Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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steht ihr auf und wascht euch. Du auch, Julchen. Hast du dem Markus schon gesagt, was ihr zwei heut’ tun sollt?«

      Julchen nickte. »Hab’ ich. Er hat aber Angst vor dem Jockel.«

      »Hab’ ich gar nicht. Ich hab’ nur gefragt, ob er beißt.«

      »Schluß jetzt und aufgestanden.« Die Fahlingerin öffnete die beiden Fenster.

      »Ich hab’ aber doch gar keine Zahnbürste da und sonst auch keine Sachen, die ich am Morgen brauch’.«

      »Ich hab’ dir schon alles, was du brauchst, ins Bad gestellt. Irgendwann im Lauf des Tages kommen deine Sachen aus der Bergklinik herauf.«

      »Muß ich denn nimmer in die Klinik und darf ich jetzt bei Ihnen bleiben?« Markus sah die Fahlinger-Greti hoffnungsvoll an.

      Die Bäuerin streichelte dem Jungen über den Kopf. »Du armes Hascherl«, sagte sie leise vor sich hin. Dann lächelte sie ihn besonders freundlich an. »Sag ruhig Tante Greti und du zu mir. Ja, du darfst da bleiben.«

      »Und was ist mit der Schule?« fragte Markus, der offensichtlich annahm, einen langen Aufenthalt vor sich zu haben. »Es sind nur noch drei Wochen Ferien.«

      »Dann kommst mit mir in die Schul’.« Julchen jauchzte. »Das wär’ was. Was meinst denn, wie die anderen staunen, wenn ich dich mitbring’. Und neidisch werden s’ sein. Vor allem die Kathi, die dumme Gans.«

      »Du sollst so net reden«, mahnte die Fahlinger-Greti, dann sagte sie noch mal, daß die beiden voran machen sollten, und verließ die Kammer ihrer jüngsten Tochter.

      »Dreh dich um«, sagte Julchen, zog dann ihr Nachtgewand aus und die Sachen für den Tag an. »Wo ist deine Mutter eigentlich?«

      »In Asien…!«

      »Wo…?«

      »Zuerst in Indien und dann in Nepal.«

      »Maria…!« Julchen war beeindruckt. »Was macht sie denn da?«

      »Sie ist Fotografin.«

      »Und sie fährt zum Fotografieren so weit?«

      »Ihre Bilder kommen in die Zeitung.«

      Julchen sah Markus gespannt an. »Dann ist sie berühmt?«

      Markus zuckte mit den Schultern. »Ich glaub’ nicht. Ich glaub’ eher, sie verdient Geld damit.«

      Julchen starrte Markus daraufhin noch gespannter als vorher an. »Und dein Vater, was macht der?«

      »Der wohnt nicht mehr bei uns. Der ist ausgezogen.« Plötzlich war die bis dahin sehr aufgeräumte Stimmung des Jungen verschwunden, und er machte einen sehr niedergeschlagenen Eindruck.

      »Ausgezogen? Ja, warum das denn? Wo wohnt er denn jetzt?« Julchen begriff nicht, was Markus ihr gesagt hatte.

      »Mein Vati und meine Mutti haben sich getrennt und wollen sich scheiden lassen.« Eine Träne rann über das Gesicht des Jungen. »Ich hab’ zukünftig immer nur einen. Entweder den Vati oder die Mutti.«

      »Wenn sie nicht zum Fotografieren in Indien ist«, sagte Julchen.

      Daraufhin nickte Markus. »Ja, wenn wer da ist.«

      *

      »Heut’ schaust ganz und gar net gut aus.« Greti Fahlinger sah ihren Mann besorgt an.

      »Mir ist auch net gut«, brummelte der. »Ich krieg’ die Erkältung einfach net weg.«

      »Das ist keine Erkältung.« Die Föhrenhoferin stand auf und ging zu ihrem Mann, dem der kalte Schweiß auf der Stirn stand. »Alfons, ich hab’ Angst. Ich ruf jetzt den Doktor.«

      »Schmarrn…!« Alfons Fahlinger wollte aufstehen, schaffte es aber nur, als er sich an der Tischkante hochzog. Doch dann setzte er sich wieder hin.

      »Alfons? Ist dir net gut?«

      Im gleichen Augenblick kam ein Wagen auf den Hof gefahren, und Dr. Vinzenz Trautner stieg aus. Er nahm eine Tasche aus dem Kofferraum; offensichtlich brachte er Markus’ Gepäck.

      »Mei, den Doktor schickt der Himmel.« Die Fahlingerin riß das Fenster auf und schrie: »Doktor, komm rasch, der Alfons… er ist ganz grau im Gesicht, und kalter Schweiß steht ihm auf der Stirn. Er kann auch nimmer stehen.«

      Dr. Trautner brauchte eine Sekunde, dann stellte er die Reisetasche mit Markus’ Sachen ab, griff nach einer Arzttasche im Wageninneren und rannte in die Stube, schob die Fahlinger-Greti beiseite und beugte sich über den mit schmerzverzerrtem Gesicht daliegenden Föhrenhofbauer.

      Trautner hatte das Stethoskop schon aus der Tasche genommen, öffnete dem völlig kraftlos auf der Eckbank Liegenden das Hemd und horchte ihn ab, dann schob er ihm die Manschette des Blutdruckgerätes über den entblößten Oberarm und maß zweimal hintereinander den Blutdruck.

      Dann zog er eine Spritze auf und injizierte sie dem inzwischen im Koma liegenden Fahlinger in die Armvene. Danach zog er noch eine Spritze auf und injizierte sie ebenfalls in die Armvene.

      »Ruf die Klinik an«, sagte er dann zu der völlig aufgelöst dastehenden Föhrenhoferin, »sie sollen ganz rasch einen Wagen schicken. Nein, laß mal, ich ruf schon selbst an.«

      »Was ist denn mit dem Alfons?« Greti Fahlingers Stimme zitterte vor Aufregung, als der Chef der Bergklinik vom Telefon zurückkam.

      »Wie es ausschaut, hat er einen Herzinfarkt.« Dr. Trautner sah sehr ernst drein. »Der Blutdruck ist im Keller, und der Puls geht sehr unregelmäßig. Er hat enorme Überleitungsstörungen.«

      »Was heißt das?«

      »Daß er so rasch wie möglich in die Klinik muß.«

      »Aber er wird doch wieder gesund, oder?« Die Föhrenhoferin sah den Chef der Bergklinik mit starrem Blick an. »Sag, daß er wieder gesund wird.«

      »Das weiß ich net«, antwortete Dr. Trautner. »Wir können heilfroh sein, daß ich grad’ dagewesen bin, so daß ich die ersten Maßnahmen einleiten konnte. Das ist eigentlich das Wichtigste bei einem Infarkt.«

      »Jungfrau Maria, ich bitt’ dich…!« Die Fahlinger-Greti bekreuzigte sich.

      »Soweit ist’s noch net.« Trautner maß dem sehr schwer atmenden Föhrenhofer wieder den Blutdruck und runzelte dann die Stirn. »Es schaut allerdings net gar so gut aus. Hoffentlich packt er’s bis in die Klinik.«

      Da begann die Greti laut zu weinen. »Herrgott im Himmel. Ich bitt’ dich! Der Alfons, wir brauchen ihn doch. Wir… ohne ihn geht doch gar nix. Wir haben noch kleine Kinder und…!« Dann begann sie hemmungslos zu weinen.

      Nicht viel später kam der Krankenwagen, und als man den Fahlinger endlich aus dem Haus in den sehr modern eingerichteten Wagen geschafft hatte, wurde er sofort an Diagnosegeräte angeschlossen. Zwei Notärzte waren mitgekommen, und auch Dr. Trautner bemühte sich um den Schwerkranken.

      Als der Krankenwagen abfuhr, wollte die Greti einsteigen, doch Dr. Trautner hielt sie zurück. »Laß den Alfons jetzt mal alleine. Er ist in besten Händen. Du mußt erst deinen Kindern klarmachen, was passiert ist, du kannst dann nachher mit mir hinunter fahren. Tun kannst jetzt eh nix für den Alfons.«

      »Aber bei ihm sein kann ich doch…!«

      »Das wirst ja auch nachher. Jetzt mußt es erst den Kindern begreiflich machen. Wo ist der Markus eigentlich?«

      »Mit… mit dem Julchen Vieh von einer Weide zur anderen bringen. Sie müßten eigentlich bald zurück sein. Doktor…!« Greti Fahlinger sah den Leiter der Bergklinik eindringlich an. »Sag mir, daß der Alfons wieder nach Haus’ kommt. Ich bitt’ dich, sag es mir. Und wenn du mich belügst, es ist mir wurscht, aber sag mir, daß er wieder nach Haus’ kommt. Wenn ich nur dran denk’, daß ich in Zukunft alleine mit den Kindern sein soll, und wenn ich an die Schulden denk’, dann… mir wird ganz übel.« Dann begann sie lautlos zu weinen.

      *

      Professor