Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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Arzt möchten Sie sprechen?« wurde sie gefragt.

      »Jeden, nur diesen alten Doktor Trautner nicht«, antwortete sie mit schwerer Stimme, denn es war bereits das vierte Glas Whisky gewesen, das sie an jenem Nachmittag getrunken hatte. »Welche Ärzte gibt es denn bei Ihnen?«

      »Den Chef, Herrn Doktor Trautner…!«

      »Den nicht!«

      »Herrn Doktor Heiken«, begann die Dame an der Zentrale aufzuzählen, »Herrn Doktor Rosenberg, Herrn Professor Stolzenbach und…!«

      »Moment, wie war der letzte Name…?« Bettina Wagner glaubte, sich verhört zu haben.

      »Professor Stolzenbach!«

      »Clemens Stolzenbach? Aus München?«

      »Der Professor heißt mit Vornamen Clemens, das steht hier im Telefonverzeichnis, aber ob er aus München kommt, das weiß ich nicht.«

      »Wie lange ist Professor Stolzenbach bei Ihnen in der Klinik?«

      »Etwa zwei Wochen.«

      »Dann möchte ich einen Termin bei ihm«, sagte Bettina Wagner. »Wann kann ich kommen?«

      »Einen Moment bitte, da muß ich Sie weiterverbinden.«

      Wenige Minuten später lehnte sich Bettina Wagner entspannt zu­rück.

      Sie hatte einen Termin schon für den übernächsten Tag bekommen und sich unter dem Namen einer Freundin angemeldet. Die Sekre­tärin hatte ihr bestätigt, daß Professor Stolzenbach aus München sei und zuletzt im Klinikum gearbeitet habe.

      »Das nenn’ ich Zufall«, murmelte Bettina Wagner, nahm abermals die Whiskyflasche, um sich erneut ein Glas einzugießen, stellte die Flasche jedoch wieder weg.

      »Wenn ich mit dir rede, lieber Clemens«, murmelte sie vor sich hin, »muß ich einen klaren Kopf haben. In die Berge hast du dich also zurückgezogen. Da schau her!«

      Dann begann sie, sich herzurichten, besuchte am Abend das Restaurant des Hotels, schlief den ganzen nächsten Tag, weil sie ausgeruht und gut aussehend in der Klinik erscheinen wollte, und als sie sich dann am nächsten Morgen sehr kritisch im Spiegel betrachtete, huschte ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht. Wenn sie ausgeschlafen war, nahm sie es in punkto Aussehen noch mit jeder Frau ihres Alters auf, auch noch mit vielen, die wesentlich jünger waren als sie.

      Später ließ sie sich ein Taxi kommen und zur Bergklinik fahren.

      Der Taxifahrer war einer der Gesprächigen und plapperte drauflos. Unter anderem erzählte er, daß Dr. Trautner eine Kapazität sei, was sie kommentarlos hinnahm – was wußte schon ein Taxifahrer! Sie konzentrierte sich ganz auf die Begegnung mit Clemens Stolzenbach. Für ihn würde es sicher eine überraschende Begegnung werden, das stand fest. Wie er heute wohl aussah?

      Etwas über sieben Jahre hatten sie sich nicht gesehen. Bei ihrer Hochzeitsfeier zum letzten Mal. Mit einem großen Strauß roter Rosen war er aufgetaucht und hatte ihn ihr vor allen Gästen überreicht. Ludwig hatte er keines Blickes gewürdigt. Dann war Clemens Stolzenbach aus ihrem Leben verschwunden.

      Damals hatte seine Karriere gerade begonnen. Sie hatte sie verfolgt, soweit es ihr möglich war. Immer wieder berichteten die Zeitungen von seinen Erfolgen als Chirurg. Mehr als einmal war er als ganz begnadeter Chirurg bezeichnet worden.

      Fünf Jahre waren sie miteinander befreundet gewesen, hatten eine sehr enge und intime Beziehung miteinander gehabt. Bis sie Ludwig Wagner begegnet war. Der hätte ihr Vater sein können, zumindest, was das Alter betraf.

      Keiner hatte verstanden, daß sie sich von Clemens Stolzenbach getrennt und in Konsul Ludwig Wagner verliebt hatte. Auch nicht, daß sein Geld keinerlei Rolle bei ihrer Entscheidung gespielt haben sollte, als sie sein überraschendes Heiratsangebot ohne zu zögern annahm.

      »Was willst du mit ihm?« hatte Clemens gefragt. Immer wieder hatte er wissen wollen, was Ludwig ihr geben konnte und er nicht.

      Sie hatte versucht, es ihm zu erklären, doch die passenden Worte waren ihr nicht eingefallen. Dabei wäre es so einfach gewesen, das wußte sie heute. Liebe lautete das Zauberwort, es war Liebe gewesen, was sie mit Ludwig Wagner verbunden hatte, nicht mehr und nicht weniger.

      Je näher das Taxi der Klinik kam, desto nervöser wurde sie. Sie wollte sich eine Zigarette anzünden, dachte an Dr. Trautner und steckte sie wieder weg.

      Dann waren sie da. Sie nahm einen kleinen Kosmetikspiegel aus ihrer Handtasche, betrachtete sich kurz, steckte den Spiegel wieder ein, bezahlte den Chauffeur, stieg aus und betrat sehr selbstbewußt wirkend die Eingangshalle der Klinik.

      »Ich habe einen Termin bei Professor Stolzenbach«, sagte sie zu der Dame am Empfang. Zum Glück erinnerte sie sich rechtzeitig genug daran, daß sie sich unter dem Namen Zanger angemeldet hatte, und Augenblicke später wurde sie in des Professors Ordination gebeten.

      »Wenn Sie sich noch einen Augenblick gedulden wollen, gnädige Frau«, sagte die Sekretärin, »der Herr Professor ist sofort für Sie da.«

      Es dauerte noch eine Viertelstunde, dann wurde die Tür geöffnet und Clemens betrat das Zimmer. Bettina Wagner meinte, ihr Herz bis zum Hals herauf schlagen zu hören, so aufgeregt war sie in dem Moment. Clemens sah sehr gut aus, besser als sie es in Erinnerung hatte. Er wirkte sportlich und äußerst kompetent.

      Als er sie ansah, stutzte er einen winzigen Augenblick, dann kam er auf sie zu, küßte ihre Hand und tat so, als erkenne er sie nicht. Bettina Wagner war mehr als enttäuscht. Sie hatte seine Überraschung erleben wollen, und nun schien er sie nicht mal zu erkennen.

      Doch dann wurde sie eines Besseren belehrt. Clemens bat sie, Platz zu nehmen, dann lächelte er sie an und fragte: »Seit wann heißt du Zanger? Hast du am Ende schon wieder geheiratet?«

      Jetzt wußte sie nicht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte. Immerhin, erkannt hatte er sie, aber seine abwartende, um nicht zu sagen kühle Reaktion konnte nichts anderes bedeuten, als daß er ihr nicht verziehen hatte.

      »Ich… ich habe mich unter anderem Namen angemeldet«, sagte sie, »weil ich nicht sicher war, ob du mich empfangen hättest, wenn ich als Bettina Wagner gekommen wä­re.«

      Clemens Stolzenbach verzog keine Miene. Nach wenigen Momenten wollte er wissen, wie er ihr helfen könne. Dann fügte er hinzu: »Bist du meinetwegen hierher gekommen?«

      Bettina schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht gewußt, daß du hier bist.«

      »Und dein falscher Name?«

      »Erst bei der Anmeldung habe ich erfahren, daß es hier in der Klinik einen Professor Stolzenbach gibt. Ich war vor zwei Wochen schon mal hier.«

      »Aha. Bei wem?«

      »Doktor Trautner.«

      »Und warum bist du nun bei mir?«

      »Weil dieser Trautner mich nach Hause geschickt hat. Und zwar, weil ich nicht auf eine Zigarette habe verzichten wollen. Ich habe es als Unverschämtheit empfunden und bin gegangen.«

      Clemens Stolzenbach schmunzelte.

      »Was gibt es da zu lachen?« Bettina Wagner sah ihn fragend an.

      »Kollege Trautner hat eine sehr eigene Art«, sagte Professor Stolzenbach. »Man kann damit schon mal seine Probleme haben.«

      Bettina Wagner ging nicht weiter auf das Thema ein, sondern wollte wissen, warum er das Münchener Klinikum verlassen habe.

      »Du hattest dort doch die allerbesten Aussichten«, sagte sie. »Die Münchener Zeitungen haben immer in den schillerndsten Farben von deiner Karriere berichtet.«

      »Schillernde Farben rufen Neider auf den Plan…!«

      »Und da hast du dich hierher zurückgezogen?« Bettina Wagner sah Clemens Stolzenbach ungläubig an. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß du so einfach aufgibst. Früher hättest du es nicht getan.«

      »Früher ist lange vorüber.«