Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman. Hans-Peter Lehnert. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Peter Lehnert
Издательство: Bookwire
Серия: Die Bergklinik Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740916947
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an der linken arteria femoralis gelegt und dem anderen Patienten, Hans Hennrichs, war die Gallenblase entfernt worden.

      Als Stolzenbach am späten Nachmittag dann noch mal zu den Patienten in die Intensivstation kam, begrüßte ihn Kurt Lauber freundlich lächelnd und sagte, er fühle sich sehr wohl.

      Hennrichs dagegen beschwerte sich über starke Schmerzen des Bauchraums, die nichts mit Wundschmerz zu tun haben konnten, und bald stand fest, daß es trotz der Bemühungen Stolzenbachs doch zu einer Entzündung des Bauchfells gekommen war. Als Stolzenbach die Bauchdecke eröffnet hatte, war nämlich die Gallenblase bereits breitflächig perforiert gewesen.

      Er verabreichte Antibiotika und behandelte die Dehydration mit intravenösen Infusionen.

      Als er den Intensivbereich verließ, wurde er ans Telefon gerufen.

      »Es ist ein Doktor Lehner, Herr Professor«, sagte seine Sekretärin, »er ruft schon zum dritten Mal an.«

      »Legen Sie das Gespräch in mein Zimmer«, antwortete Stolzenbach, und als er das Ärztezimmer der chirurgischen Station betrat, klingelte dort bereits das Telefon.

      »Grüße dich, Josef«, sagte er zu Markus’ Vater. »Wir haben uns jahrelang nicht gesehen, wann kommst du einmal heraus zu uns?«

      »Das ist das Problem«, antwortete Dr. Josef Lehner. »Ich habe keine Zeit. Wüßte aber doch gern, wie es Markus geht.«

      »Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.« Stolzenbach wich einer klaren Antwort aus. Er hatte Dr. Trautner versprochen, ihm eine Woche Zeit zu geben bei der Behandlung Markus’ und konnte dessen Vater jetzt schlecht sagen, daß er die Behandlung seines Sohnes inzwischen einem Kollegen übergeben habe, zumal er ab und zu selbst an Dr. Trautners naturheilkundlichen Methoden zweifelte.

      »Wie lange werden die Untersuchungen noch dauern?«

      »Ein paar Tage! Du würdest dem Jungen sehr helfen, wenn du ihn besuchen könntest.«

      »Das ist leider nicht möglich. Mein Schreibtisch ist voller Arbeit.«

      »Markus braucht dich.«

      Am anderen Ende der Leitung war es einen Augenblick still. »Ich komme, sobald ich kann. Muß… müssen wir uns Sorgen machen? Ich meine jetzt, Markus’ Gesundheit betreffend?«

      »Wenn ein Kind in die Klinik kommt, dann muß man sich immer Sorgen machen.«

      »Was ist bei den Untersuchungen bisher herausgekommen?« Ein wenig Unbehagen hörte man aus Lehners Stimme. »Hast du was festgestellt? Irgendwas Organisches? Ich meine…?«

      »Ich weiß, was du meinst«, antwortete Clemens Stolzenbach. »Nein, es gibt bisher keinen Hinweis auf eine Erkrankung deines Sohnes.«

      »Wann kannst du mehr sagen?«

      »In einer Woche etwa…!«

      »Ich rufe dich dann wieder an.« Lehner zögerte. »Bestell Markus bitte die allerbesten Grüße von mir.«

      »Ich werde es tun, aber du solltest kommen. Und Heidrun auch. Ihr könnt den Jungen nicht einfach so abschieben.«

      Es war ganz still am anderen Ende der Leitung, dann wurde der Hörer aufgelegt.

      Als Stolzenbach aus seinem Zimmer kam, wollte Dr. Trautner ihn sprechen.

      »Das trifft sich gut«, antwortete der Professor, »denn ich wollte grade zu Ihnen. Was ist mit Markus? Ich habe ihn seit jenem Tag nicht mehr gesehen? Er ist auch nicht in seinem Zimmer.«

      Vinzenz Trautner lächelte. »Das stimmt, da ist er auch nimmer.«

      »Was heißt das?«

      »Daß er inzwischen auf der Alm wohnt.«

      »Wie bitte?« Stolzenbach meinte, sich verhört zu haben.

      »Ja, ich habe Markus bei einer Bergbauernfamilie gelassen.« Dr. Trautner zeigte auf sein Zimmer. »Kommen S’, Professor, ich werd’ Ihnen sagen, was ich vor habe.«

      Clemens Stolzenbach nahm in einem Sessel Platz und sah den Chef der Bergklinik erwartungsvoll an. »Wo ist Markus? Bei einer Bergbauernfamilie? Was soll das denn bedeuten?«

      »Dem Bub fehlt nix, absolut nix.« Trautner bestellte zwei Kaffee. »Sie haben ja selbst erlebt, wie niedergeschlagen er war, wie wenig ansprechbar.«

      »Aber deswegen gibt man ihn doch nicht bei einer ihm völlig fremden Familie ab.« Stolzenbach war ganz offensichtlich nicht einverstanden.

      »Meinen S’, hier in der Klinik wär’s ihm heimeliger?« Trautner schüttelte den Kopf. »Sie sollten den Buben mal sehen. Wie der aufgeblüht ist. Der Fahlinger hat ein Madel, das Julchen, sie ist im Alter von Markus, die beiden mögen sich sehr und…!«

      »Was ist denn, wenn dem Buben was passiert?« Stolzenbach ging zum Fenster und sah hinaus. »Seine Mutter hat ihn mir gebracht. Sein Vater ruft bei mir an. Beide sind der Ansicht, daß ich mich um Markus kümmere. Und Sie geben ihn zu einem Bergbauern.«

      »Was wollen Sie, Professor? Daß es dem Jungen bald wieder gut geht oder daß Sie ihn ständig unter Ihrer Aufsicht haben?«

      »Können Sie ausschließen, daß ihm da was passiert?« Stolzenbach sah den Leiter der Bergklinik kritisch an.

      Der schüttelte den Kopf. »Das können Sie hier aber auch nicht. Niemand kann für irgendwas eine Garantie übernehmen.«

      Inzwischen war der Kaffee gekommen, und beide hatten einen Schluck genommen. Stolzenbach stellte seine Tasse ab und fragte: »Was sind das für Leute, bei denen Markus ist? Wie wohnt er da?«

      »Es sind ganz einfache Leut’, und sie haben Markus ohne jeden Hintergedanken aufgenommen.« Dann runzelte Vinzenz Trautner die Stirn. »Allerdings ist der Vater am Tag, nachdem ich Markus dort gelassen hab’, da bei uns eingeliefert worden. Zuerst hab’ ich gemeint, es sei ein Infarkt. Aber das hat sich zum Glück nicht bestätigt.«

      »Was war es denn?«

      »Ein Angina pectoris-Anfall, und zwar ein sehr heftiger. Aber viel hat nicht gefehlt, und der Infarkt wär’ dagewesen. Zum Glück war ich ­zufällig da und konnte ein geeignetes Mittel injizieren. Ein Angiogramm des Herzens ist bereits erstellt, ein Seitenast der hinteren Herzkranzarterie ist an einer Stelle fast zu. Die Herzkatheteruntersuchung steht zwar noch aus, aber ich bin sicher, daß der Fahlinger-Alfons einen Bypass braucht.«

      Stolzenbach saß da und sah vor sich hin. Als er aufblickte, sah er skeptisch drein. »Das sind nicht die besten Voraussetzungen dafür, daß Markus sich dort wohlfühlt.«

      »Er tut’s aber. Sie erkennen ihn nicht wieder. Ich bin gestern noch mal droben gewesen, der Bub ist quietschfidel und lustig und nicht mehr wieder zu erkennen. Komm S’ doch mal mit und überzeugen Sie sich selbst.«

      Es war Montag und Markus nun fast eine Woche auf dem Fahlinger-Hof. Stolzenbach wußte, daß er eine Entscheidung treffen mußte. Was sollte mit Markus passieren? Sollte er zurück in die Klinik oder war es gescheiter, ihn bei der Familie zu lassen, deren Vater offensichtlich schwer krank war?

      »Morgen kommt Monika aus München«, antwortete er nach kurzem Nachdenken. »Sie kennt die Familie?«

      »Sicher kennt sie sie. Die Fahlingers sind ja die Nachbarn des Sterzenhofes.« Dr. Trautner schien plötzlich noch was auf dem Herzen zu haben. »Entschuldigen S’ die persönliche Frage, Professor, haben S’ noch näheren Kontakt zu Monika?«

      Der nickte lächelnd. »Sollte ich nicht?«

      »Doch, doch, natürlich«, beschwichtigte Trautner. »Als ich letztens den Lois danach fragte, wußte der keine rechte Antwort.«

      Monika Gratlinger war die Enkelin des alten Lois und studierte in München Medizin. In den vergangenen Semesterferien hatte sie in der Bergklinik bei Professor Stolzenbach ein chirurgisches Praktikum absolviert, und dabei hatten die beiden sich ineinander verliebt.

      Stolzenbach lächelte. »Monika und ich sind für