»Ich stimme Ihnen zu, aber viele beurteilen dies anders. Zumindest ist es bei großen Teilen meines Volkes so. Es ist eine grundlegende Frage in unserem Zusammenleben. Gibt es das Gute im Menschen, oder sind wir von Natur aus böse? Wir führen Kriege, und wenn ich sehe, was auf diesem Planeten geschieht, entdecke ich unendlich viel Leid. Schmerzen, die wir uns gegenseitig zufügen, aus welchen Gründen auch immer.«
»Weil die Ehrfurcht fehlt«, warf der Arkonide ein.
Rhodan verstand sofort, worauf er hinauswollte. »Ehrfurcht vor dem Leben«, sagte er. »Das ist es doch, was Sie meinen, Crest da Zontral?«
»Jeder verdient diese Ehrfurcht. Und den Glauben daran, dass es eine bessere Zukunft gibt. Auch wenn man resignieren möchte vor dem, was man erlebt.«
»Ist es auf Ihrem Planeten zu einer Katastrophe gekommen? Und was sehen Sie ...«
»Reden Sie nicht weiter«, unterbrach der Arkonide. »Diese Dinge werde ich nicht besprechen. Nicht, solange dort draußen eine Armee steht, die Sie und mich töten will.«
»Es gibt nur einen Weg, dagegen anzugehen.« Rhodan erhob sich von seinem Pilotenplatz und ging in dem engen Cockpit direkt zur Sichtscheibe, legte beide Hände flach daran. Es fühlte sich kalt an. Er stand so nahe, dass sein Atem auf dem Glas kondensierte. »Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Gegen das angehen, was wir dort draußen beobachten. Gepaart mit dem Glauben an das Gute, von dem Sie gesprochen haben, finden wir so die Kraft zur Veränderung.«
In den Augen des Arkoniden fing sich das Licht, und es schien, als glimmten sie aus sich heraus rötlich. »Sich zu ergeben angesichts dessen, was wir sehen, ist immer der falsche Weg.« Es klang, als würde er es von einem Blatt ablesen, wie eine auswendig gelernte und oft zitierte Floskel. Es fehlte die echte Überzeugung, der eigene innere Antrieb, der diesen Worten die nötige Überzeugungskraft verlieh.
Rhodan fragte sich erneut, was in diesem Mann vorging. Was hatte er erlebt? Und was hatte letztlich zum Kontakt ihrer beiden Völker geführt? Wirklich nur ein Absturz, weil die Arkoniden an Bord so passiv geworden waren, dass sie in ihren Fiktivspielen versunken waren? Oder steckte mehr dahinter? »Wieso haben Sie unser Sonnensystem aufgesucht, Crest?«
»Ich ...« Der Arkonide hob die Arme. Die Fingerspitzen berührten einander. Dann legte er sich wieder zurück, drehte den Kopf zur Seite und faltete die Hände über der Brust. Sein Atem ging ruhig und scheinbar entspannt. »Lassen Sie uns später darüber reden.«
»Hat es etwas mit uns zu tun? Mit der Menschheit? Mit der Situation, in der wir uns befinden?« Die beiden Möglichkeiten, die sich daraus ergaben, sprach er nicht aus, sondern formulierte sie nur in Gedanken: Und wenn ja, sind Sie gekommen, um uns zu helfen oder um uns zu bestrafen?
Crest schwieg.
»Hören Sie bitte zu«, bohrte Rhodan weiter. »Wir sind uns nicht einig, wie wir nun vorgehen sollen. Ich habe mit meinen Kollegen gesprochen, mit Reginald Bull, Eric Manoli und Clark Flipper. Eine Meinung ist, dass wir der Menschheit demonstrieren müssen, über welche Macht wir verfügen.« Er legte eine kurze, exakt bemessene Pause ein. »Oder genauer gesagt, welche Macht Sie besitzen, Crest. Sie und Ihr Volk. Mit Ihrer Supertechnik können wir die Menschheit vielleicht dazu zwingen, zur Vernunft zu kommen!«
»Glauben Sie wirklich, dass das möglich ist? Kann man den ... Frieden mit Gewalt erzeugen? Darum geht es Ihnen doch, nicht wahr? Um den Frieden für Ihre Welt?«
Rhodan nickte, bis ihm auffiel, dass sein Gegenüber diese Geste womöglich nicht deuten konnte. Sie war ihm allerdings in Fleisch und Blut übergegangen; er führte sie rein intuitiv durch. »Sie haben recht«, sagte er deshalb. »Aber ich will keine Gewalt anwenden. Zwingen ist darum nicht das richtige Wort. Eine ... Demonstration unserer Machtmittel wäre die passendere Bezeichnung.«
»Also eine Drohung.«
Erneut wollte Rhodan widersprechen, doch er schwieg, als er näher darüber nachdachte. Im Grunde genommen traf genau das zu. »Das ist wohl eine philosophische Debatte und eine Frage der Interpretation.«
»Friede durch den Ausgleich der Machtmittel oder dadurch, dass eine Partei über größere Macht verfügt.« Crests Stimme klang nachdenklich. »Sei es nun die mit den besseren Absichten oder nur den effektiveren Waffen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin durchaus nicht abgeneigt, Ihnen zuzustimmen und zu helfen.«
Rhodan fühlte, wie die Aufregung einer ungeheuerlichen Möglichkeit in ihm aufstieg. »Für die Verhältnisse unseres Planeten sind wir mit der arkonidischen Technologie so gut wie allmächtig. Aber wir verfügen nur über winzige Bruchstücke Ihrer Technik! Ich habe auf dem Mond so viel mehr gesehen. Helfen Sie uns, Crest! Das ist die Bitte, die ich ganz konkret vorbringe, und ich bin froh, dass Sie bereit sind, darüber nachzudenken. Ihre AETRON verfügt über sechzehn Beiboote. Ein einziges davon genügt ... Crest, stellen Sie mir einen dieser 60-Meter-Raumer zur freien Verfügung.«
Er wusste, dass es ein kühner Wunsch war. Für den Arkoniden mochte ein Schiff dieser Größe nur ein kleines, unbedeutendes Beiboot darstellen – für die irdische Raumfahrt war es ein Gigant, der zudem über unvorstellbare technologische Mittel verfügte.
Crest schwieg.
»Eines von sechzehn Beibooten«, betonte Rhodan erneut. »Zweifellos ist es für Sie entbehrlich.«
»Eigentlich ja. Aber Thora wird das niemals zulassen, und sie ist nun einmal die Kommandantin der AETRON.«
»Aber wenn Sie mein Fürsprecher sind, Crest, stellt sich die Lage vielleicht ganz anders dar. Sie sind ein Arkonide, genau wie Thora, und Sie verstehen, worauf es mir ankommt. Ich versuche nicht, meine eigene Macht auszubauen und dazu Ihr Beiboot zu missbrauchen! Ich will nur eines: meinen Planeten retten, mein Volk vor dem Untergang bewahren, in den es unaufhörlich hineinschlittert! Diese Situation, die Begegnung mit Ihnen, ist eine große Chance für die Menschheit, aber auch eine Quelle unendlicher Gefahr. Wenn Neid, Missgunst und Angst die Oberhand gewinnen, wird es zur Katastrophe kommen!« Rhodan holte tief Luft und überlegte sich die nächsten Worte ganz genau. »Sie tragen Verantwortung für mein Volk und meine Welt. Durch die Begegnung mit Ihnen und Thora sind Dinge in Bewegung gekommen und hat sich alles noch weiter zugespitzt.«
»Verantwortung«, wiederholte Crest leise.
Rhodan versuchte, die Stimmung seines Gegenübers zu eruieren. War er zu weit gegangen? Hatte er den alten Arkoniden wütend gemacht? War der Vorwurf, der hinter seinen Worten steckte, womöglich nicht gerechtfertigt?
Crest schwieg und schloss die Augen. Es sah aus, als schlafe er ein. Nur etwas sprach dagegen: Die Hände bewegten sich langsam, und die Finger umklammerten die Außenkante seiner Liegefläche.
Als wäre das der Auslöser, ging plötzlich ein Ruck durch die Liege, ein schriller Ton erklang, und die Liege sackte ab. Sie krachte auf den Boden der Zentrale. Crest zuckte zusammen, rutschte fast über die Kanten. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerz, er setzte sich abrupt auf.
Ein Flimmern tanzte rund um die Liege in der Luft, wie die Schlieren einer zerplatzenden Seifenblase. Im nächsten Moment schwebte Crest samt seiner Trage von selbst wieder in ihre Ausgangsposition zurück. Offenbar reparierte sich der plötzlich aufgetretene Defekt automatisch.
Das Flimmern erlosch, und der Arkonide schnappte nach Luft. Einen Augenblick sah es aus, als bekäme er keine Luft. Seine roten Augen weiteten sich, die Pupillen verengten sich zu winzigen Punkten.
»Der Schutzschirm«, sagte Crest. »Er ist defekt.«
»Sie sind ...«
»Die Luft Ihres Planeten kontaminiert mich.« Die Stimme des Arkoniden klang ruhig und besonnen, mehr denn je schien er in sich selbst zu ruhen. »Ich kann sie atmen, wie Sie wissen, doch welche Auswirkungen es auf meine Krankheit hat, vermag ich nicht zu sagen. Die Bakterien Ihrer Welt werden ...«
Er verstummte, als sich eine dritte Gestalt in das Cockpit der STARDUST schob. Reginald Bull streckte zuerst seinen Kopf in den engen Raum. Die Gesichtshaut war von der Sonne gerötet,