Ihr Herz flog ihm entgegen.
»Ich habe meine Meinung auch geändert, Christof. Du hattest völlig recht.
»Womit?«
»Mit deiner Abneigung gegen eine Ehe, die man eingeht wie einen Teilzeitjob, aus rein praktischen Erwägungen.«
»Habe ich das gesagt?« Er rollte die Augen zum Nachthimmel empor, als erwarte er eine Antwort von oben.
»In anderen Worten vielleicht«, gab Kati zu, »aber auf jeden Fall hattest du recht.«
In dieser Nacht blieben sie zusammen in der Caille Trinidad Nummer zwölf, eine kleine verschworene Gemeinschaft, bestehend aus Miguel, der immer wieder jammernd aufwachte, um sich liebevoll trösten und beruhigen zu lassen; aus Christof, der auf dem Sofa ausgestreckt mit offenen Augen träumte; aus Kati, die unermüdlich umherstreifte und ihrer aller Zukunft plante; aus Chico, der sich immer schon gewünscht hatte, ein Familienhund zu werden.
*
Einen schöneren Abschluß ihres ersten Schuljahres konnten sich die Kinder der deutschen Schule in Montelindo nicht vorstellen, als an der Hochzeit ihrer Lehrerin Katharina Busch teilzunehmen und zwar aktiv.
Erich Knobel persönlich hatte ein Lied mit ihnen eingeübt, das sie nach der kirchlichen Trauung auf der Plaza vor der Kathedrale singen würden. Ein Lied, das auch dem letzten ahnungslosen Zuschauer oder zufälligen Passanten deutlich machen würde, daß hier eine deutsche Hochzeit gefeiert wurde.
Angelika Knobel hatte angeregt, daß die kleinen Mädchen in Dirndl-Kleidern und die Jungen in Kniebundhosen auftreten sollten, worauf sowohl Eltern wie auch Kinder begeistert eingegangen waren.
»Wer ist das?« fragte Kati, die im Wohnzimmer ihrer Schwiegermutter auf einem Drehschemel saß, umflattert von zwei Frisörinnen und einer Schneiderin.
Die Mädchen kicherten, die Schneiderin biß sich auf die Lippen.
Herta Hersfeld nahm den Herrn, der etwas hektisch im Türrahmen aufgetaucht war, beim Arm und drehte ihn kritisch hin und her. Er trug einen schwarzen Frack, ein gefälteltes, gestärktes, blendend weißes Hemd und in der Hand einen Zylinder, den er probeweise auf sein gefällig geschnittenes Blondhaar setzte.
»Christof«, fragte Kati halblaut, »bist du das?«
Er schwenkte den Zylinder, verbeugte sich aus der Hüfte heraus, stieß ein Tischchen beiseite und stürmte mit langen Schritten auf sie zu.
»Ich komme mir so komisch vor in dieser Verkleidung.«
»Du siehst umwerfend aus«, murmelte Kati andächtig, »jeder Filmstar würde vor Neid erblassen.«
Christof krauste die Stirn, schüttelte zweifelnd den Kopf und zog sie an beiden Händen von ihrem Schemel empor. Sie trug noch immer ein kurzes Kittelkleid, das ihr die Schneiderin verpaßt hatte, denn die knisternde, mattweiße Hochzeitsrobe würde sie erst im letzten Moment anziehen, wenn Frisur und Kosmetik nichts mehr zu wünschen übrig ließen.
»Was für ein Aufwand«, seufzte Christof und schmiegte seine frisch rasierte Wange hilfesuchend an ihr Gesicht, »dabei will ich weder in die Ehrenlegion aufgenommen werden, noch den Helden in einem Kostümfilm spielen. Ich will dich heiraten, Kati, sonst nichts!«
»Wie schön, mein Schatz! Sag es noch einmal!«
»Aber das weißt du doch längst!«
»Ich höre es trotzdem immer wieder gern.«
»Du bist die Liebe, die ich immer gesucht habe. Die einzig wahre, große Liebe.«
»Darauf kommt es an, Christof, daß wir uns lieben! Nichts sonst zählt!«
»Eben! Drum! Auf diesen ganzen Rummel könnten wir doch gut verzichten.«
»Natürlich. Ich ginge auch so mit dir bis ans Ende der Welt, auf der Stelle, so wie ich bin«, sie zupfte an ihrem Kittelkleid, »aber es wäre eine solche Enttäuschung für alle.«
Sie legte ihm die Arme um den Hals und küßte ihn.
»Tut mir leid, Senor«, meldete sich die Stimme der Schneiderin aus dem Hintergrund, »wir müssen jetzt weiter arbeiten, sonst werden wir nicht rechtzeitig fertig.«
»Ich habe dir doch gesagt«, bemerkte Herta Herzsfeld und schob ihren widerstrebenden Sohn aus dem Zimmer, »das du die Braut im Hochzeitskleid erst vor dem Altar zu sehen bekommst.«
Eine kleine Weile, bevor der schwarze Mercedes der Botschaft sie abholte, standen Herta Hersfeld und ihre Schwiegertochter nebeneinander auf der Terrasse. Sie wagten es nicht, sich niederzusetzen, um nur ja kein Fältchen in ihren Festtagskleidern zu riskieren. Besonders Katis cremeweißer, gebauschter Rock mußte geschont werden.
»Ich setze große Hoffnungen in dich«, sagte Herta scherzhaft, »du bist die Frau, die Christof braucht.«
»Aaah, das ist gegenseitig. Wir brauchen ihn ja auch, Miguel und ich«, erwiderte Kati und faltete unwillkürlich die Hände auf dem Sockel einer Konsole, an der sie lehnte, »wer weiß, was ohne Christof aus uns geworden wäre. Bei den Guzmans hat er mehr Schneid bewiesen als Dona Dolores, die sich immer abwimmeln ließ.«
»Das will ich gar nicht bestreiten. Aber ich denke natürlich weiter. Im konsularischen Dienst hat er keine Aufstiegschancen…«
»Ich weiß«, unterbrach Kati, »ihm fehlt ein Studium.«
»An einer deutschen Universität«, ergänzte Herta, »bisher wollte er nichts davon wissen, obwohl es keine finanziellen Probleme gibt. Für seine Ausbildung ist vorgesorgt worden. Das Kapital hätte jederzeit zur Verfügung gestanden. Aber jetzt erst hat er sich mit dem Gedanken an ein Studium in Deutschland befreunden können.«
»Weil wir zusammen gehen«, erklärte Kati lebhaft, »er hatte nur Horror davor, drüben allein zu sein und vielleicht nie vertraut zu werden in seinem eigenen Heimatland. Jetzt sieht er das alles viel lockerer. Keiner von uns muß sich allein durchbeißen. Wir sind zusammen. Wir sind eine Familie. Das gibt jedem von uns Halt und Schutz.«
Herta nickte vor sich hin.
Christof hatte sein Glück gefunden. Sie brauchte sich keine Sorgen mehr um ihn zu machen.
Die Kathedrale prangte im Schmuck weißer und gelber Lilien, als um fünf Uhr nachmittags die Glocken zu läuten und die Orgel zu spielen begann.
Auf ihrem Weg zum Altar, den Kati am Arm ihres Vaters zurücklegte, nahm sie nur undeutlich eine unübersehbare Schar von Menschen wahr, die alle Bänke füllten und sich noch im Hintergrund stehend drängten.
Ich wußte gar nicht, daß wir so viele Leute kennen, ging es Kati flüchtig durch den Sinn, und dann sah sie den einzigen, auf den es ankam – Christof.
Er stand auf den Stufen zum Altar, aufrecht und feierlich in seinem schwarzen Frack. Bleich und entschlossen sah er ihr entgegen, und als sie näher kam, trat ein strahlendes Lächeln in seine gespannten Züge.
»Du siehst aus wie ein Ritterfräulein«, raunte er und nahm ihre Hand.
»Das will ich hoffen«, gab Kati flüsternd zurück, »daran haben wir lange gearbeitet.«
Die Trauzeugen gruppierten sich gemäß dem vorgeschriebenen Zeremoniell, der Priester trat auf in prächtigem rotgoldenen Ornat, es wurde still im hohen Kirchenschiff.
Die heilige Handlung begann.
Die Predigtworte wurden in spanischer Sprache gesprochen. Es folgten der Ringwechsel, der Segen und das Ave Maria. Als sie sich von der gepolsterten Kniebank erhoben, schlug Kati ihren Schleier zurück.
»Hallo, Frau Hersfeld«, sagte Christof mit schwankender Stimme und küßte sie.
Dann erst drehten sie sich im Zeitlupentempo ihrem Pulikum zu, und Kati erkannte mit feuchten Augen ihre Mutter und Herta Hersfeld, die Knobels und Dona Dolores, die Miguel auf dem Arm hielt. Er trug ein Sträußchen in der kleinen Faust und blickte