehr etwas von dir gehört.« Bettina Wagner war aufgestanden und ging zum Fenster. Dort blieb sie stehen und sah hinaus in die prachtvolle Bergkulisse. »Ich habe das sehr bedauert.«

      »Ich habe bedauert, daß du mich verlassen hast«, entgegnete Stolzenbach. »Ich habe es nicht verstanden und ich bin anfangs auch nicht so ohne weiteres darüber hinweggekommen. Es hat lange gedauert, bevor ich eine neue Beziehung eingegangen bin.«

      Bettina Wagner atmete tief durch. Sie ging zurück, nahm wieder Platz und sah ihren einstigen Geliebten an. »Ich… die Zeit mit dir war wunderschön. Aber als ich Ludwig kennenlernte, war sie vorüber. Ich habe Ludwig geliebt… wirklich geliebt…!«

      »Du mußt dich nicht rechtfertigen«, fiel Stolzenbach ihr ins Wort. Dann räusperte er sich und zeigte auf das Bündel Papiere vor ihr auf dem Tisch. »Sind das deine Krankenpapiere? Weswegen bist du eigentlich hier?«

      »Weil ich mich nicht wohl fühle«, antwortete Bettina Wagner. »Ich bin bei vielen Ärzten gewesen, auch bei einem Psychologen, weil einer deiner Kollegen die Vermutung äußerte, ich habe Ludwigs Tod nicht verkraftet, aber nach wie vor habe ich diese diffusen Schmerzen.«

      »Wo…?«

      »Hier!« Bettina Wagner legte die flache Hand auf die Magengegend. »Es kommt in Schüben. Manchmal bin ich tage-, ja wochenlang vollkommen schmerzfrei, dann ist es wochenlang wieder nicht zum Aushalten. Im Moment spüre ich nichts.«

      »Wenn es dir recht ist«, sagte Clemens Stolzenbach, »werde ich mir deine Krankenpapiere ansehen, und dann werden wir uns weiter unterhalten. Wie kann ich dich erreichen?«

      »Im Hotel Prinzregent in Mittenwald«, antwortete Bettina. »Wenn dieser Doktor Trautner nicht wäre, würde ich ja in die Klinik kommen. Aber ich habe das Gefühl, er mag mich nicht.«

      »Wenn er dich erst mal näher kennt, wird er dich mögen«, sagte Stolzenbach. »Du siehst übrigens sehr gut aus, mein Kompliment. Du bist keinen Tag älter geworden.«

      »Danke!« Bettina Wagner lächelte und stand auf. »Clemens…?«

      »Ja?«

      »Hast… hast du mir inzwischen verziehen? Ich meine, daß ich dich damals verlassen habe?«

      Plötzlich sah Professor Stolzenbach ernster als vorher drein. »Ich hatte es zu akzeptieren, ob ich wollte oder nicht.«

      »Das war nicht meine Frage«, sagte Bettina Wagner leise. Ihre bernsteinfarbenen Augen waren auf den jungen Chirurgieprofessor gerichtet. »Ob du mir heute verziehen hast, wollte ich wissen.«

      Es dauerte eine Weile, bis Clemens Stolzenbach antwortete. »Es ist nie leicht, eine Frau, die man liebt, an einen anderen zu verlieren.«

      »Was uns verband«, antwortete Bettina Wagner, »das war keine wirkliche Liebe, Clemens. Wir waren süchtig nacheinander, ja, aber wirklich geliebt haben wir uns nicht.«

      »Ich kann natürlich nur für mich sprechen«, meinte Stolzenbach daraufhin. »Ich habe dich geliebt. Und du hast mich fallen gelassen. Beides sind Fakten.« Dann räusperte er sich. »Ich werde dich in deinem Hotel anrufen, wenn ich deine Unterlagen durchgearbeitet habe.«

      *

      »Doktor Trautner ist nicht da, Herr Professor.« Schwester Lissi zuckte bedauernd mit den Schultern. »Jeden Dienstag ist er vormittags droben am Berg bei dem Kräutersammler. Manchmal bleibt er auch den ganzen Tag bei ihm.«

      »Wo ist er?« Professor Stolzenbach sah die junge, bildhübsche Schwester fragend an.

      »Am Predigtstuhl«, antwortete diese, »da gibt’s einen alten Kräutersucher, den Gratlinger-Lois. Der Doktor und der Lois sind Freunde seid ihrer Kindheit, und die Freundschaft besteht noch heute.« Dann lächelte Lissi. »Der Doktor sagt oft, der Lois hätte mehr für die Gesundheit der Menschen in dieser Gegend getan als die meisten Ärzte.«

      »Aha.« Professor Stolzenbach schien sich zu amüsieren. »Und wie sieht die Hilfe dieses Lois aus?«

      »Ich habe es doch schon gesagt«, antwortete Schwester Lissi, »der Lois ist Kräutersammler. Daraus mischt er Tees, füllt Inhaliersäckchen ab und fertigt aus Wurzeln und Kräutern Salben, die er nach eigenen Rezepturen miteinander mischt.«

      »Und Doktor Trautner?« wollte Stolzenbach wissen. »Was hat der damit zu tun?«

      »Na, er holt immer was vom Lois«, antwortete die bildhübsche Schwester.

      »Selbstgebraute Tees und Salben?« Clemens Stolzenbach sah die junge Schwester ungläubig an.

      Die nickte. »Häufig sogar.«

      »Und die wendet er dann hier in der Klinik an?«

      »Sicher. Es hilft den Leuten ja.«

      »Wendet Doktor Trautner sonst noch irgendwelche sogenannten Naturheilmittel an?« fragte Professor Stolzenbach.

      »Ja, das Quellwasser.« Lissi Mitterer zuckte mit den Schultern. »Aber was es damit auf sich hat, das weiß ich nicht. Da müssen Sie den Doktor schon selbst fragen.«

      Während Professor Stolzenbach sich bedankte und dann stirnrunzelnd davonging, stieg Dr. Trautner einen schmalen Pfad hinauf. Nach einer halben Stunde blieb er stehen und drehte sich um, um ein wenig zu verschnaufen. Dabei hatte er einen einmalig schönen Blick in die Werdenfelser Bergwelt. Im Westen ragten Waxenstein und Alpspitze in den wolkenlosen blauen Himmel, im Süden wuchs die Wettersteinwand aus dem felsigen Gestein, noch weiter südlich die schneebedeckten Spitzen der Tiroler Berge und im Osten zeichneten die Karwendelspitzen ihre steinernen Formationen gegen das Firmament.

      Dr. Trautner setzte sich auf eine Felsplatte und genoß die Ruhe und die Einsamkeit. Er schätzte diese Minuten sehr und um nichts auf der Welt hätte er darauf verzichtet, einmal in der Woche auf den Predigtstuhl zu steigen, um seinen Jugendfreund Lois zu besuchen.

      Alois Gratlinger war auf einem Bauernhof aufgewachsen, hatte mit Dr. Trautner die Schule besucht und Abitur gemacht, dann hatten sie sich vorübergehend aus den Augen verloren.

      Als sie sich nach einigen Jahren wiedergesehen hatten, war Vinzenz Trautner Assistenzarzt in Garmisch, und der Gratlinger-Lois bewirtschaftete den Sterzenhof, den er von seinem Vater übernommen hatte.

      Er war noch nicht mal fünfzig, als er den Hof seinem Sohn übergab und sich auf die Predigtstuhl-Alm zurückzog, wo er zu Beginn noch Almwirtschaft betrieb, doch im Laufe der Jahre widmete er sich immer mehr der Kräutersammelei.

      Der Gratlinger-Lois mischte verschiedene Tees, deren Rezepturen er immer mehr verfeinert hatte; er stellte zuerst nur eine Salbe her, inzwischen waren es drei verschiedene, deren Mixtur er niemand verriet, die jedoch von vielen Ärzten der Gegend empfohlen wurden, und er gab Blumensamen und Kräuter in ein Sackerl, das man über heiße Dämpfe legte, um sie dann einzuatmen, denn sie halfen bei Schnupfen und Infektionen der oberen Luftwege.

      Bei allem unterstützte ihn Dr. Trautner, der den Gratlinger seit Jahren auf seiner einmalig schön gelegenen Hütte auf der Predigtstuhl-Alm besuchte.

      »Wo bleibst du denn heut’?« fragte der Lois, während er auf die hoch am Himmel stehende Sonne zeigte. »Ich hab’ mir schon Gedanken gemacht und gemeint, du wärst über den Ochsensteig gekommen. Das Brückerl über den Karbach drüben an der Klamm ist nämlich defekt. Einer der Bolzen hat sich gelockert, und wenn es ganz dumm geht, dann haut’s dich hinunter in die Schlucht.«

      »Zuerst einmal Grüß Gott.« Dr. Trautner atmete ein paarmal tief durch, weil er ein wenig aus der Puste gekommen war, denn der letzte Teil des direkten Weges herauf auf die Alm war sehr steil und kräftezehrend.

      »Grüß dich, Vinz!« Alois Gratlinger lächelte