DIE GRENZE. Robert Mccammon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Mccammon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353060
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um das Geräusch zu blockieren, bevor es ihn überwand und in die Knie gehen ließ. Ein riesiger Brocken des Schiffes fiel herab und versprühte zahllose Spiralen dunkler Flüssigkeit. In der Wunde fraßen die schwarzen Spinnengestalten, rissen sich durch das fremde Fleisch und die im Inneren liegenden Korridore mit ihren Klauen und Reißzähnen. Der Junge vermutete, dass auch Beton und Stahl ihnen nichts entgegenzusetzen hätten. Das Gorgonenschiff kippte nach rechts. Sein Inneres ergoss sich in zähflüssigen Strömen nach unten. Fleischbrocken, die die Cypherspinnen nicht gänzlich verschlungen hatten, fielen herab.

      Der Maschinenschrei gellte ununterbrochen, während das Schiff zur Erde stürzte. Die Spinnen schwärmten über die zuckende Haut aus. Der Junge drehte sich um und floh.

      Wo er überhaupt noch einen sicheren Ort finden sollte, wusste er nicht. Das ohrenbetäubende Kreischen hörte auf. Ein Punkt für die Cypher, dachte er und rannte durch den gelben Nebel, immer weiter, bis seine Füße sich plötzlich auf zersprungenem Betonboden wiederfanden.

      Er war auf einem Parkplatz. Um ihn herum standen in der sich wie eingedickt anfühlenden Luft die verrosteten und verwitterten Karosserien von acht verlassenen Fahrzeugen. Der Regen hatte aufgehört. Pfützen voller Wasser füllten die Risse und Krater auf dem Boden. Vor ihm befand sich ein längliches Gebäude aus roten Backsteinen, dem kein einziges Fenster unzerstört geblieben war. Auf der linken Seite ragte ein schiefer Torpfosten aus einem Footballfeld voller Unkraut. Die Zuschauertribüne war zusammengebrochen. Ein einziges Schild war auf dem Parkplatz aufrecht geblieben und verkündete tapfer seine Botschaft aus der Vergangenheit.

      ETHAN GAINES HIGHSCHOOL, so stand es in schwarzen, permanent aufgebrachten Buchstaben auf dem Schild. Darunter zeigten die beweglichen roten Buchstaben: Senior Pl y A ril 4-6 'The Ch ngeling'.

      Der Junge sah, wie sich von der anderen Seite des Footballfelds unscharfe, verzerrte Schemen näherten. Einige der Cypher-Soldaten stoppten und materialisierten sich für einige Sekunden zu ihren regulären Körperformen, bevor sie weitereilten. Er schätzte, dass es vierzig oder fünfzig waren, die ihm wie eine dunkle Welle entgegenkamen. Er begann zur Seite zu rennen, aber schon in dem Moment, in dem ihn der Fluchtinstinkt in Bewegung setzte, wusste er, dass er keine Zeit mehr hatte, um zu entkommen. Zu schnell würden sie bei ihm sein.

      Er ließ sich zu Boden fallen und schlüpfte unter einen zerschundenen Pick-up-Truck, der einst schwarz gewesen war. Jetzt blühte er vor rotem Rost. Auf den Überresten der zerbrochenen Heckscheibe prangte noch immer ein Aufkleber der Denver Broncos.

      Dunkle, verschwommene Schemen bewegten sich über den Parkplatz. Die Cypher-Soldaten waren unterwegs, von irgendwoher nach irgendwohin. Der Junge legte sich flach auf den von Rissen durchzogenen Beton. Wenn einer von ihnen ihn hier bemerkte …

      Etwas näherte sich.

      Der Junge spürte es als einen Schauer, der über seine Haut zog. Und er roch irgendeine Art pulsierende Energie in der verdorbenen Luft. Von seinem Versteck aus sah er, wie sich die Beine mehrerer Soldaten materialisierten, als sie stehen blieben. Auch sie fühlten, dass sich etwas noch Unbekanntes näherte.

      Es war still, bis auf das von den Überresten der Autos herabtropfende Wasser. Dann flog etwas mit einem Geräusch wie das Flüstern des Windes über sie hinweg. Ein heller Blitz aus blauem Licht erhellte den Parkplatz und ließ den Jungen die Augen zusammenkneifen. Einen Moment später war es verschwunden, was immer es gewesen sein mochte.

      Der Junge wartete und blinzelte. Lichtflecken drehten sich vor seinen Augen. Einige der Soldaten verschwanden wieder in der Unschärfe, während andere – vielleicht kurzzeitig betäubt – sichtbar blieben und am gleichen Fleck verharrten.

      Über dem Jungen begann sich der Pick-up zu bewegen.

      Ein Schaudern durchzog das Fahrzeug, seine verrosteten Nähte quietschten. Der Junge hörte, wie das metallische Quietschen über den Parkplatz hallte. Plötzlich verwandelte sich die Unterseite des Pick-ups. Aus Metall wurden rote und braune Schuppen und seine verschimmelten Reifen wurden zu schuppigen Beinstummeln, aus denen rote Stacheln mit schwarz glänzenden Spitzen wuchsen.

      Langsam sickerte in sein Bewusstsein, dass der Pick-up zum Leben erwachte.

      Innerhalb von wenigen Sekunden hing ein atmender Bauch über seinem Kopf. Er sah, wie sich die Gestalt über ihm verbreiterte und verdickte. Während er zu Fleisch wurde, gab der ehemalige Pick-up Geräusche von sich, die sich anhörten wie eine Kombination aus riesigen Knochen, die in ihre Gelenkpfannen schnappten, und metallischem Knacken.

      Voller Panik rollte er unter dem Ding hervor und fand sich auf den Knien auf etwas wieder, was nun kein Parkplatz voller verlassener Fahrzeuge mehr war, sondern eine Menagerie von Kreaturen aus den dunkelsten Tiefen von Albträumen.

      Der Junge erkannte, dass was auch immer über ihn hinweggezogen war und seinen Energiestrahl als betäubenden blauen Blitz abgegeben hatte, die Macht besaß, Leben zu schaffen. Und das Leben, das es hier aus den verrosteten und verlassenen Fahrzeugen geschaffen hatte, bestand entweder aus echten Kreaturen aus der Welt der Gorgonen oder entsprang der Vorstellung eines außerirdischen Warlords. Massige, muskulöse Formen erhoben sich vom Betonboden. Der Junge war in ihrer Mitte, zwischen ihren klauenbewehrten Füßen und Beinen, die mit roten und schwarzen Stacheln besetzt waren. Gehörnte Köpfe mit mehreren Augen und aufgerissenen Mäulern suchten das Schlachtfeld ab. Die Cypher-Soldaten eröffneten das Feuer. Die roten Spiralen außerirdischer Flammen schlugen zu, trafen und verbrannten das neugeborene, monströse Fleisch. Die getroffenen Kreaturen kreischten und schrien und ließen die Erde erzittern. Andere der neu geschaffenen Wesen stürzten sich mit großer Geschwindigkeit auf die Soldaten. Wie erstarrt und voller Entsetzen sah der Junge zu, wie sich die Gorgonen-Kreaturen mit ihren Stachelarmen und Klauen durch die Masse der Soldaten arbeiteten. Eine der muskulösen Bestien trug einen Aufkleber der Denver Broncos auf seinen rötlichen Schuppen an der Verbindung von Schultern und Nacken. Der Aufkleber schien durch das gepanzerte Fleisch hindurch wie der verblichene Überrest eines irdischen Tattoos.

      Die Soldaten feuerten ihre Waffen ab, schuppenbesetztes Fleisch brannte und rauchte. Die Kreaturen zermalmten, zertrampelten und zerfetzten die großen, schlanken Wesen in ihren schwarzen Uniformen. Innereien, die nach den Körperflüssigkeiten von Grashüpfern rochen, flogen durch die Luft und spritzen auseinander, wo sie auftrafen. Der Kopf eines der Monster mit sechs tiefliegenden, karmesinroten Augen explodierte in der Flamme einer Cypher-Waffe. Die Kreatur tobte blind über den Parkplatz und schlug wild um sich, während ihr zerklüftetes Gesicht schmolz wie graues Wachs. Die Cypher wurden niedergetrampelt und unter den Monstern zerquetscht. Einige verschwammen in die Beinahe-Unsichtbarkeit, aber andere blieben stehen und feuerten auf die Bestien, bis auch sie in umher spritzende Fetzen gerissen wurden. Die Kreaturen, manche auf allen vieren und andere auf zwei Beinen, begannen die sich zurückziehenden Soldaten zu verfolgen. Drei sterbende Gorgonen-Bestien lagen auf dem zerklüfteten Beton und wurden von den Cypher-Flammen verzehrt. Sie kreischten, schlugen vergeblich nach dem außerirdischen Feuer und versuchten aufzustehen und ihrem kurz bevorstehenden Tod noch irgendwie zu entrinnen. Einer der Kreaturen gelang es, auf die Knie zu kommen. Ihr brennender, dreieckiger Kopf, der auf einem dicken Hals saß, drehte sich. Ebenholzschwarze Augen fanden den Jungen, der rückwärts kroch, immer weiter kroch, selbst als Flammen die Augen der Kreatur fraßen. Mit brennenden Schuppen und Stacheln stürzte die Kreatur zurück auf den Boden. Als das Leben es wieder verließ, gab es etwas von sich, das nach einem Seufzer klang.

      Der Junge stand auf, schwankte und rannte wieder. Das war alles, was er tun konnte, um am Leben zu bleiben.

      Als er in den Dunst des gelben Nebels kam, wusste er, dass er besser nicht hinfiel, nicht fallen durfte. In der Ferne konnte er das Brüllen der Monster hinter sich hören und seine schmutzigen Pumas ließen ihn fast den Boden unter den Füßen verlieren. Er war nicht mehr auf Beton, sondern erneut auf einem Feld voller Schlamm und Unkraut. Zerfetzte und qualmende Leichen von Cypher-Soldaten lagen um ihn herum. Hier hatte eine weitere Schlacht stattgefunden. Ein Punkt für die Gorgonen, dachte er.

      Er kam nicht weit, bis er bemerkte, dass sich hinter ihm etwas rasch näherte.

      Er hatte Angst, zurückzublicken. Angst, langsamer zu werden. Angst vor der Erkenntnis,